Pärnu (Stadt)

Pärnu (estn., dt. hist. Pernau); Stadt an der Rigaer Bucht (Ostsee) im Südwesten Estlands, in verkehrsgünstiger Lage an der Mündung des gleichnamigen Flusses und an der Hauptstraße zwischen Tallinn (130 km entfernt) und Riga (Lettland) gelegen, 44.074 Einwohner (2006).

Steinzeitliche Funde belegen schon für ca. 8800 v. Chr. erste menschliche Siedlungen in diesem Gebiet. Bereits vor dem Eintreffen des Deutschen Ordens zu Beginn des 13. Jh. bestand am Fluss P. ein lokales Zentrum des Fell- und Bernsteinhandels. Erstmals urkundlich erwähnt wurden Stadt und Bischofssitz P. (›Perona‹) 1251. Die damals bestehende schiffbare Verbindung aus Binnenwasserwegen zwischen Rigaer Bucht, Dorpat (estn. Tartu), Fellin (estn. Viljandi) und dem Peipus-See, die zur Entstehung der Hansestadt Pernau im 14. Jh. maßgeblich beitrug, versandete allerdings infolge des sinkenden Meeresspiegels im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Lübecker Kaufleute, die mit der Einbindung P.s in die Hanse hier zahlreiche Niederlassungen gründeten, dominierten den Handel P.s bis in das späte 18. Jh.

Nach 1561 erlebte die Stadt unter schwedischer Herrschaft eine kulturelle und ökonomische Blütezeit. Sie war u. a. 1699–1710 Sitz der Dorpater Universität ›Academia Gustavo Carolina‹. Mit dem Frieden von Nystad 1721 fiel die Stadt schließlich an Russland. Der wachsende Rohstoffhandel im 18. und 19. Jh. begründete P.s anhaltende wirtschaftliche Bedeutung. Die mit den napoleonischen Kriegen einhergehenden Wirtschaftsblockaden führten zu einem zeitweisen Niedergang der Handelsstadt. 1838 begann mit der Errichtung einer Badeanstalt der Aufschwung als Heil- und Seebad. P.s Schlammbäder und lange Sandstrände waren v. a. in der Zwischenkriegszeit berühmt. Die letzte deutsche Bevölkerung verließ im Rahmen der vom Dritten Reich betriebenen Umsiedlungen 1940 die Stadt.

Der Zweite Weltkrieg führte 1944 mit dem Einrücken der Roten Armee zu einer nahezu völligen Zerstörung der alten Bausubstanz – ein Schaden, der durch sorgfältige Restaurierungen in der Nachkriegszeit fast vollständig behoben werden konnte. Besondere Sehenswürdigkeiten sind der Rote Turm (estn. ›Punane Torn‹), der einzig erhaltengebliebene Teil des mittelalterlichen Burgwalls sowie die barocken Sakralgebäude der lutheranischen Elisabeth- und der russisch-orthodoxen Katherinenkirche. Bereits in der Sowjetzeit wurde P. wieder Bade- und Kurort, ungeachtet der Wasserverschmutzung, die erst durch die Errichtung einer Kläranlage 1993 beseitigt werden konnte. Die einzigartigen Strände tragen seit dem Jahr 2000 die international anerkannte „blaue Fahne“, das Zeichen für sauberes Wasser. P. gilt aufgrund vielfältiger städtischer Aktivitäten zudem heute als heimliche Kultur- und seit Sowjetzeiten als Sommerhauptstadt Estlands. Der Hochseehafen P. ist v. a. Umschlagplatz für den Holzhandel.

K Kobolt E. 1990: Die deutsche Sprache in Estland am Beispiel der Stadt Pernau. o. O. Tallinn-Tartu-Riga-Pärnu: Stadtschicksal und Stadtzukunft im Baltikum. Bericht über das Internationale Treffen 1993. o. O.

(Susanne Nies)

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