Jihlava

Jihlava (tschech., dt. hist. Iglau).

Die 50.676 Einwohner (2006) zählende Kreisstadt J. liegt nahe der Grenze zwischen Böhmen und Mähren am Fluss Jihlava auf einer Höhe von 516 m ü. d. M. und ist zugleich Bezirkshauptstadt(kraj Vysočina). Die wichtigsten Wirtschaftszweige J.s sind heute Maschinenbau, Elektronik-, Holz-, Bau- und Textilindustrie. J. war das Zentrum der 390 km² und mehr als 70 Orte umfassenden „Iglauer Sprachinsel“, die im 13./14. Jh. unter dem Patronat des Deutschen Ordens von sächsischen und bayerischen Kolonisten begründet worden war.

In einer Schenkungsurkunde des Deutschritterordens an die Prämonstratenser wurde J. 1233 erstmals schriftlich erwähnt. Nach der Entdeckung des Silbervorkommens begann Kg. Václav I. 1240 mit dessen Abbau. 1245 ließ er den neuen Marktplatz anlegen (mit 328 m Länge und 114 m Breite gehört er zu den größten Mitteleuropas.) Neben dem sächsischen Freiberg war J. im 13. und 14. Jh. die bedeutendste Silberfundstätte Europas und neben Prag die wichtigste böhmische Stadt. Das aus der Mitte des 13. Jh. stammende ›Iglauer Bergrecht‹ wurde in ungarischen, schlesischen und sächsischen Bergbauorten übernommen und fand im 16. Jh. über Spanien auch in Lateinamerika Anwendung. Während der Hussitenkriege blieb die Stadt auf Seiten der Katholiken und wurde wiederholt belagert. 1436 erreichte Kaiser Sigismund in den „Iglauer Kompaktaten‹ einen Ausgleich mit den Hussiten, die ihn in der Folge als König von Böhmen anerkannten. Als im 15. Jh. die Silberfunde versiegten, bildeten die Tuchmacherei und die Leinenweberei die Grundlage für den weiteren Reichtum der Stadt. Mehrere Brände (zuletzt 1548 und 1551) richteten jedoch große Zerstörungen an, als Folge entstanden um den Hauptplatz neue Renaissancebauten. 1561 wurde ein Gymnasium eröffnet, 1571 eine Meistersingerschule. Die Zeit der wirtschaftlichen Prosperität der Stadt wurde 1620 beendet, als J., das während des böhmischen Ständeaufstands auf Seiten der Stände gestanden hatte, von kaiserlichen Truppen zerstört wurde. 1779 wurden die letzten Bergwerke geschlossen, die Textilproduktion verhalf der Stadt im 18. Jh. erneut zur Blüte. Die einsetzende Industrialisierung und Missernten führten Mitte des 19. Jh. zu einer wirtschaftlichen Krise und hoher Arbeitslosigkeit. Die Errichtung einer staatlichen Tabakfabrik 1851, der Anschluss an die Eisenbahnlinie Prag–Wien 1871 und neue Tuchmachereien, Glasschleifereien sowie der Handel mit Textilwaren und Holz ließen J. zu einem bedeutenden Industriestandort werden. Das Stadttheater wurde umgebaut, ein Galerie und weitere kulturelle Einrichtungen entstanden.

Seit Beginn des 20. Jh. nahm der Anteil der tschechischen Bevölkerung infolge der Abwanderung deutschsprachiger Einwohner zu: während 1880 19.269 Deutsche und 3715 Tschechen in der Stadt lebten, waren es 1920 13.420 Deutsche und 14.759 Tschechen, 1930 waren es 17.868 Tschechen und 12.095 Deutsche. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die deutsche Bevölkerung zum größten Teil zwangsausgesiedelt.

(Katrin Bock)

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