Monumentalskulptur

Monumentalskulptur

Als M. wird eine Skulptur großer Dimensionen im öffentlichen Raum bezeichnet. In der Regel steht sie baulich, ästhetisch oder der Planung nach im Zusammenhang mit Gebäuden, die im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stehen wie Kirchen, Schlössern und Rathäusern oder mit urbanistischen Anlagen wie Märkten, Brücken und Parks. Bevorzugte Orte ihrer Aufstellung sind Großstädte, besonders Metropolen von politischer Bedeutung. Aber auch imposante Naturkulissen, die im historisch gewachsenen politisch- oder kulturhistorischen Landschaftsraum bedeutungsvoll sind, bieten sich als Ort für die monumentale Denkmäler an.

Durch Größe und Ort ihrer Errichtung weist die M. bestimmten Orten im Stadt- und Landschaftsraum einen Platz in der Erinnerung von Volksgruppen und Nationen zu. Zugleich organisieren sie die Zirkulation der Menschenmassen. Durch dauerhafte Materialien wie Granit, Bronze oder Stahl versucht sie, sich dem Fluss der Zeit als scheinbar unvergänglich entgegenzustellen. Manche Projekte der M. sprengen wegen ihrer utopischen Ausmaße oder ihrer technischen Ausstattung den Rahmen dessen, was zum Zeitpunkt ihrer Planung realisierbar ist. Das prominenteste Beispiel ist Vladimir E. Tatlins „Denkmal der III. Internationale“ (1919/20). An einem 400 m hohen, schrägen Pfeiler sollte eine Doppelspirale mit Zugängen aufgehängt werden, zwischen deren Windungen vier rotierende Baukörper aus Glas und Stahl aufgehängt werden sollten. Das Monument hätte die Kulisse Sankt Petersburgs dominiert. Gezielt hätte es ein anderes Revolutionsmonument – den 1889 anläßlich der 100-Jahr-Feier der Französischen Revolution errichteten Turm des Ingenieurs Gustave Eiffel – um 100 m überragt. Es markierte den Übergang der M. in eine Architektur, die aktiv in die Bewegung der Massen eingreifen sollte.

Die ursprüngliche Funktion der M. war die Gedächtnisstiftung an herausragende Menschen (Herrscher, verdienstvolle Personen in Politik, Wissenschaft und Kultur). In christlichen Zeiten waren Heiligenfiguren wie die Madonna auf einer Säule oder Hl. Nepomuk auf einer Brücke die Votivgabe an Fürbitter. Sie konnten im Zusammenhang mit gewichtigen, folgenreichen Ereignissen stehen (Errettung von der Pest, Sieg in einer Schlacht). Derartige Ereignisse wurden seit dem 19. Jh. auch in profanen M. in Erinnerung gehalten. Seit der Renaissance diente die Monumentalskulptur – gleichzeitig das Instrument für die Propaganda herrschaftlicher Macht und ihre Repräsentation – zur Rechtfertigung der dynastischen Autorität und ihrer Sicherung in der Zukunft. Sie nahm einen hervorragenden Platz im Rahmen des zeremoniell organisierten höfischen Lebens und seiner öffentlichen Inszenierung ein. Seit dem 19. Jh., der Epoche des aufkommenden Nationalbewusstseins und des Historismus, ging ihre Errichtung immer mehr in die Hände der Bürgerverbände über.

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Im Dienst breiter Volksmassen repräsentierte die M. modellhaft die ideologische Struktur der Gesellschaft und ihre Werte (z. B. durch allegorische Gestalten und Personifikationen der Tugenden). Als Gegenstand kollektiver Repräsentation wurde sie zur Vergegenwärtigung der Gründungsmomente eines politischen Regimes (Aufstand, Revolution, Diktatur) genutzt. Ihre Errichtung ist ebenso wie die Zerstörung ein symbolischer Akt zur Durchsetzung einer Ordnung. Die Gewaltsamkeit dieser Durchsetzung wurde oft ästhetisch mitthematisiert. Der Sturz des Denkmals ist als politische Aktion aufzufassen, in der die M. als Medium sozialer oder politischer Konflikte eingesetzt wird (z. B. während der Reformation, der Französischen Revolution, des Ungarnaufstands 1956, des Falls des Eisernen Vorhangs 1989). Der Bildersturm kann verschiedene Stufen erreichen, von der Umwidmung, der Neubeschriftung und der Deponierung im Museumsdepot (das Lenin-Denkmal in Berlin-Friedrichshain 1991) bis zur Enthauptung von Statuen oder der totalen Vernichtung (der Sturz der Stalin-Statue in Budapest 1956, von der nur die Stiefel übrig geblieben sind; der Sturz der Lenin-Statuen in Riga und Bukarest 1990; der Sturz des Denkmals Feliks Dzeržinskijs, des Gründers des sowjetischen Geheimdienstes, in Moskau 1991; der Sturz der Statue Enver Hoxhas in Tirana 1991).

Die Form der M. geht oft auf antike Denkmäler wie Obelisken, Säulen, Triumphbogen, Standbilder oder Reiterdenkmäler zurück. Gestützt auf die antike Tradition vermittelt sie in allen west- und osteuropäischen Metropolen ein einheitliches Erscheinungsbild.

Verschiedene Typen des Denkmals richten sich an verschiedene Formen der Organisation der Memoria. Die unterschiedlichen Typen hat Alois Riegel im Buch „Der moderne Denkmalkultus, sein Wesen und seine Entstehung“ (Wien 1903) charakterisiert. Auf Grundlage zeichnete er die historische Entfaltung des Denkmals nach.

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Nach dem Vorbild der frühen Reiterdenkmäler aus dem 16. und 17. Jh. in Italien (Condottiere-Statuen wie Donatellos „Gattamelata“ in Padua; die Wiedererrichtung des bronzenen Reiterstandbilds des Kaisers Marcus Aurelius auf dem Kapitol in Rom durch Michelangelo; Statuen wie die Cosimo I. de’ Medici in Florenz), in Spanien und in Frankreich (Henri IV. auf der Brücke Pont Neuf, Louis XIV. auf der Place Vendôme in Paris) entstand das Reiterdenkmal Peters des Großen in Sankt Petersburg (1776/77). Der Typus des Herrschers, dessen Pferd sich auf einem Felsensockel aufbäumt, markiert ein Endstadium in der Entwicklung des absolutistischen Reiterstandbildes. Das Werk des französischen Bildhauers Étienne Maurice Falconet wurde von Katharina der Großen gestiftet. Das Monument fand den Weg in die romantische Dichtung Puschkins, wo es im Gedicht „Der eherne Reiter“ (1832) belebt wird und seinen Sockel verlässt. Spätere russische Zaren wurden in der Nachfolge eines Typos, der im Zusammenhang mit der französischen Aufklärung entstanden war, sitzend verewigt wie Aleksandr II. und Aleksandr III. von Pavel P. Trubeckoj in Sankt Petersburg.

Die Statuen von Feldherren zeigen diese auf einem Sockel stehend wie General Aleksandr V. Suvorov, den Sieger über Napoleon in Sankt Petersburg, das Werk Michail I. Kozlovskijs, aber auch das Monument für seinen Gegner, den Anführer des Nationalaufstandes 1794 und der polnischen Legionen, Tadeusz Kościuszko, in Warschau. Nach dem Vorbild preußischer Monumente wurden sie in zeitgenössischer Uniform gezeigt.

In Polen, wo christliche und Nationaltugenden im Sendungsbewusstsein der Herrscher (Polen als Antemurale Christianitatis) und nach den Teilungen des Landes des ganzen Volkes (der messianische Glaube an die Auserwähltheit und ›imitatio Christi‹) miteinander verschmolzen, erfüllten Denkmäler die Funktion von Nationalheiligtümern. In der polnischen romantischen Dichtung Adam Mickiewiczs werden wunderwirkende Statuen um Hilfe gebeten (Prolog des Nationalepos „Pan Tadeusz“ 1834) und ermöglichen die Auferweckung der Helden (Mysteriendrama „Dziady III.“ 1832). Zur Zeit der polnischen Teilung entstanden zwei Arten von Denkmälern: solche, die auf Initiative patriotischer Bürger errichtet wurden und solche, die auf Initiative der russischen, preußischen oder österreichischen Fremdherrscher gestiftet wurden. So standen sich in Warschau das Denkmal des russischen Generals Ivan F. Paskevič (1870), errichtet von Aleksandr II., und das spätere Denkmal des romantischen Dichters Mickiewicz (1898) gegenüber. Im Zuge der Emigrationswellen nach den Teilungen wurden auch Statuen im Ausland gestiftet, so Standbilder Tadeusz Kościuszkos in Washington, Adam Mickiewiczs in Paris oder Józef Piłsudskis in Rom.

Im Laufe des 19. Jh. begann man auch Dichtern, Künstlern und Wissenschaftlern von nationaler Bedeutung Denkmäler zu errichten: Puschkin und Gogol in Sankt Petersburg oder Frédéric Chopin (1926) und Nikolaus Kopernikus (1830) in Warschau. Es entstanden auch erste Denkmäler, die einem Menschenkollektiv gewidmet wurden wie das Denkmal der Befreier Belgrads von den Osmanen(1806).

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Nach der Oktoberrevolution erließ das „Sowjetische Volkskommissariat“ 1918 ein von Lenin redigiertes Dekret zum Thema Denkmäler. Beeinflusst von Tommaso Campanellas Werk ›Cità del sole‹ (Neapel 1602), in dem Fresken der Erziehung der Menschen dienen sollten, verlangte Lenin die Entfernung der Zarendenkmäler wie auch die der Diener der Zarenherrschaft von Märkten und Straßen. Darüber solle eine neu gegründete Kommission entscheiden, die auch Wettbewerbe für neue Denkmäler ausschreiben solle, damit Künstler für neue Aufgaben mobilisiert würden. V. a. die neuen Staatsembleme wie auch die Dekoration zu den Feierlichkeiten zum 1. Mai sollten dabei motivisch in den Vordergrund treten. In der Diskussion über die Denkmäler zu Ehren der Begründer der Sowjetunion äußerte sich der Künstler und Kunstkritiker Nikolaj N. Punin („Über Denkmäler“ 1919) gegen den realistischen, mimetischen Figurenstil. Skulpturale Porträts würden fälschlicherweise den individuellen Heroismus preisen, der im Widerspruch zum kollektiven Heroentum der proletarischen Massen stehe. Erst die Typisierung des Individuellen vereine den Menschen mit dem Kollektiv, verschmelze beide zur einheitlichen Masse. Im Einklang mit diesen Forderungen entstand nach dem endgültigen Sieg des Sozialismus in der Stalin-Zeit Vera Muchinas „Der Arbeiter und die Kolchosenbäuerin“ in Moskau (1937). Eine Bäuerin mit der Sichel und ein Arbeiter mit dem Hammer sind die typisierten Repräsentanten des Arbeiter- und Bauernkollektivs als dem Symbol des sozialistischen Aufbaus. Zugleich wird die Wertigkeit der Klassen durch das Geschlechterverhältnis verbildlicht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden überall in Osteuropa zahlreiche Denkmäler für die gefallenen Soldaten und die Opfer des Nationalsozialismus. Seit 1960er bis in die 1980er Jahre errichtete man in der Sowjetunion M.en zu Ehren der russischen Kosmonauten („Das Denkmal der Erschließung des Kosmos“ 1964 und „Der erste Kosmonaut“ 1980 in Moskau), deren Form die Dynamik des Fluges widerspiegelt. Nach dem Zerfall der großen sozialistischen Einheitsstaaten und mit der Entstehung der neuen Nationalstaaten zeigte sich in der M. die Suche nach nationaler Identität, die durch die sozialistische Gleichschaltung unterbunden wurde. Man zögerte nicht, historischen Gründerfiguren erneut Denkmäler zu errichten, etwa für Peter den Großen in Sankt Petersburg (1991) und in Moskau (1997).

Akademie der Künste (Hg.) 2000: Denkmale und kulturelles Gedächtnis nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation. Dokumentation der internationalen Fachtagung vom 18. bis zum 22. November 1998 in Berlin. Berlin. Bildersturm in Osteuropa. Die Denkmäler der kommunistischen Ära im Umbruch. Eine Tagung in Berlin 18. bis 20. Februar 1993. München 1994 (= Icomos. Hefte des deutschen Nationalkomitees XIII). Tazbir J. 1997: „Kampf um Denkmäler“. Nationaldenkmäler und die Entwicklung des polnischen Nationalbewusstseins im 19. Jahrhundert, Mai G. (Hg.): Kyffhäuser-Denkmal 1896–1996. Ein nationales Monument im europäischen Kontext, Köln, 112–135. Warnke M. 2003: Politische Ikonografie, Kunsthistorische Arbeitsblätter 2, 5–16.

(Tanja Zimmermann)

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