Irredentismus

Irredentismus (ital. irredentismo); auf Matteo R. Imbriani zurückgehende Bez. für eine politisch-kulturelle Bewegung im Italien des 19./20. Jh. Die meist zur demokratischen und republikanischen Linken zählenden Irredentisten traten für die Heimführung aller noch unter der „Fremdherrschaft“ stehenden italienischsprachigen Gebiete in den Nationalstaat ein. Hauptgegner der Irredentisten war zunächst Österreich, das bis zum Ersten Weltkrieg die „unerlösten Gebiete“ (ital. terre irredente) des Trentino und Julisch Venetiens (Triest) besetzt hielt. Irredentistische Forderungen wurden auch gegenüber Frankreich (Nizza, Savoyen, Korsika) und gegenüber Großbritannien (Malta) erhoben. Als die österreichische Justiz 1882 den aus Triest stammenden irredentistischen Attentäter Guglielmo Oberdan zum Tode verurteilte, bekam die Bewegung starken Zulauf. Italienische Schulvereine und Kampfbünde (Lega Nazionale, Società Dante Alighieri, Trento e Trieste) traten gegen Ende des Jahrhunderts in Erscheinung. Obwohl der I. unter den italienischen Eliten viele Förderer hatte, wurde er nicht zur Leitschnur der Außenpolitik Roms. Am Vorabend des „Großen Krieges“ und v. a. in der Periode der italienischen Neutralität (bis Mai 1915) vermischten sich irredentistische und nationalistisch-imperialistische Aktionen. Das Mussolini-Regime schaltete die Vereine der Irredentisten gleich oder verstaatlichte sie; der I. verschwand als eigenständige politische Strömung. Der Terminus erfuhr nach 1918 eine Bedeutungsausweitung: Bis heute steht er für das Bestreben, die Siedlungsgebiete von Minderheiten auf dem Wege der Grenzrevisionen an einen konnationalen Staat („Mutterland“) anzuschließen.

Pisa B. 1995: Nazione e politica nella Società Dante Alighieri. Roma. Romano S. 1998: Der Irredentismus in der italienischen Außenpolitik. Ara A., Kolb, E. (Hg.): Grenzregionen im Zeitalter des Nationalismus. Elsaß-Lothringen/Trient-Triest, 1870-1914. Berlin, 13-24.

(Rolf Wörsdörfer)


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