Legnica (Stadt)
Legnica (poln., dt. [hist.] Liegnitz)
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1 Geographie
Die Stadt L. liegt an der Katzbach (poln. Kaczawa), etwa 60 km westlich von Breslau, auf 136 m. ü. M. Sie ist eine der drei kreisfreien Städte der polnischen Woiwodschaft Niederschlesien Niederschlesien und hat 105.186 Einwohner (2006). Neben der polnischen Mehrheit leben in L. nationale und ethnische Minderheiten, v. a. Lemken, Roma und Deutsche.
Die mittlere Temperatur im Januar beträgt –1,5 °C, im Juli 18 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich auf 600 mm. L. liegt an der Autobahn A4 (Dresden-Breslau-Gleiwitz-Krakau) und an der Eisenbahnlinie Berlin-Kiew. Seit 1999 hat die Stadt einen staatlich ausgewiesenen zivilen Flughafen. L. verfügt über zahlreiche Industrie, insbesondere Messing- und Silberförderung und Metallbearbeitung (KGHM AG). Überdies gibt es Lebensmittelindustrie, und die Dienstleistung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es gibt weiterhin 18 Banken und zahlreiche Versicherungsgesellschaften in L.
Neben einer Filiale der Technischen Universität Breslau befinden sich in L. weitere fünf Hochschulen, öffentlicher, kirchlicher und privater Trägerschaft. Seit 1992 ist L. eine römisch-katholische Bistumsstadt. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten zählen das Alte und Neue Rathaus, die Johanniskirche (Kościół św. Jana Chrzciciela), die Peter-und-Paul-Kirche (Katedra Św. Piotra i Pawła), Schloss und das Theatergebäude.
2 Kulturgeschichte
Erste menschliche Funde in der Gegend von L. werden auf 4000 v. Chr. datiert. Weitere Spuren entstammen der Lausitzer Kultur aus dem 8. Jh. v. Chr. Das 12. Jh. schließlich verzeichnet den stetigen wirtschaftlichen und politischen Bedeutungszuwachs einer seit dem 8. Jh. bestehenden mittelalterlichen Siedlung L.: 1149 wurde die erste Kapelle St. Benedikt (Św. Benedykt), 1175 die erste administrative Funktion der Burg L. erwähnt. Der Stadtname kommt zum ersten Mal 1149 in polnischer Schreibweise in einer Urkunde des Piastenherzogs Bolesław IV. Kędzierzawy („Kraushaar“) vor. 1264 erhielt L. das Magdeburger Stadtrecht.
Bekannt wurde L. durch die Schlacht von L., auch Schlacht auf der Wahlstatt genannt, in der polnische, böhmisch-mährische und schlesische Heere gemeinsam mit den Templern gegen die in Mittelosteuropa eingefallenen Mongolen unter dem Oberbefehl von Batu, dem Enkel Dschingis Khans, am 9.4.1241 kämpften.
Während der Hussitenkriege erlitt die Stadt keinen Schaden, gleichwohl das Herzogtum. Immerhin hatte es bereits seit 1329 zum böhmischen Lehen gehört. Um das Jahr 1317 ist jüdischer Handel in der Stadt nachweisbar; 1447 wurden die Juden jedoch von Herzogin Elisabeth (†1471) aus der Stadt vertrieben, weil sie diese bedrängt hatten, ihre Schulden endlich zu begleichen. Ab 1453 richtete sich eine neue Pogromwelle gegen die jüdische Bevölkerung L.s, die auf das Wirken des ultrakatholischen Geistlichen Jan Kapistran zurückging.
Unter Friedrich II. ging das Herzogtum L. 1522 zum Protestantismus über. In L. wurde 1526 die erste deutsche evangelische Universität gegründet, diese ging aber schon 1530 wegen Geldmangel und religiöser Streitereien zwischen den Gelehrten unter. Die Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Krieges bedeuteten für L. den Umbau in eine Festung, die allerdings den Schweden nicht standhalten konnte. 1675 starb der letzte piastische Erbe des Herzogtums L.-Brieg-Wohlau (L.-Brzeg-Wołów) Georg Wilhelm.
Daraufhin erhob das Haus Hohenzollern aufgrund des „Erbverbrüderungsvertrages“ von 1537 zwischen Friedrich II. von L. und Kurfürst Joachim II. von Brandenburg Ansprüche auf das Herzogtum. Die Habsburger erkannten aber den Vertrag nicht an und die Stadt verblieb im böhmischen Herrschaftsbereich. Der Dreißigjährige Krieg brachte L. die Belagerung von Schweden, Sachsen und schließlich den kaiserlichen Truppen, Plünderungen und Brände.
Die Schlacht bei Lindenbusch nahe L. 1634 markiert ereignisgeschichtlich den Sieg der Protestanten. Nichtsdestotrotz erreichte die Stadt die Gegenreformation, Jesuiten, Franziskaner und Benediktiner ließen sich wieder nieder und unterminierten die Bestimmungen des Westfälischen Friedens. Einen Ausgleich führte erst die Altranstädter Konvention 1707 herbei. Im November 1708 nahm die Ritterakademie ihren Schulbetrieb auf, die bis 1741 katholische und evangelische, seitdem nur evangelische adelige Söhne aus dem deutschsprachigen Raum und aus Polen nach dem Muster der Wiener Akademie ausbildete.
Mit der preußischen Herrschaft infolge der Schlesischen Kriege (1740–63) wurde L. ab 1742 zu einer Garnisonsstadt und im Siebenjährigen Krieg 1760 Schauplatz einer weiteren Schlacht. Während der Napoleonischen Befreiungskriege rückte L. erneut ins Zentrum des europäischen Geschehens, als es am 26.8.1813 zur siegreichen Schlacht Preußens mit Russland gegen die Franzosen an der Katzbach kam.
Anschließend erreichte die Industrialisierung die Stadt: Straßen wurden um 1822 gebaut, Eisenbahnverbindungen mit Breslau um 1844 sowie Gasbeleuchtung um 1857 errichtet. Der weitere Ausbau der Infrastruktur, kultureller Einrichtungen und der Industrie – insgesamt wurden 1887 in L. 864 Unternehmen registriert – fällt ebenfalls in diese Zeit. Erst um 1812 zogen wieder Juden in die Stadt ein und trugen zur wirtschaftlichen Blüte bei. Seit 1826 gab es einen jüdischen Friedhof, 1846 erfolgte die Grundsteinlegung für eine Synagoge. In die zweite Hälfte des 19. Jh. fiel die Freimauer-Bewegung, die in L. mit einer großen Loge vertreten war: ›Pythagoras zu den drei Höhen‹ sowie mit drei kleineren.
Am Vortag des Ersten Weltkrieges war die Kriegsbegeisterung in L. sehr groß; die Kriegsjahre führten die Stadt jedoch in eine wirtschaftliche Krise, weil es v. a. an Arbeitskräften fehlte. Ausgebaut wurde in dieser Zeit lediglich der Flugplatz. Nach der Machtergreifung Hitlers wurde die Stadt zur stärksten Garnison in Schlesien mit einer neuen Kaserne. In der sog. Reichskristallnacht am 9.11.1938 wurde die 1846/47 erbaute Synagoge in Brand gesteckt. 1939 lebten nur noch 66 erwachsene Juden in L., die in der Folgezeit nach Theresienstadt deportiert wurden.
Während des Zweiten Weltkrieges war das gesamte Schlesien Verschickungsgebiet für Familien aus dem bombardierten Westen. Zudem stieg die Anwohnerzahl durch die Verschleppung von Zwangsarbeitern für die militarisierte L.er Industrie. Am 9.2.1945 marschierte die Rote Armee in L. ein, etwa 60 % der Stadt wurden dabei zerstört.
Am 25.4.1945 wurde L. der polnischen Verwaltung überlassen. 1946 wurde L. Standort der Roten Armee (Gruppe Nord), ihre Soldaten prägten das Stadtbild L.s bis zum Abzug der Truppen 1993. Im April 1946 zählte die Stadt 89.500 Einwohner: 16.700 Polen, 12.800 Deutsche und 60.000 Russen. Die Anzahl der Russen in der Stadt lag lange Zeit deutlich über der offiziell angegebenen Bevölkerungszahl L.s. Bis 1948 wurde die deutsche Bevölkerung mehrheitlich vertrieben. Die Aktion wurde letztlich aber eingestellt, weil in L. Arbeitskräfte fehlten, obwohl sich stetig polnische Bevölkerung hauptsächlich aus den östlichen Gebieten, die an die UdSSR abgetreten werden mussten, in L. niederließ.
1952 begann der Bau einer Messinghütte, 1975 wurde L. zur Hauptstadt einer gleichnamiger Woiwodschaft (bis 1999). In L. besteht eine der knapp 20 jüdischen Gemeinden in Polens.
Kalski W. 1997: Liegnitz znaczy Legnica. Legnica. Kaske G., Hiller H. 1992: Liegnitz: Die schlesische Gartenstadt. Berlin (=Ostdeutsche Städtebilder 8). Paetzold F.-W. 1998: Liegnitz als Garnisonstadt. Hofheim. www.legnica.um.gov.pl [Stand 29.8.2006].