Mukačeve

Mukačeve (ukrain.; dt. hist. Munkatsch, russ. hist. Mukačevo, ungar. hist. Munkács)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

M. liegt südöstlich der Stadt Užhorod am Fluss Latoricja. Die Hauptstadt des gleichnamigen Kreises zählt rund 80 Einwohner (2002). Zwei Drittel der heutigen Bevölkerung der Stadt sind Ukrainer, rund 20 % Russen, etwa 17 % Ungarn, sowie wenige Roma, Juden und Deutsche.

2 Kulturgeschichte

M. wurde wohl bereits als Festungsanlage im Verlauf des 11. Jh. gegründet und im 12. Jh. erstmalig in einer überlieferten Urkunde erwähnt. Im 14. und 15. Jh. entwickelte sich Stadt und Region vergleichsweise rasch während infolge der Durchsetzung des Systems der zweiten Leibeigenschaft auch im oberungarischen Raum hier eine Stagnation in den auch in den Adelstädten und Ackerbürgerzentren einsetzte.

Als wichtiger Verteidigungsort an einer der Passstraßen nach Polen und Halyč gelegen war die Festung M. bereits im Hochmittelalter von großer strategischer Bedeutung. Die Bevölkerung der Stadt setzte sich im Mittelalter und Früher Neuzeit überwiegend aus Ungarn zusammen, die Einwanderung von Juden aus Polen bzw. Russland setzte hier erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh. im großen Stil ein. Ruthenische und Deutsche Bewohner waren hier nur in kleiner Zahl anwesend. M. bildete bis 1919 einen Teil, allerdings nicht den Hauptort, des Komitats Bereg. Ein großer Teil dieses Komitats wie auch M. selbst waren Krongut und wurden im Spätmittelalter mehrfach für einige Jahre an einflussreiche Magnaten oder politische Exulanten verliehen. Der heute berühmteste dieser Exulanten war der litauische Teilfürst Theodor Korjat???? dem von König Sigismund die Domäne M. mitsamt der Festung und Stadt auf Lebenszeit verliehen wurde (ca. 1395–1414). Im Zuge der ideologischen und ahistorischen Debatten um die Genese einer vierten modernen ostslawischen Nation fiel Korjat im späten 20. Jh. (insbesondere durch Paul Robert Magocsis Wirken) die Rolle eines der wichtigsten Stammväter dieser winzigen heterogenen Nation zu.

Nach der Dreiteilung des historischen Ungarn in der Mitte des 16. Jh. wechselte das Komitat Bereg mitsamt M. mehrmals den Besitzer. Habsburgische und fürstlich-siebenbürgische Herrschaftsperioden wechselten einander ab. Die ungarische Bevölkerung von M. wechselte in der Mitte des 16. Jh. komplett in die Reformierte Kirche über. Erst im Zuge katholischer Konfessionalisierungsprozesse nach 1688 und der Peuplierung weiter Teile der Stadt konnte die römisch katholische Kirche in M. wieder Fuß fassen.

Im Zuge der antihabsburgischen ständischen und besonders von reformierten Angehörigen der alten Eliten getragenen Aufstandbewegungen unter Imré Thököly (1677–88/90) und später Ferenc II. Rákóczi (1703–11), die in Oberungarn ihr Zentrum hatten entwickelt sich M. zu einer der wichtigsten Aufenthaltsorte und Stützpunkte der Aufständischen. Stadt, Burg und Komitat waren im 17. Jh. in die Hände der Magnatenfamilie Rákóczi übergegangen und ausgebaut worden. M. leistete einer habsburgischen Armee unter General 2 Jahre lang erbitterten Widerstand (1686–88) unter der Führung der später ins legendenhafte erhobenen Ilona Zrinyi, der Ehefrau Thökölys. 1703 fiel M. als eine der ersten Städte in OOberungarn an Ferenc Rákóczi. Erst nach dem Frieden von Sathmar 1711 fiel es an die habsburgischen Sieger.

Nach der Enteignung und Exulierung der Rákóczi wurden M. und die königlichen Domänen des Bereger Komitats an die reichsgräfliche Familie Schönborn verliehen, die nach 1647 innerhalb des Reichskirchensystems zu einer der führenden katholischen Adelshäuser im Alten Reich aufgestiegen war. Der nunmehr begründete Zweig ungarischer Schönborn residierte im nahe von M. errichteten Beregszentmiklós (ungar., russ. Činadievo, slowak. Činadno, ukrain. Čynadijeve). Auch die Stadt M. wurde der Familie Schönborn verliehen die dort ein Stadtpalais errichteten. Bis 1918 waren sie die größten Grundbesitzer der Stadt und bis 1944 verblieben sie in ihren Stammresidenzen. Die Entwicklung der Stadt selbst verlief im 18. und 19. Jh. aus gesamtungarischer Perspektive nur sehr langsam. Der Gesamtraum des nordöstlichen Ungarn gehörte wegen seiner ungelösten massiven Probleme im ländlichen Raum, der unterentwickelten und kleinen urbanen Milieus und der absoluten Dominanz des Adels zu den unterentwickelsten Regionen des Landes. Ruthenen aus Galizien kommend lebten in kleinerer Zahl seit dem 18 Jh. auch in M. Das bereits im 15. Jh. gegründete orthodoxe Basilianerkloster nahe der Stadt entwickelte sich zum wichtigsten geistigen Zentrum der ungarländischen Ruthenen und wandelte sich nach dem stufenweisen Übertritt der gesamten ruthenischen Bevölkerung des Landes zur Kirchenunion (1646, 1771) im 19. Jh. auch zu einem Zentrum der kleinen emanzipatorischen Bewegung der Ruthenen des Landes.

Als wesentlich bedeutsamer erwies sich die Einwanderung von galizischen Juden nach M. die um 1930 rund 40 % der Bevölkerung stellten. Ein teil von ihnen säkularisierte sich im Verlauf des 19. Jh. und akkulturalisierte sich an die moderne ungarische Nation.

Einer der bekanntesten in M. geborenen Personen war der impressionistische Maler Mihály Munkácsy, der in seiner Heimatstadt den bis heute im Jugendstil vorhandenen Bahnhof entwarf. Aus geostrategischen Motiven heraus wurde die Stadt M. sowie nahezu das gesamte Komitat Bereg in den Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg 1919 an die Tschechoslowakei übertragen. Eine Verdrängung der dominierende Ungarn aus Verwaltung und öffentlichen Lebens setzte ein. Wirtschaftlich war ein weiterer Niedergang in der Zwischenkriegszeit eingetreten, da die Absatzmärkte von Stadt und Umland überwiegend in den südlichen bei Ungarn verbliebenen Landstrichen lagen und keine neuen sich als Alternative in ausreichender Größe entwickeln konnten. Infolge des ersten Wiener Schiedsspruchs im November 1938 fiel M. wieder an Ungarn.

Massive antisemitische Maßnahmen setzten ab 1941 und mündeten mit der nahezu kompletten Ermordung auch der Juden von M. im Frühsommer 1944 durch ungarische Amtsträger und einige deutsche Spezialisten die zeitweise unter der persönlichen Leitung von Adolf Eichmann standen. Wenige Monate später Ende Oktober 1944 eroberte die Rote Armee M. Damit war die ungarische Herrschaft über diese Region neuerlich beendet, die Tschechoslowakei trat im Juni 1945 die gesamte Karpatoukraine an die UDSSR ab. Im Zuge der Sowjetisierung wurden zehntausende Bewohner darunter auch viele aus M., in erster Linie Ungarn und Angehörige der ukrainischen Nationalbewegung deportiert.

Nach dem Untergang der UDSSR 1991 wurde M. Bestandteil der Ukraine. Seither ist auch diese Stadt aufgrund der ökonomischen, gesellschaftspolitischen und ideologischen Fehlentwicklungen im Gesamtraum nach 1918 weiterhin von Pauperisierung, Migration der jungen besser ausgebildeten Bevölkerungsteile und der Durchdringung von staatlichen Strukturen mit mafiotischen geprägt. Neben der nach 1944 angesiedelten russischen Bevölkerung nimmt auch die verbliebene ungarische weiter ab und der prozentuale Anteil der Ukrainer stetig zu. Dabei spielt auch die Akkulturation bzw. Assimilation von Russen und Ukrainern eine gewisse Rolle. Die Idee der 4 ostslawischen Nationen der Russinen hat lediglich unter einzelnen Intellektuellen in M. Fuss gefasst. Bemerkenswert ist das Vordringen totalitärer Sekten aus dem westlichen Europa und Nordamerika und freikirchlicher Organisationen. Die unierte Kirche hat auch in M. nur einen kleineren Anteil der ukrainischen Bevölkerung zurückgewinnen können. Auch das Basilianerkloster ist weiterhin (2007) im Besitz einer der drei orthodoxen Teilkirchen der Ukraine. Möglicherweise gewinnt die Grenzlage der Stadt und die besondere Geschichte der Kleinregion Karpatoukraine in Zukunft an Bedeutung in Rahmen von Autonomiedebatten wenn sich die Lage der Mehrheit der Bevölkerung in der Ukraine mittelfristig nicht bessert und andere Perspektiven realisierbar werden.

Die pittoreske Altstadt mit ihrer Bausubstanz aus dem 18. und 19. Jh. sowie die Burg und das Basilianerkloster bieten eine Möglichkeit den Tourismus ein wenig ausbauen zu können.

Aly G., Gerlach Ch. 2002: Das letzte Kapitel. Mord an den ungarischen Juden 1944/45. München Lehoczky T. 1996: Beregvármegye monographiaj. Budapest (Nachdruck). Lehoczky T. 1998: Munkács város új monográfiája. Ungvár (Nachdruck). Popovics B. 2005: Munkács kultúrtörténete. Munkács. Tegze J. 2006: A munkácsi római katolikus templom története. Munkács.

(Meinolf Arens/Angela Gröber)

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