Stettin (Stadt)

Stettin (poln. Szczecin)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

S. liegt, etwa 130 km nordöstlich von Berlin und 65 km von der offenen Ostsee entfernt, im Nordwesten der polnischen Woiwodschaft Westpommern (województwo zachodniopomorskie). Die Stadt erstreckt sich hauptsächlich westlich der Oder, auf einer Fläche von 300,8 km² und ist mit der Ostsee durch das S.er Haff verbunden. Die mittlere Temperatur im Januar beträgt –1,1 °C, im Juli 17,7 °C und der Mittel der jährlichen Niederschläge – 560 mm.

S. ist verwaltungstechnisch in 36 Stadtteile gegliedert und Hauptstadt der Woiwodschaft Westpommern. Im Mittelalter nur einige tausend Einwohner, hat sich die Einwohnerzahl S.s von 1816 bis 1910 verneunfacht (von 25.091 auf 236.113). Den Stand von 1939 (268.400) konnte sie jedoch erst wieder 1960 (269.300 Einwohner) erreichen. Heute hat die Stadt 415.000 Einwohner und ist die größte Stadt Westpommerns. Die Bevölkerungsdichte beträgt 1369 Einwohner/km².

Vor 1945 wurde S. überwiegend von Deutschen bewohnt. Daneben gab es eine jüdische und eine kleine polnische Gemeinde. Dieses ethnische Bild der Stadt hat sich nach dem Krieg völlig verändert. Durch die Westverschiebung Polens haben sich in S. viele Polen aus den ehemaligen polnischen Gebieten der Ukraine und Weißrusslands niedergelassen. Weiterhin wurden im Rahmen der Aktion Weichsel viele ethnische Ukrainer und Weißrussen hier zwangsangesiedelt, nur eine kleine deutsche Gemeinde blieb erhalten. In S. dominiert das Polnische, auch innerhalb der ukrainischen und weißrussischen Minderheit. Daneben spielt Deutsch aufgrund der Nähe zu Deutschland eine gewisse Rolle. Die Polen sind fast ausnahmslos römisch-katholisch, die deutsche Bevölkerung meist evangelisch und die ukrainische und weißrussische gehört größtenteils der polnisch-orthodoxen bzw. griechisch-katholischen Kirche an.

S. wird ökonomisch immer noch stark von der Hafenwirtschaft und vom Schiffsbau geprägt. Der S.er Hafen ist nach Danzig und vor Gdynia der größte polnische Hafen und zusammengenommen mit Swinemünde der größte polnische Hochseehafen (Umschlag 2004: 9480,2 Tsd. t). Weitere wichtige Wirtschaftszweige sind Maschinenbau-, Lebensmittel-, Textil-, Baustoff- und Stahlindustrie, Fischverarbeitung und auch zunehmend der Tourismus, insbesondere im Umland von S. 30 km von S. entfernt liegt der internationale Flughafen Gollnow (Goleniów, 100.847 Passagiere 2005).

S. beherbergt 16 staatliche und private Hochschulen, darunter die Universität S., die Technische Universität (poln. Politechnika Szczecińska), die Landwirtschaftsakademie (Akademia Rolnicza), die „Pommersche Medizinische Hochschule“ (Pomorska Akademia Medyczna), die Meeresakademie (Akademia Morska) und jeweils ein Priester- und Lehrerseminar. Außerdem gibt es in der Stadt sechs Theater, fünf Museen, zwei Bibliotheken, eine Philharmonie und eine Oper.

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2 Kulturgeschichte

In die seit dem 7. Jh. bestehende slawische Burgsiedlung S. kamen Mitte des 12. Jh. die ersten deutschen Kaufleute und Handwerker und gründeten eigene Wohnviertel. 1124 wurde durch Bamberger Missionare das Christentum eingeführt. 1184-1227 standen S. und ganz Pommern unter dänischer Lehnsherrschaft. 1237 erfolgte die Vereinigung der deutschen und der slawischen Ansiedlung S.s und 1243 die Verleihung der Magdeburger Stadtrechte. Die Bedeutung der slawischen Bevölkerung S.s nahm in der Folgezeit immer stärker ab. 1272 trat S. der Hanse bei. S. wurde Residenz der Herzöge von S. bzw. (später) Pommern (Westpommern). Die hölzerne Burg wurde Mitte des 14. Jh. durch den Bau eines Steinschloßes ersetzt, das in den Folgejahrhunderten mehrere Aus- und Umbauten erlebte.

Die Stadt wuchs in eine führende politische Rolle in Pommern. Unter Bogislaw X. wurde sie 1478 dessen Hauptstadt nach wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen mit anderen Städten Westpommerns um Handelsrechte, die ihre Fortsetzung im 16. Jh. in inneren Machtkämpfen fanden, die durch einen Handelskrieg mit Frankfurt an der Oder und die Reformation (1524–34) begünstigt wurden. 1630 wurde S. von den Schweden besetzt und im 17. Jh. durch weitere Auseinandersetzungen mit Brandenburg stark geschwächt. 1713/20 kam es zum Anschluss an Preußen. S. wurde Hauptstadt der Provinz Pommern, zur Festungsstadt ausgebaut und der S.er Hafens in Swinemünde zum wichtigsten preußischen Hafen. 1806–13 wurde S. durch napoleonische Truppen besetzt. 1843 erhielt die Stadt eine Bahnverbindung nach Berlin und 1846 nach Posen.

In den Kämpfen zwischen der sowjetischer Armee und der deutschen Wehrmacht im Frühjahr 1945 wurde S. zu zwei Drittel zerstört. Obwohl S. jenseits der Oder-Neiße-Grenze liegt, fiel es - endgültig im Juli 1945 - an Polen. Dies wurde durch die Bedeutung S.s als Hafen, der noch bis 1947 bzw. teilweise bis 1955 unter sowjetischer Verwaltung stand, für den polnischen Staat begründet. Im Februar 1946 begann die Aussiedlung der deutschen Bevölkerung, ein starker Zuzug polnischer Bevölkerung folgte. Die zerstörte Altstadt wurde nur z. T. wiederaufgebaut. Das Zentrum S.s verlagerte sich in die gründerzeitlich geprägte Neustadt. 1958-85 erfolgte der Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Schloßes. Am 17./18.12.1970 kam es im Zuge von Massenstreiks zu blutigen Zusammenstößen mit Miliz und Militär, bei denen 14 Menschen getötet wurden. In den Jahren 1980/81 wurde S. Schauplatz großer Arbeiterbewegungen im Rahmen der Gewerkschaft Solidarność.

Völker E. 2002: Stettin. Daten und Bilder zur Stadtgeschichte. Leer.

(Marcin M. Bobrowski)

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