Kubanʹ (Region)

Kubanʹ (russ.)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

K. ist der Name einer ethnographischen Region im Süden des europäischen Russlands, die sich beiderseits des gleichnamigen Flusses K. erstreckt, welcher diesem Gebiet seinen Namen gab. Im Westen grenzt die Region an das Schwarze und das Asowsche Meer, im Süden an Georgien und die Hauptkette des Kaukasus. Nach Norden reicht sie bis zum Fluss Eja, im Osten bis zum „Stavropoler Hochland“ (russ. Stavropolʹskaja vozvyšennostʹ). Sie deckt sich in etwa mit dem Territorium der Region Krasnodar und der autonomen Republik Adygejien.

Der nördliche und zentrale Teil liegt im flachen nördlichen Kaukasusvorland, in welchem fruchtbare Schwarzerdeböden vorherrschen (Kubansteppe). Eine Ausnahme bildet die zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer gelegene Halbinsel Tamanʹ im äußersten Westen, die durch Schwemmland und Schlammvulkane geprägt ist. Die Küstengebiete am Asowschen Meer zeichnen sich durch Salzmarsche und Lagunen aus. Im südlichen Teil der Region K. erstreckt sich die stark bewaldete Schwarzmeerbergkette des Kaukasus, die nach Süden in die Küstenlandschaft am Schwarzen Meer übergeht, in welcher lehmige und sandige Böden vorherrschen.

Die mittlere Januartemperatur beträgt im nördlichen und zentralen K. -5 °C, in den Berggebieten -7 bis -8 °C. An den Küsten liegt sie dagegen bei relativ milden 5 °C. Die mittlere Julitemperatur schwankt zwischen 22 und 24 °C im Flachland und an der Küste, während sie in den Bergregionen teilweise lediglich 12-13 °C beträgt. Aufgrund der Stauwirkung des Kaukasus ist die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge von 400-600 mm für eine im altweltlichen Steppengürtel gelegene Region relativ hoch. An der Küste findet sich aufgrund der milden Winter eine Vegetation, welcher jener des Mittelmeerraumes ähnlich ist. Im nördlichen Kaukasusvorland ist dagegen die ursprünglich vorherrschende Steppenvegetation aufgrund einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung fast vollständig verdrängt worden.

Während in der Region K. ab Ende des 18. Jh. bis in die 1920er Jahre die ukrainischsprachige Bevölkerung (v. a. Kubanʹ-Kosaken) die größte Bevölkerungsgruppe stellten, so machen heute Russen (84,8 % im Jahr 2002) den überwiegenden Teil der ca. 5,54 Mio. Einwohner (2005) aus. Weitere Minderheiten sind u. a. Armenier (5,2 %), Ukrainer (2,5 %) und Adygeier (2,2 %). Darüber hinaus bezeichnen sich über 17.500 Menschen in der Region K. als Kosaken. Die größte Stadt der Region ist Krasnodar, in welcher sich seit 1920 die K.-Universität (russ. Kubanskij Gosudarstvennyj Universitet) befindet.

Wirtschaftlich ist insbesondere die Landwirtschaft von Bedeutung. In den Schwarzerdegebieten des nördlichen Kaukasusvorlandes werden überwiegend Getreide und Sonnenblumen angebaut, während im Delta des Flusses K. Reisanbau betrieben wird. Im Kaukasus ist vor allem die Forstwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. An der Schwarzmeerküste können aufgrund der günstigen klimatischen Bedingungen Wein, Tee, Tabak und Zitrusfrüchte kultiviert werden. Industriell dominiert die Lebensmittelverarbeitung, weiterhin sind der Maschinenbau, die Holz- und Metallverarbeitung und die Papier- und Chemieindustrie wichtige Produktionszweige. Darüber hinaus gibt es im Nordwesten des K. bedeutende Gasvorkommen und in Adygejien Ölfelder.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Das Gebiet der K.-Region war bereits in der Jungsteinzeit besiedelt. Seit der Antike lebten hier kaukasische Völker, die als Vorfahren der noch heute in der Region beheimateten Volksgruppen der Adygejer und der Tscherkessen gelten. Ab dem 6. Jh. v. Chr. erstreckte sich beiderseits der Straße von Kertsch das von Griechen gegründete Bosporanische Königreich. Dieses wurde von den Hunnen wahrscheinlich im 5. Jh. zerstört.

Nachdem das Gebiet ab dem 7. Jh. Teil des Chasarenreiches war, kam es nach dessen Zerschlagung im 10. Jh. zur Kiewer Rus. Diese gründeten an der Küste das Fürstentum Tmutarakanʹ, welches bis zur Eroberung durch die Mongolen im 13. Jh. existierte. Als der mongolische Einfluss schwand, entstanden an der Küste Kolonien der Genuesen, welche sich zu wichtigen Kultur- und Handelszentren entwickelten. Zu diesen gehörten etwa Mapa (heute: russ. Anapa), Bata (heute: russ. Novorossijsk) und Matriga (Tmutarakanʹ).

Ende des 15. Jh. wurden die genuesischen Kolonien vom Osmanischen Reich erobert, welches fast die gesamte Region unter seine Kontrolle bringen konnte. Lediglich die in den Bergen siedelnde tscherkessische Bevölkerung konnte ihre Unabhängigkeit bewahren, wobei sie allerdings die islamische Religion annahm. Die Verwaltung des Gebietes erfolgte durch das Krimkhanat, welches unter der Oberhoheit des Osmanischen Reiches stand. In dieser Zeit etablierten sich im nördlichen Kaukasus-Vorland die nomadischen Nogaier, welche sich heftige Kämpfe mit den Tscherkessen lieferten.

Die Zeit unter osmanischer Herrschaft endete im 18. Jh. im Zuge des russischen Vorstoßes in die Kaukasus-Region. Hierbei kam es im russisch-osmanischen Krieg (1768-74) zur Verdrängung der Nogaier in den Nordkaukasus. Mit den Friedensschlüssen von Küçük Kaynarca 1774 und Jassy 1791 zu Ende der Russisch-Osmanischen Kriege fiel der überwiegende Teil der Region an Russland. Lediglich die Tscherkessen konnten noch bis 1861 ihre Autonomie in den Bergregionen südlich des K.-Flusses bewahren. Um diese neue Grenzregion des russischen Reiches zu sichern, übertrug die russische Zarin Katharina II. das Land an Kosaken, welche überwiegend aus der Ukraine (Zaporizʹka Sič) und dem Dongebiet (Donkosaken) stammten. Diese verfügten über weitreichende Privilegien. Seit dem Kaukasus-Krieg (1817–64), in welchem das Russische Reich die bis dahin unabhängigen kaukasischen Völker (u. a. die Tscherkessen) unterwarf, trugen sie offiziell den Namen K.-Kosaken.

Durch die endgültige Unterwerfung der nordkaukasischen Völker kamen auch die Berggebiete des Transkuban unter russischer Kontrolle. 1861 wurde das Gebiet administrativ dem Russischen Reich eingegliedert. In der Folge kam es zu Repressionen gegen die indigenen Völker. Aus dem Nordkaukasus wurden insgesamt etwa 750.000 Personen ins Osmanische Reich zwangsumgesiedelt.

In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Anteil der ukrainischsprachiger Bevölkerung durch die Ansiedlung weiterer bäuerlicher Bevölkerung aus den Gouvernements Charkiv, Ekaterinoslav (ukrain. Katerynoslav, heute Dnipropetrovsʹk), Poltava und Černihiv (heute Ukraine) beträchtlich an. Daneben kam es aber auch aus den russischen Gebieten Voronež und Kursk zu starker Zuwanderung. Die Bauern hatten gegenüber den Kosaken allerdings deutlich weniger Rechte und waren in der Regel auch sozioökonomisch benachteiligt.

Nach der Oktoberrevolution 1917 stellte sich die Mehrheit der K.Kosaken auf die Seite der Weißen und erklärte sich für unabhängig. Letztendlich gelang es den Kosakenverbänden aber nicht, sich dauerhaft gegen die Bolschewisten zu behaupten, die hier 1918 in rascher Folge drei kurzlebige Sowjetrepubliken gründeten. Mit dem Rückzug der zwischenzeitlich im Bürgerkrieg engagierten westlichen Armeen 1920 wurden ca. 17.000 K.kosaken von den Alliierten nach Griechenland ausgeschifft.

Nach Beendigung des Bürgerkriegs 1920/21 wurden sämtliche Privilegien der K.kosaken abgeschafft, die kosakischen Verbände in die Rote Armee integriert und das Gebiet administrativ neu gegliedert. 1922 entstand das Autonome Gebiet Adygejien, 1924 der zur Region Nordkaukasien (Severo-Kavkazskij kraj) gehörende K.-Kreis (Kubanskij okrug), aus dem 1937 schließlich die Region Krasnodar hervorging.

Da die sowjetische Regierung zunächst die kulturelle Entfaltung von Minderheiten förderte, brachten die 1920er Jahre ein Aufleben des kosakisch-ukrainischen Kulturlebens. In dieser Zeit wurde in den meisten Schulen in ukrainisch-sprechenden Distrikten Ukrainischunterricht eingeführt. Mit Beginn der 1930er Jahre verschlechterte sich aber die Situation. So wurden im Zuge der ab 1929 durchgeführten Zwangskollektivierung ca. 200.000 Bauern und Kosaken deportiert, der größte Teil davon nach Sibirien. Unter der Hungersnot von 1932 litt v. a. die vornehmlich aus ukrainischen Bauern und Kosaken bestehende Landbevölkerung. 1934 wurde der Ukrainischunterricht an Schulen abgeschafft und ukrainischsprachige Zeitungen verboten. Auch die überwiegend muslimischen Adygejer hatten unter dem Stalinismus zu leiden, indem sie antiislamischen Repressionen ausgesetzt waren. Im Zweiten Weltkrieg wurde die K.-Region im Zuge der Kaukasus-Offensive von der deutschen Wehrmacht besetzt und 1943 Schauplatz einer verheerenden Schlacht.

In den Jahrzehnten nach 1945 hatte die ukrainischsprachige Bevölkerung nur wenige kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten, erst in den 1980er Jahren wurde vereinzelt der Ukrainischunterricht an Schulen wieder eingeführt. Mit der Perestroika setzte eine Wiederbelebung des Kosakentums ein. 1991 erhielt Adygejien den Status einer autonomen Republik. In der Folge kam es dort durch eine positive Diskriminierungspolitik zu Spannungen zwischen den Adygejiern und der russischen Bevölkerungsmehrheit: Bei der slawischsprachigen Mehrheit regte sich Widerstand gegen die Rückkehr vertriebener Adygejier. Letztendlich konnten diese Probleme jedoch gewaltlos gelöst werden.

Chistov K. (Hg.) 1967: Kubanskie Stanicy: Etničeskie i kul'turno-bytovye processy na Kubani. Moskva.

(Sebastian Klüsener)

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