Žemaiten

Žemaiten (auch: Niederlitauer, Samogiten, Schemaiten; litau. žemaičiai)

Die Ž. sind ein Subethnos der Litauer, der ursprünglich im Westen des heutigen litauischen Staatsgebietes, auf den Höhenzügen zwischen den Flüssen Jūra und Dubysa ansässig war und sich bis in die Gegenwart durch einen ausgeprägten Dialekt der litauischen Sprache auszeichnet. Er entstand wahrscheinlich in der Kontaktzone zwischen den west- und ostbaltischen Gruppen der im 3. Jt. v. Chr. in den Ostseeraum eingewanderten Indoeuropäer.

Die Ž. formierten sich, nach aktuellem Forschungsstand, im 4. u. 5. Jh. n. Chr. im Zentralraum Niederlitauens (Žemaitija) als Stamm, der zunächst enge kulturelle Verwandtschaft mit den nordwestlich benachbarten Kuren und den Semgallern im Norden aufwies. Infolge Klimawechsels um 500 n. Chr. entstandene Feuchtwaldgebiete trennten die Ž. nachhaltig von ihren Nachbarn, auch den östlich siedelnden Aukštaiten, was eine relativ isolierte kulturelle und sprachliche Entwicklung nach sich zog. So änderten sich ihre Beisetzungsbräuche (mit Pferdeopfer) bis zur Christianisierung Anfang des 15. Jh. nur wenig. Seit dem Ende des 13. Jh. wanderten, bedingt durch den Druck des Deutschen Ordens von Westen und Norden, Angehörige der Nachbarstämme, v. a. Kuren und Semgaller in das Gebiet der Ž. ein, ließen die Population anwachsen und sich weiter nach Osten ausbreiten.

Der Name Ž. tauchte in schriftlichen Quellen erstmals 1219 (so im Vertrag von Galizien-Wolhynien) als ›Sameiten‹ oder ›Samaythen‹ auf. Dort wurden auch einige žemaitische Fürsten namentlich erwähnt. Als Teil der litauischen Konföderation seit dem 13. Jh. wie auch später im polnisch-litauischen Staatsverband vermochten die Ž. weitreichende administrative Selbständigkeit als ›Žemaičių seniūnija‹ („Statthalterschaft Ž.“) zu bewahren. Sie blieben damit im Großfürstentum Litauen mit seiner mehrheitlich nicht litauischen Bevölkerung die wesentlichsten Träger der litauischen Sprache. Noch im 17. Jh. wurden alle Litauisch sprechenden Adeligen als „Ž.“ bezeichnet – im Unterschied zu ihren polonisierten Standesgenossen, die als „Litauer“ galten. Die materielle und soziale Kultur der Ž. wurde v. a. durch den Umstand geprägt, dass sie im 16. Jh. nur z. T. in Straßendörfer um- und bereits im 19. Jh. wieder in Einzelhoflagen rückgesiedelt wurden. Die Beziehungen der Bauern untereinander waren deshalb weniger von kollektiven Interessen geprägt als in anderen Gegenden Litauens.

Kudirka J. 1991: The Lithuanians: An Ethnic Portrait. Vilnius. Butrimas A., Žulkus V., Nikžentaitis A., Vaivada V., Aleksandravičius E. 1997: Žemaitijos istorija. Vilnius.

(Manfred Klein)

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