Kolonien (griechische)

Kolonien (griechische)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

Die antiken griechischen K. entstanden, indem üblicherweise eine Anzahl von 100-200 Bürgern (sog. Kolonisten, griech. apoikoi) einer sog. Mutterstadt (griech. Metropolis) zu einem im Voraus bekannten Ort entsandt wurden, um dort eine Siedlung (Kolonie, griech. apoikia) zu gründen. Es wurden wirtschaftlich oder fortifikatorisch begünstigt gelegene Orte ausgewählt. Man unterscheidet zwei Arten von K.n: Die Handelsplätze (sog. emporia) und die Agrarkolonien. Hauptsächliche Gründe für die Kolonisation waren wirtschaftliche Not (Verschuldung der Bauern), Bevölkerungsüberschuss, Handelsinteressen (Aufschwung des Seehandels) oder innenpolitische Auseinandersetzungen. Da die Kolonisten keine Herrschaftsinteressen im neuen Gebiet hatten, waren die Verhältnisse zwischen den Neusiedlern und der einheimischen Bevölkerung in der Regel freundschaftlich und friedlich.

Der Koloniegründer (griech. oikistes) wurde von der Mutterstadt als Zuständiger des Unternehmens durch einen Orakelspruch ausgewählt, auch die anderen Kolonisten wurden gezielt bestimmt. Die jeweilige Mutterstadt galt der K. als Modell in verfassungsrechtlicher, kultischer und gesellschaftlich organisatorischer Hinsicht. Die K. stand entweder im engen Kontakt zur Mutterstadt, konnte aber auch politisch und wirtschaftlich unabhängig sein.

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2 Phasen der antiken Kolonisation

Die griechische Kolonisation lässt sich in zwei Phasen einteilen: Die erste Kolonisation fand bereits im 11. Jh. statt, als die verschiedene Stämme Griechenlands die Inseln der Ägäis und die kleinasiatische Küste besiedelten: Die Ionier in Kleinasien zwischen Smyrna und Milet; die Aiolier oberhalb Smyrnas und die Dorer unterhalb Milets (dorische Wanderung). Ein Vordringen ins Innland Anatoliens, wurde von den dort ansässigen Assyrern verhindert.

Ab dem 5. Jh. v. Chr. verstärkte sich die Machtausübung der K.n auf die umgebende Region, weil militärische Sicherung angestrebt wurde; diese setzte sich im Hellenismus (336 v. Chr. – 30 v. Chr.) fort; v. a. seit der römischen Zeit (2. Jh. v. Chr. – 330) diente die Kolonisation ausschließlich zur Ausdehnung der Herrschaftssphäre.

Die römischen K., vor allem ab der Kaiserzeit, haben die systematische Romanisierung der Bevölkerung zum Ziel, im Gegensatz zu den griechischen K., wo nur eine begrenzte Hellenisierung, viel mehr ein gegenseitiger kultureller Austausch zu beobachten ist.

Die sog. zweite oder „Große Griechische Kolonisation“ fand zwischen 750 und 580 v. Chr. statt. Zu dem Zeitpunkt wurden neue K.n auf der Chalkidike, an der Schwarzmeerküste (u. a. Apollonia Pontica, Tomoi), an der nördlichen Ägais (z. B. Thasos), im sog. Großgriechenland (u. a. Taras), Sizilien (z. B. Syrakousai), Gallien, Iberien und Afrika gegründet.
Kolonien

Seit dem 8 Jh. v. Chr. beteiligten sich v. a. die ionischen Städte sehr aktiv an der Kolonisation: Naxos, Paros, Chios, Andros oder Samos. Milet, eine der wichtigsten Mutterstädte, gründete ab der zweiten Hälfte des 7 Jh. eine große Anzahl an K.n am Schwarzen Meer: u. a. Istros, Sinope. Sparta gründete eine einzige K., Tarent, in Unteritalien um 700 v. Chr.

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3 Nachleben

In der Gegend von Salento und Kalabrien wird heute noch eine Mischung von Italienisch-griechisch (sog. Katōitaliōtika) gesprochen; antike Rituale (z. B. der Dionysoskult) haben sich in den einheimischen Festen (z. B. Volksfest am 15. August) und Tänzen (z. B. ›Tarantella‹ oder ›Pitsika‹) z. T. erhalten. Die gezielt ausgewählte Lage der antiken K. führte in der Spätantike bzw. Mittelalter zur Wiederbesiedlung der Städte, die bis zu unserer Zeit ihren wichtigen Handelscharakter bzw. strategische Lage beibehalten haben: z. B. Batis (heute georg. Baťumi), Byzantion, Pantikapaion, Amisos (heute türk. Samsun), Dioskurias bzw. Sebastopolis (heute Soxumi), Odessos oder Trapezous.

Anders als in der Antike erfolgte die moderne Kolonisation in Form einer militärischen Besetzung einer Region (z. B. britische, amerikanische, belgische, französische, deutsche Kolonien usw.).

Boardman J. 1981: Kolonien und Handel der Griechen. München. Andresen C., Erbse H., Gigon D., Schefold K., Zinn E. (Hg.) 1965: Lexikon der Alten Welt. Zürich, 1562-1572. Walter U. 1993: An der Polis teilhaben. Stuttgart (= Historia. Zeitschrift für Alte Geschichte 82).

(Myrtia Hellner)

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