Leibeigenschaft (Walachei und Moldau)

Leibeigenschaft (Walachei und Moldau)

Die Wurzeln und die Formen der bäuerlichen Unfreiheit in den beiden rumänischen Woiwodschaften (Fürstentümern) Walachei und [Moldau (Fürstentum)|Moldau]] sind v. a. für die ältere Zeit unzureichend erforscht und auch aufgrund der äußerst dürftigen Quellenlage bestehen noch manche Unklarheiten. Allgemein lässt sich feststellen, dass sich allgemeingültige, verbindliche Regelungen der Lage der bäuerlichen Bevölkerung erst im 18. Jh. durchsetzten. Zuvor gründete das Verhältnis zwischen Herr und Untertan auf dem Gewohnheitsrecht, das je nach örtlichem oder zeitlichem Kontext starke Unterschiede aufweisen konnte. Die bäuerliche Bevölkerung stellte daher nie eine einheitliche Schicht dar, sondern blieb immer stark gegliedert.

Nach der Entstehung der beiden Woiwodschaften (Fürstentümer) Walachei und Moldau im 14. Jh. herrschte ein weitgehend tributär ausgerichtetes Agrarsystem vor, welches teilweise an die Traditionen der im 12. und 13. Jh. in diesem Raum herrschenden Stammesverbände (Kumanen, Mongolen) anknüpfte. Trotz gewisser Einflüsse aus dem ungarischen und polnischen Raum lassen sich Merkmale des Lehenswesen beziehungsweise ein überwiegend grundherrschaftlich organisiertes Agrarsystem nach westeuropäischem Muster nur in Ansätzen erkennen.

Eine vermutlich bereits im 14. Jh. bestehende Schicht von persönlich Unfreien (Knechte, Sklaven; zumeist zigeunerischer, in der Moldau auch tatarischer Herkunft; in den Quellen meist als ›cigani‹ (Zigeuner), manchmal auch als ›robi‹, ›cholopi‹ oder ›tatari‹ bezeichnet) blieb bis in die Mitte des 19. Jh. erhalten und hob sich recht scharf von den übrigen sozialen Gruppen ab. Sie übten meist eine Funktion als Hausgesinde, Handwerker oder Gaukler aus.

Ein Großteil der in Dorfgemeinschaften lebenden Bauern jedoch genoss nach vorherrschender Ansicht vorerst die persönliche Freiheit sowie das Abzugsrecht. Die vom Landesherrn (Woiwode) an Klöster und Bojaren übertragenen, ursprünglich zeitlich befristeten, Kompetenzen betrafen v. a. die Einhebung von Abgaben, nicht aber eigentliche Herrschaftsrechte. Auf legalem Weg oder durch Usurpation gelang es jedoch verschiedenen Herren, ihre Rechte auszudehnen und vererbbar zu machen. Beschleunigt wurde diese Tendenz durch die Errichtung der Osmanischen Oberhoheit, welche die fiskalische Belastung durch Tributzahlungen an die Hohe Pforte ansteigen ließ. Der erhöhte Geldbedarf des Woiwoden wurde nun mittels gesteigerter Abgaben an die Landeskasse auf die freien Bauern, deren Bedeutung für den Kriegsdienst nun weitgehend verschwand, überwälzt. Davon profitierten auch die Bojaren, konnten sie doch als Steuerpächter zunehmend Zwangsmittel in ihren Händen vereinen. Die Unterwerfung der Bauern unter einen Herrn war aber auch für den Woiwoden von Interesse, konnte so doch der Herr für die Eintreibung der Steuern entlaufener Untertanen haftbar gemacht werden.

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Daher gerieten, vermutlich teilweise schon im 15., v. a. dann aber seit dem 16. Jh., viele freie Bauern durch Verschuldung (oftmals durch missbräuchlich veranschlagte Abgaben), Zwang oder Ausweitung einst vom Landesherrn gewährter beschränkter Rechte in die Abhängigkeit kirchlicher oder weltlicher Herren. In den Quellen tauchen in der Walachei seit dem Ende des 15. Jh., in der Moldau ab der Mitte des 16. Jh., als Begriffe für abhängige Bauern die Bezeichnungen ›vecin‹ bzw. ›sused‹ (wörtlich „Nachbar“), in der Walachei seit der zweiten Hälfte des 16. Jh. auch ›rumân‹ (wörtlich: „Rumäne“), auf. Sie stellten jedoch nie eine klare, rechtlich oder sozial einheitliche Schicht abhängiger Bauern dar.

Neben der rein persönlichen Abhängigkeit existierten auch Formen einer dinglichen Abhängigkeit, etwa infolge von Ansiedlung auf herrschaftlichem Land im Zuge des Landesausbaues und der Binnenkolonisation bzw. ausgedehnter Fluchtbewegungen auf der Suche nach vorteilhafteren Ansiedlungsbedingungen bei anderen Herren, aber auch aufgrund des Verkaufs der eigenen Hufe. In der Moldau wurde es gegen Ende des 17. Jh. üblich, dass Freie, die 12 Jahre auf dem Land eines Herrn gelebt hatten, in dessen Abhängigkeit gerieten.

Bei der Verfügung über die Bauern stand für die Bojaren weniger eine herrschaftliche Komponente im Vordergrund, sondern vielmehr war die Anzahl der abhängigen Bauern eine Grundlage des sozialen Ansehens und damit der Stellung innerhalb des Bojarentums. Die herrschaftliche Durchdringung des bäuerlichen Alltags blieb im Vergleich mit den Gebieten der „Zweiten Leibeigenschaft“ eher gering. Die Herren nahmen kaum Einfluss auf Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion, sondern begnügten sich mit der Einhebung von Abgaben. Die Zwangsmittel und obrigkeitlichen Kompetenzen, etwa die Rechtssprechung, des Herrn über seinen Untertan blieben allgemein im Vergleich zum Gebiet der „Zweiten Leibeigenschaft“ recht gering. Eigenwirtschaften der Grundherren zur Marktproduktion kamen denn auch über Ansätze nicht hinaus, zeigte es sich doch, dass die Herren wenig Mittel hatten, ihre Untertanen zu disziplinieren.

Das Fehlen einer intensiveren Ausnutzung der abhängigen Arbeitskraft zur Marktproduktion hängt mit den ungünstigen Export- bzw. Vermarktungsmöglichkeiten (Osmanische Handelsbeschränkungen), der stark extensiven Wirtschaftsweise (Vorherrschen der Viehzucht, Fehlen der Dreifelderwirtschaft), v. a. aber auch dem primären Interesse des Landesherrn (und letztlich der Hohen Pforte) an der Sicherung der Steuerbasis zusammen. Die sehr drückenden Lasten der abhängigen Bevölkerungsschichten bestanden daher in den Abgaben an die Landeskasse, wobei die Dorfgemeinschaft kollektiv für ihre Mitglieder haftbar war. Frondienste hingegen spielten eine untergeordnete Rolle und umfassten bis in die erste Hälfte des 18. Jh. in der Praxis kaum mehr als 10 Tage jährlich.

Die Verschärfung der Lage der abhängigen Bauern im Verlaufe des 17. und frühen 18. Jh. betraf v. a. die Tatsache, dass sie immer häufiger gleichsam als bewegliches Vermögen ihrer Herren verschenkt, getauscht, verpfändet und teilweise auch ohne ihr Land verkauft wurden. Ihr Zustand näherte sich so dem der Unfreien (robi) an, ohne jedoch mit ihm zu verschmelzen. Die Entwicklung im 17. Jh. war allerdings alles andere als gradlinig; Phasen der verstärkten Unterwerfung freier Bauern und solche von teils massenhaften Freikäufen abhängiger Bauern folgten einander in oft kurzen Zeitabständen, abhängig von den labilen Herrschaftsverhältnissen im Innern und den Forderungen der Hohen Pforte.

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Neben dem abhängigen Bauerntum existierte auch eine bedeutende Anzahl freier Dorfgemeinschaften (in der Walachei im 18. Jh. zwischen der Hälfte und einem Viertel), insbesondere im Hügelvorland der Karpaten, während in der walachischen Tiefebene abhängige Dörfer vorherrschten. In der Moldau stellten insbesondere die Gebiete Vrancea, Câmpulung und Tigheci Regionen mit einer weitgehend freien Viehzüchter- bzw. Wehrbauernbevölkerung dar.

Die im 17. und 18. Jh. permanente, phasenweise große Dimensionen annehmende Steuerflucht war ein Anlass für die um die Mitte des 18. Jh. unternommenen Reformen der Phanarioten. Eine der Hauptursachen der Fluchtbewegung bestand in den großen Unterschieden der verschiedenen Schichten des Bauerntums. Die Landesherren schalteten sich daher in das Verhältnis zwischen Grundherr und Bauer ein, indem die Lasten und deren Umwandlung in Geld geregelt wurden. Es wurden 12 Frondiensttage in der Walachei und 24 in der Moldau festgesetzt, wobei diese in den folgenden Jahrzehnten zumindest formal weiter anstiegen. Die persönliche Abhängigkeit wurde aufgehoben, das Land aber den Herren überschrieben. Als Resultat dieser Reformen war der Status der aus der persönlichen Abhängigkeit befreiten Bauern demjenigen der freien, landlosen Bauern angeglichen worden, woraus eine Schicht von Fronbauern (clăcaşi, von clacă: Fron) entstand. Die Folge war weniger eine Bauernbefreiung als vielmehr eine soziale Nivellierung und eine administrative Vereinfachung etwa der Steuererhebung. Vorrechte der Herren wie das Schankrecht oder das Monopol über die Mühle blieben jedoch bestehen, während die Belastungen durch Frondienste (die allerdings sehr oft in Geld umgewandelt wurden) durch die Bestimmungen der Reformen gestiegen waren. Insbesondere seit dem Ende des 18. Jh. wurde auch das bäuerliche Boden-Nutzungsrecht fortlaufend eingeschränkt. Insofern verschlechterte sich die Lage der bäuerlichen Bevölkerung im Zuge der Reformen sogar. Die Bojaren und Klöster schalteten sich jedoch auch weiterhin kaum direkt in die landwirtschaftliche Produktion ein sondern begnügten sich mit den Abgaben der bäuerlichen Kleinbetriebe. Deren Belastung stiegen mit dem Beginn der 1830er Jahre erneut an, da nun durch das Wegfallen osmanischer Handelsbeschränkungen Getreideexporte größeren Stils möglich wurden. Dies verschärfte die Belastung der clăcaşi in bedeutendem Ausmaß, welche nun einen eigentlichen Höhepunkt erreichte, insbesondere da auch Zwischenpächter ihre Ansprüche geltend machten. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh. wurde der Grund immer häufiger gegen eine feste Summe an Zwischenpächter aus allen sozialen Schichten (nicht zuletzt auch an wohlhabendere clăcaşi selber) verpachtet, welche nun als direkte Nutznießer an die Stelle der an der landwirtschaftlichen Produktion wenig interessierten Bojaren traten.

Erst mit der Agrarreform von 1864/65 wurden die Reste der bäuerlichen Unfreiheit durch die Aufhebung der auf dem Grund liegenden Lasten beseitigt. Die Ausstattung der Bauern mit Land war jedoch unzureichend. Derart blieben Merkmale der nun ökonomisch begründeten Abhängigkeit von den großen Grundeigentümern bzw. ihren Pächtern bis zur Agrarreform nach dem Ersten Weltkrieg bestehen.

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(Daniel Ursprung)

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