Albanien

Albanien (alban. Shqipëria), Kurzform für Republik Albanien (Republika e Shqipërisë).

Inhaltsverzeichnis

1 Statistische Angaben


Lage:
Staat im Westen der Balkanhalbinsel, grenzt im Norden an Montenegro und an das Kosovo, im Osten an Makedonien (191 km), im Süden und Südosten an Griechenland (271 km), im Westen an die Adria und das Ionische Meer; die Meerenge von Otranto ist mit 72 km die kürzeste Distanz zu Italien. Die Fläche des Staatsterritoriums beträgt 28.748 km².
Einwohner:
Bevölkerungszahl (nach der Volkszählung von 2001): 3.087.159 Einwohner, davon 1.547.179 Frauen (50,1 %); Alterstruktur 0–15 Jahre: 29,2 %, 16–59 Jahre: 57,7 %, 60 Jahre und älter: 13,1 %; Bevölkerungsdichte: 107,4 Einwohner/km²; Bevölkerungsentwicklung 1950–2004: 1,79 % jährlich, 1989–2004: –0,12 % jährlich; Nationalitäten: Bei Anwendung eines ethnischen und sprachlichen Minderheitenbegriffes ergibt sich ein politisch sehr umstrittener Minderheitenanteil von ca. 10 %: Aromunen (139.000), Roma (auch Ashkali und „Ägypter“ [109.000]), Griechen (66.000), Serben (ca. 10.000), Makedonier (8000), Montenegriner (1200) u. a.; Religionszugehörigkeit: Eine Schätzung für 1998 geht von 60,3 % Sunniten, 8,2 % Bektashi, 21,8 % Orthodoxen und 9,7 % Katholiken aus, berücksichtigt aber die Konfessionslosen nicht.
Hauptstadt und größere Städte (nach der Volkszählung 2001):
Tirana (343.078 Einwohner, die tatsächliche Zahl dürfte weit über den offiziellen Daten liegen), Durrës (99.546), Elbasan (87.797), Shkodra (83.598), Vlora (77.691), Fier (56.297), Korça (55.130), Berat (44.191), Lushnja (33.872).
Währung: 1 Lek = 100 Qindarka - nur noch nominelle Einteilung; 1 Lek = 0,008 Euro; 1 Euro = 123 Lek (Herbst 2005).
Wappen:
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Schwarzer Doppeladler auf rotem Feld, darüber der Helm des Nationalhelden Skanderbeg (1405?–68) in Gold.
Flagge:
left
Schwarzer Doppeladler auf rotem Feld.
Hymne: Rreth flamurit të përbashkuar („Vereint um die Fahne“), Text von Aleksandër Stavre Drenova (Pseudonym Asdreni, 1872–1947), Vertonung durch Ciprian Porumbescu (1853–83).
Feiertage:
Staatliche Feiertage: Neujahr, 1. Mai und „Tag der Fahne“ (Dita e Flamurit, Unabhängigkeitstag) am 28.11. sowie (hinsichtlich der Datierung politisch strittig) der „Tag der Befreiung“ (Dita e Çlirimit) von der deutschen Besatzung am 29.11.; falls ein staatlicher Feiertag auf einen Sonntag fällt, ist der Montag arbeitsfrei; religiöse Feiertage: orthodoxes Weihnachtsfest (6.1.), Nevruz (22.3.), Kleiner und Großer Bajram („Ende des Ramadan“, „Opferfest“, beweglich), Ostern (beweglich, nur Ostersonntag), katholisches Weihnachtsfest (25.12.).
Zeit: Mitteleuropäische Zeit
Staatssprache: Albanisch
Staatsform: parlamentarische Republik
Staatsoberhaupt: Präsident (seit 2007 Bamir Topi)
Regierungschef: Ministerpräsident (seit 2005 Sali Berisha)
Politische Parteien:
Lëvizja Socialiste për Integrim (LSI, „Sozialistische Bewegung für Integration“), Partia Agrare Ambientaliste (PAA, „Agrar- und Umweltpartei“), Partia Aleanca Demokratike (PAD, „Partei Demokratische Allianz“), Partia Balli Kombëtar (PBK, „Partei Nationale Front“), Partia Bashkimi Liberal Demokrat (PBLD, „Partei Liberaldemokratische Union“), Partia Bashkimi për të Drejtat e Njeriut (PBDNJ, „Partei Union für die Menschenrechte“), Partia Demokracia Sociale (PDS, „Partei Soziale Demokratie“), Partia Demokrate e Re (PDR, „Neue Demokratenpartei“), Partia Demokratike (PD, „Demokratische Partei“), Partia Lëvizja e Legalitetit (PLL, „Partei Legalitätsbewegung“), Partia Republikane Shqiptare (PRSH, „Albanische Republikanische Partei“), Partia Socialdemokrate (PSD, „Sozialdemokratische Partei“), Partia Socialiste e Shqipërisë (PSSH, „Sozialistische Partei Albaniens“).
Bruttoinlandsprodukt (2004): 6,922 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 2213 US-Dollar
Bruttosozialprodukt (2004): 7,265 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 2323 US-Dollar
Auslandsverschuldung (September 2005): 1,563 Mrd. US-Dollar
Haushaltsdefizit (2005): 358,1 Mio. US-Dollar (4,9 % des BIP)
Außenhandel (2005):
Importe 2542,6 Mio. US-Dollar: 23,6 % Maschinen und Transportmittel, 17,6 % Nahrungs- und Genussmittel, 14,9 % Baumaterial und Metalle; Hauptlieferstaaten: 29,3 % Italien, 16,4 % Griechenland, 7,5 % Türkei, 5,4 % Deutschland, 4,0 % Russland; Exporte 638,9 Mio. US-Dollar: 57,9 % Textilien , 15,8 % Baumaterial und Metalle, 8,2 % Nahrungs- und Genussmittel; Hauptabnehmerstaaten: 72,4 % Italien, 10,5 % Griechenland, 5,0 % Serbien und Montenegro, 3,3 % Deutschland, 1,7 % Türkei.
Mitgliedschaften:
Black Sea Economic Cooperation Business Council (BSEC BC), Central European Initiative (CEI), Europarat, Euro Atlantic Partnership Council (EAPC), European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), International Monetary Fund (IMF), Inter-Parliamentary Union (IPU), Interpol, Partnership for Peace, OSZE, UNO, Weltbank, World Trade Organization (WTO). Die Mitgliedschaft (seit November 1992) in der „Islamischen Konferenz“ (Organization of the Islamic Conference, OIC) wird nicht aktiv wahrgenommen.


Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels.

2 Geographie

2.1 Naturraum

A. liegt im Südwesten der Balkanhalbinsel. Das Staatsterritorium umfasst 28.748 km²; die Gesamtgrenze 1094 km, davon 657 km Landgrenze. Die einzige bedeutende Insel ist Sazan vor der Bucht von Vlora mit 5,7 km². Das Relief A.s wird von Gebirgen dominiert – Ebenen machen nur 23,4 % der Fläche des Landes aus. Die höchsten Berge sind Korab (2753 m) und ›Portat e Korabit‹ (makedon. Mala Korapska Vrata 2725) an der Grenze zu Makedonien, Morava (2716) in der Gebirgskette ›Vargu lindor‹ sowie Jezerca (2694 m) in den Albanischen Alpen; die längsten Flüsse sind der Drin (innerhalb A.s 285 km) und der Seman (281 km). Die wichtigsten natürlichen Seen sind der Skutarisee (368 km², davon 147 km² auf albanischem Territorium), der Ohridsee (362,6 km², davon gehören 118,9 km² zu A.) und der Prespasee (285 km², davon liegen 49,4 km² in A.). Zur Energiegewinnung wurde der Drin an mehreren Stellen aufgestaut; der größte Stausee ist der Fierza-See mit 72,6 km². Es werden vier physisch-geographische Großregionen unterschieden: die Albanischen Alpen (Alpet Shqiptare), das „Zentrale Bergland“ (Krahina Malore Qendrore), das „Südliche Bergland“ (Krahina Malore Jugore) und das Küstenflachland (Ultësira Bregdetare).

In den Niederungen herrscht mediterranes Klima mit trockenen und heißen Sommern sowie feuchten und milden Wintern. Die Gebirgsregionen gehen von submediterranem zu kontinentalem Klima über; die Sommer sind niederschlagsreicher, die Winter kalt mit z. T. heftigem Schneefall. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge liegt bei 1480 mm pro Jahr. Dabei haben deutlich zurückgehende Niederschlagsmengen seit den 1980er Jahren zu erheblichen Energieengpässen geführt. Die Durchschnittstemperatur liegt im Küstenland bei 19 ºC. Die gemessenen Extremtemperaturen betrugen –25,6 ºC (Voskopoja, Januar 1954) und 43,9 ºC (Kuçova, Juli 1973). In Europa hat A. nach Spanien die meisten Sonnentage (mehr als 200).

Die ca. 3250 registrierten Pflanzenspezies gehören zur mediterranen und mitteleuropäischen Flora; 30 Arten sind endemisch, 306 Arten stehen unter Schutz. Das westliche Hügelland ist von eumediterraner Macchie geprägt. In der Höhenlage zwischen 800 und 1200 m dominiert Eichenwald mit 26 % an der Bewaldung. Es schließt sich Buchen- und Nadelwald mit einem Anteil von 24 % in der Höhe zwischen 1000 bis 1800 m an. Ab 1600 m herrschen mediterran-subalpine Gebirgsnadelwälder mit einem Anteil von 20 % an der Bewaldung vor. Es wurden 84 Säuger-, 325 Vogel-, 37 Reptilien-, 15 Amphibien-, 313 Fisch- und ca. 3850 in A. lebende Insektenspezies festgestellt. 19 Tierarten werden bejagt, 443 Spezies stehen unter (selten wirksamem) Naturschutz. 27 gelten als gefährdet. Umweltverschmutzung und Zersiedlung bedrohen viele Arten, nachdem bereits die Meliorisierungen der Sumpfgebiete (Maliq, Myzeqe) in den 1940er und 50er Jahren Habitate von Pelikanen und anderen Wasservögeln und Tieren zerstört haben. 2000 waren vier Gebiete mit zusammen 57.640 ha als Naturreservate und weitere 13 mit 34.550 ha als Nationalparks ausgewiesen, sie sind schlecht unterhalten und offen für Korruption und Missbrauch.

In A. befinden sich Bodenschätze wie Erdöl, Eisen- und Chromerze, Kupfer, Bauxite, Schwefel und Kaolin sowie Erdgas, die im geringen Umfang abgebaut werden. Das kommunistische System räumte der Ökonomie Priorität vor Umweltbelangen ein; Industrie und Erdölförderung belasteten Boden, Luft und Wasser ungehindert. Bei starken Niederschlägen führen die Flüsse erhebliche Bodenmengen ins Meer ab. Abholzungen wurden nur zu etwa einem Drittel durch Aufforstungen ausgeglichen, allerdings wirkte man der Erosion durch Terrassierungen entgegen. Anders als z. B. Bulgarien, das auch in die Atomenergie investierte, setzte A. auf Wasserenergie. Nach 1990 stiegen mit dem Breitenkonsum die Abfallmasse und der Energieverbrauch extrem an. In größtem Maße wurde illegal Holz geschlagen, auch in Parks und an Straßenalleen. Die Legalisierung von privaten PKWs führte zum Massenimport alter Fahrzeuge mit hohem Energieverbrauch und Schadstoffausstoß; die Entsorgung von Autowracks erfolgt meist in der Landschaft oder in Gewässern. Durch die Unerfahrenheit der neuen Führung, aber auch durch Korruption wurde, getarnt als Wirtschaftshilfe, Sondermüll nach A. eingeführt. Am stärksten sind Tirana mit einem jährlichen Schadstoffanteil in der Luft von 48 kg je Einwohner sowie das Industriezentrum Elbasan betroffen. Im öffentlichen Bewusstsein und im politischen Diskurs waren Umweltfragen meist nachrangig, doch gab es 2004 heftige öffentliche Auseinandersetzungen um staatliche Müllentsorgungskonzessionen.

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2.2 Bevölkerung

1945 hatte A. nur 1,112 Mio. Einwohner und war mit 39 Einwohnern pro km² das mit großem Abstand am dünnsten besiedelte Land des Balkans. 1989 war es mit einer auf 3,182 Mio. Einwohner fast verdreifachten Bevölkerung und 110,7 Einwohner je km² das am dichtesten besiedelte Balkanland geworden als Konsequenz einer umfassenden Verbesserung der Gesundheitsversorgung und einer sehr geburtenfördernden Politik.

Bis 1955 stieg die Geburtenrate auf 44,1 pro 1000 Einwohner an und sinkt seither (2004: 13,8). Die Sterblichkeitsrate sank dank verbesserter medizinischer Versorgung und des höheren Lebensstandards und beträgt 5,8 pro 1000 Einwohner (2004). Die Säuglingssterblichkeit betrug 1955 noch 103,8 auf 1000 Lebendgeburten und sank bis 1990 auf 28,3; bis 2004 auf 7,8. Das Bevölkerungswachstum stieg bis Mitte der 60er Jahre auf 3 % pro Jahr steil an und geht seither zurück. Zumindest die städtische Bevölkerung sieht heute in einer unbegrenzten Kinderzahl nicht mehr das Ideal; Geburtenkontrolle wird angewendet. Die Zahl der (registrierten) Abtreibungen ist sehr hoch: 1996 kamen auf 1000 Geburten 476 Abtreibungen, 2004 noch 244. Wegen der im europäischen Kontext noch immer sehr hohen Geburtenrate ist die Bevölkerung sehr jung. Das Durchschnittsalter stieg von 27,4 (1990) auf 31,7 Jahre (2004). Erst nach 1991 gab es wie in jedem europäischen Land einen Frauenüberschuss; 2001 waren 50,1 % der Einwohner weiblich. 44,6 % der Albaner leben in (z. T. sehr kleinen) Städten (2004), davon ca. 919.000 in Siedlungen zwischen 5000 und 10.000 Einwohnern.

Emigration und insbesondere Arbeitsmigration hat in A. eine lange Tradition. Seit dem 15. Jh. sind Hunderttausende Einwohner aus wirtschaftlichen, politischen und religiösen Gründen nach Italien, Griechenland, später in die USA und anderswohin ausgewandert; nach 1945 fand Emigration nur mehr als individuelle Flucht statt. Seit 1990 verließen ca. 750.000 Menschen das Land, von denen viele freiwillig oder unfreiwillig zurückkehrten. Während der Süden hohe Emigrationsverluste nach Griechenland und Italien zu verzeichnen hat, findet aus dem nördlichen Bergland eine massive Binnenmigration nach Mittelalbanien, besonders in den Ballungsraum Tirana statt.

Wegen der für die Albaner ungünstigen Grenzziehung von 1913 sind große Teile des kompakten albanischen Siedlungsgebietes außerhalb des Staates geblieben, aber wenige Minderheitenzentren in dessen Grenzen gekommen. Die letzte Volkszählung unter kommunistischer Ägide (1989) gab den Minderheitenanteil mit nur 2 % (65.000) an, 59.000 davon waren Griechen, 5000 Makedonier, der Rest Montenegriner und „Sonstige“. Dabei waren jedoch die „Streuminderheiten“ der Roma u. a. „Zigeuner“ sowie der Aromunen nicht berücksichtigt. Nach neuen, politisch allerdings sehr umstrittenen Untersuchungen wird der Minderheitenanteil 2003 auf rd. 10 % geschätzt. Darunter sind die Griechen mit 66.000, die Makedonier mit 8000 sowie die Montenegriner mit 1200 Menschen vertreten; das Hauptgewicht liegt aber bei den „Streuminderheiten“: die Aromunen, die z. T. griechisch, z. T. rumänisch orientiert sind, werden jetzt auf 139.000, die Roma (einschließlich der Ashkali und „Ägypter“) auf 109.000 Menschen geschätzt. Die ethnischen Gruppen, die kein Mutterland besitzen (also die Roma und Aromunen), werden als „ethnisch-kulturelle Gruppen“, aber nicht als Minderheiten angesehen, womit sie nicht den verfassungsmäßigen Minderheitenschutz genießen. Antiziganistische Ressentiments sind verbreitet.

Einzige Amtssprache ist Albanisch. Muttersprachlicher Unterricht an staatlichen Schulen wird bisher nur für die Griechen und Makedonier angeboten; in einzelnen Schulen wird Ergänzungsunterricht in aromunischer Sprache erteilt. Die Griechen sind seit 1991 mit ihrem Verband OMONIA bzw. der Partei PBDNJ im Parlament und seit 1997 mit kurzen Unterbrechungen auch in der Regierung vertreten; diese Partei wird auch von Angehörigen anderer Minderheiten unterstützt.

Die ursprünglich katholischen und orthodoxen Albaner traten unter osmanischer Herrschaft mehrheitlich zum Islam über (im Ausmaß nur mit Bosnien vergleichbar), nur selten auf Grund von direktem Zwang, sondern wegen der Besteuerung und der rechtlichen Ungleichstellung der nichtmuslimischen Untertanen. Ein kleiner Teil der südalbanischen Christen floh nach Süditalien, wo sich bis heute, zerstreut in rd. 50 Gemeinden, eine albanische Minderheit hält (Provinzen Basilicata, Cosenza, Foggia, Molise und Sizilien). Im nördlichen Bergland, wo die osmanischen Herrschaftsstrukturen schwach blieben, wechselten Familien und Stämme häufig in beiden Richtungen zwischen Christentum und Islam; eine andere Strategie wählten die äußerlich islamisierten Kryptochristen (laramanë). 1942 waren 20,6 % der Bevölkerung Orthodoxe, 10,3 % Katholiken und 69,1 % Muslime (Sunniten und Anhänger alevitischer Orden (tarikat), besonders des Ordens der Bektaschi). Die albanischen Kommunisten gingen in der Bekämpfung der Religion besonders weit. Nach heftiger Verfolgung und strikter Kontrolle der religiösen Strukturen wurden 1967 alle religiösen Einrichtungen geschlossen und alle religiösen Amtsträger ihrer Ämter enthoben. Nach dem Fall des 1976 in der Verfassung festgeschriebenen Religionsverbots 1990 mussten die neu gebildeten Religionsgemeinschaften auf ausländische Unterstützung zurückgreifen. Umstritten war besonders die Berufung griechischer Staatsbürger zu Klerikern – einschließlich des Erzbischofs – der „Albanischen Orthodoxen Autokephalen Kirche“ (Kisha Ortodokse Autoqefale e Shqipërisë). Arabische Staaten, besonders Saudi-Arabien, haben sich beim Bau zahlreicher Moscheen engagiert. Hinwendungen von Albanern zum Fundamentalismus sind noch selten, doch sind verschiedentlich ausländische Fundamentalisten (auch aus dem Netzwerk al-Qā’ida) festgenommen und ausgeliefert worden. Neben den vier traditionellen Gemeinschaften engagierten sich in den 1990er Jahren sehr viele religiöse und weltanschauliche Gruppierungen missionarisch in A.

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2.3 Staat und Gesellschaft

Entsprechend dem häufigen Wechsel der Staatsform und des Regimes hat A. seit seiner Staatsgründung bereits die zwölfte Verfassungsurkunde. 1913 erließen die sechs Großmächte ein kurzes Organisationsstatut; unter der kurzlebigen Regierung des Fürsten Wilhelm zu Wied (1876–1945) galt 1914 pro forma ein detailliertes Organisches Statut; nach der Wiederherstellung der Staatlichkeit wurde 1920 ein Rahmenstatut, 1922 dessen Ausformulierung beschlossen. Nach Ahmet Zogus (1895–1961) Machtübernahme galt seit 1925 eine republikanische, seit 1928 eine monarchische Verfassung. 1939 führten die italienischen Besatzer ein Grundstatut des mit Italien in Personalunion verbundenen Königreichs ein. Die erste kommunistische Verfassung von 1946 wurde 1950 dem Verfassungssystem des Ostblocks angeglichen; ihr folgte 1976 die Kodifizierung des eigenen sozialistischen Wegs.

Nach dem Systemwechsel verabschiedete das Parlament 1991 zunächst eine provisorische Organisationsverfassung, die in den folgenden Jahren mehrfach ergänzt wurde. Es gab darin zwei Machtzentren: das Parlament und den Präsidenten, dessen Vollmachten auf den von 1992–97 amtierenden Sali Berisha (PD) zugeschnitten waren. Sein Versuch, einen eigenen Verfassungsentwurf am Parlament vorbei in einem Referendum beschließen zu lassen, scheiterte 1994. Ein vom Parlament beschlossener Entwurf wurde am 22.11.1998 in einem Referendum mit breiter Mehrheit, aber geringer Beteiligung angenommen und trat am 28.11.1998 in Kraft. Die meisten rechtsorientierten Oppositionsparteien, insbesondere die PD und die PRSH lehnten die Verfassung ab. Eine Verfassungsnovelle wird mit Zweidrittelmehrheit des Parlaments oder durch ein Referendum beschlossen.

A. ist eine parlamentarische Republik. Die Verfassung enthält einen umfangreichen Grund- und Bürgerrechtskatalog sowie nicht einklagbare Staatsziele; die Todesstrafe wurde durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 10.12.1999 durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts abgeschafft. Auch die Marktwirtschaft und das Recht auf Privateigentum genießen Verfassungsrang. Es besteht allgemeine Wehrpflicht sowie die Möglichkeit eines Ersatzdienstes. Religion und Staat sind getrennt. 100 Abgeordnete des auf vier Jahre gewählten Einkammer-Parlaments (Kuvend, „Versammlung“) werden mit (seit 2003 einfacher) Mehrheit in Direktwahlkreisen gewählt, weitere 40 nach dem Verhältniswahlrecht aus Landeslisten mit einer 2,5 %-Hürde. Nahezu vor jeder Wahl seit 1991 wurde das Wahlrecht geändert, meist löste dies politischen Streit aus. Der Frauenanteil an den Abgeordneten ist marginal (2001: 5,7 %; 2005: 7,1 %).

Neben dem Einspruchsrecht gegen Gesetze, dem Oberkommando der Streitkräfte und dem Vorsitz im Obersten Justizrat hat der Präsident im Wesentlichen repräsentative und formale Kompetenzen. Er wird vom Parlament auf fünf Jahre mit Dreifünftelmehrheit gewählt. Scheitern fünf Wahlgänge, wird das Parlament aufgelöst; kann auch das neue Parlament keinen Präsidenten wählen, finden nochmalige Neuwahlen statt; das dann gewählte Parlament bestimmt den Präsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder. Der Ministerpräsident besitzt eine Richtlinienkompetenz; er wird vom Präsidenten ernannt und bedarf der Bestätigung durch das Parlament. Wenn dieses ihm das Misstrauen ausspricht, muss es entweder einen Nachfolger wählen oder der Präsident löst es auf. Eine Verfassungsnovelle wird mit Zweidrittelmehrheit des Parlaments oder durch ein Referendum beschlossen.

In A. fehlen Traditionen eines Rechtsstaates fast völlig. Historisch bedingt ist das Konzept des Staates als organisierter Gesellschaft fremd geblieben; das Organisationsprinzip der albanischen Gesellschaft blieb die Verwandtschaftsgruppe, der die Loyalität des Einzelnen gehörte. Dies machte den Übergang zu einem Rechtsstaat nach 1990 schwieriger als in den meisten osteuropäischen Ländern und hat im Norden gewohnheitsrechtliche Strukturen einschließlich der Blutrache, aber ohne die früher wirksamen Schutzmechanismen, reaktiviert. Das in der Verfassung verankerte ordentliche Gerichtswesen umfasst drei Instanzen. Das Oberste Gericht entscheidet erstinstanzlich bei Amtsanklagen und kann Fälle aus unteren Instanzen an sich ziehen. Die Normenkontrolle obliegt dem neunköpfigen Verfassungsgericht.

Ein pluralistisches Parteiensystem hat in A. kaum Traditionen; selbst in der kurzen pluralistischen Phase 1920–24 gab es außer lokalen Wahlbündnissen nur instabile Parlamentsfraktionen. 1939 gründeten die Italiener als Teil ihres Besatzungssystems eine „Albanische Faschistische Partei“ (Partia Fashiste e Shqipërisë). Anders als in den meisten Volksdemokratien gab es nach 1944 keine Blockparteien neben der 1941 gegründeten Kommunistischen Partei, die sich 1948 in „Partei der Arbeit A.s“ (Partia e Punës e Shqipërisë, PPSH) umbenannte. Bis 2005 wurden ca. 80 Parteigründungen registriert. Das bipolare Parteiensystem wird von der PSSH als Nachfolgerin der PPSH (Umbenennung 1991) und der PD dominiert. Ca. 10 Parteien spielen als potentielle Koalitionspartner einer der großen Parteien mit einem Wählerpotential zwischen 2–5 % eine dauerhafte Rolle. Wie in den meisten Ländern Osteuropas ist die Parteienlandschaft von zahlreichen Abspaltungen geprägt. Im sozialdemokratischen Spektrum operieren die PSSH, die LSI, entstanden aus einer Abspaltung der PSSH, die PSDSH und die PDSSH (2003 von der PSDSH abgespalten). Mehrere „liberale“ Parteien entstanden als Abspaltungen der PSDSH (z. B. die PBLD, 1994) oder der PD, etwa die PAD 1992 und die PDR 2001). Anders als in fast ganz Südosteuropa (außer Griechenland) sind ethnische Parteien nicht zugelassen. Die Griechen und andere Minderheiten unterstützen die PBDNJ. Grüne und Umweltparteien blieben wie in den meisten osteuropäischen Ländern bedeutungslose Splittergruppen. Die 1991 gegründete PAA war bis 2005 sehr eng mit der PSSH verbündet, trat im September 2005 aber in die von der PD geführte, rechtsgerichtete Regierungskoalition ein. Die PD wurde am 12.12.1990 auf einer Versammlung im Studentenviertel gegründet. Unter Sali Berisha orientierte sie sich sehr bald auf die „rechte Mitte“. Die 1991 gegründete PRSH verbindet die Betonung nationaler mit der Vertretung besitzbürgerlicher Interessen. Die Parteien PBK und die PLL sahen sich nach dem Ende des Kommunismus als Erben nationalistischer republikanischer bzw. royalistischer Widerstandsbewegungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Sohn des früheren Königs Zogu und Thronbewerber Leka Zogu (*1939) bildete für die Wahl 2005 eine gemeinsame Liste kleiner Rechtsparteien mit dem Namen ›Lëvizja për Zhvillim Kombëtar‹ („Bewegung für die Nationale Entwicklung“, LZHK), die erfolglos blieb. Das auf mehrere Parteien verteilte kommunistische Lager kann bei Wahlen nur 1–2 % mobilisieren.

Neben zwei großen Gewerkschaftsbünden existieren zahlreiche unabhängige Branchengewerkschaften. Grundsätzliche Forderungen aller Gewerkschaften sind die Erhöhung der Löhne und Renten über die steigenden Lebenshaltungskosten hinaus, der Abbau der Arbeitslosigkeit sowie die Entschädigung für die durch die „Pyramidengesellschaften“ 1997 verlorenen Geldeinlagen. Das Streikrecht ist in der Verfassung verankert. Im Frühjahr 2003 wurde mit ausländischer Förderung eine Kampagne junger Albaner gegen Gewalt und Armut und für Bürgerengagement mit dem Namen „Genug!“ (Mjaft!) ins Leben gerufen, die sich mittlerweile als Bürgerbewegung etabliert hat und sich als Vertreterin der Zivilgesellschaft sieht.

An der Spitze der Verwaltung steht die Regierung (Ministerrat), der 2005 16 Mitglieder umfasste. Den Ministern stehen Stellvertretende Minister im Sinne von Staatssekretären als Chefs der Verwaltung zur Seite.

Die Oberste Staatskontrolle (Kontrolli i Lartë i Shtetit) kontrolliert als Rechnungshof die Regierung, die Verwaltung und die staatlichen Wirtschaftsbetriebe. Auch aus der Regierung wurden Frauen nach 1990 verdrängt; erst seit 1996 besetzen sie wieder Regierungsämter. Höhere Verwaltungspositionen werden nach Machtwechseln grundsätzlich neu verteilt; das gilt auch für den Kultur- und Medienbereich.

Kommunale Selbstverwaltungseinheiten sind die ländlichen und die städtischen Gemeinden, auf regionaler Ebene die 12 Kreise oder Präfekturen (Berat, Dibra, Durrës, Elbasan, Fier, Gjirokastra, Korça, Kukës, Lezha, Shkodra, Tirana, Vlora). Sie besitzen Rechts- und Haushaltsfähigkeit, können Abgaben und Steuern erheben und erhalten Zuweisungen aus dem Staatshaushalt. Kommunalparlamente und Bürgermeister werden auf drei Jahre gewählt. Die Regierung setzt für jeden Kreis einen Präfekten ein.

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2.4 Wirtschaft

Die Wirtschaft A.s ist traditionell, auch gegenüber den anderen Balkanstaaten, rückständig. Aus dem Osmanischen Reich wurden in Mittel- und Südalbanien Strukturen des Großgrundbesitzes übernommen, während sich im Norden die Weidewirtschaft hielt. Der Versuch des Königs Zogu, Anfang der 1930er Jahre eine Agrarreform durchzuführen, scheiterte am Widerstand der Grundbesitzer, seiner wichtigsten Machtbasis. Seine Strategie der einseitigen Bindung an Italien brachte dem Land Kredite und die Anfänge einer Industrialisierung durch italienische Unternehmen, die ausländische Konkurrenten sehr schnell verdrängten. Das an den Rohstoffen und der strategischen Lage A.s interessierte Italien gewann so die Kontrolle über das Land und besetzte es 1939. Italien forcierte bis 1943 den Ausbau der Infrastrukturen, um A. als militärische Basis zu nutzen; viel davon wurde während des Krieges zerstört.

Die kommunistische Regierung zerschlug die traditionellen Besitzverhältnisse durch eine Agrarreform, die Erhebung von Sondersteuern für angebliche Kriegsgewinnler und die Konfiskation von Eigentum; der Staat kontrollierte alle Wirtschaftssektoren und führte 1946 die Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild ein, die ab 1951 in Fünfjahresplänen organisiert wurde. Auch Industrie und Handel wurden zunächst kollektiviert oder direkt verstaatlicht. A. ging in der Kollektivierung der Wirtschaft weiter als alle anderen osteuropäischen Staaten. Bis 1990 wurden liberalisierende Reformen strikt abgelehnt.

A. war von Transferleistungen der jeweiligen Verbündeten (Jugoslawien, RGW, VR China) abhängig, die die Wirtschaftsstrukturen und den Lebensstandard der schnell wachsenden Bevölkerung stärkten. Der ab 1978 eingeschlagene isolationistische Kurs – ein Kreditaufnahmeverbot wurde in der Verfassung kodifiziert – ließ den Lebensstandard in den 80er Jahren stagnieren und verhinderte eine Modernisierung der Infrastruktur. Fehlallokationen von Ressourcen (Bau von mehreren hunderttausend Bunkern) verschärften diese Entwicklung. Politische und wirtschaftliche Reformen (Legalisierung von Jointventures) konnten 1990 den Zusammenbruch des Systems nicht aufhalten, der mit ungewöhnlich heftigen Unruhen und Zerstörungen einherging.

Die anschließende „Schocktherapie“ zur Durchsetzung der Marktwirtschaft brachte die Produktion zunächst fast völlig zum Erliegen. Die Hoffnung auf ausländische Investoren erfüllte sich wegen der inneren Sicherheitsdefizite und der Nähe zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien kaum. Die Privatisierung staatlichen Eigentums wurde durch ungeklärte Ansprüche früherer Eigentümer, eine unklare und häufig veränderte Gesetzeslage sowie v. a. durch Kapitalmangel behindert. Neben Krediten, die z. T. bilateral, z. T. durch internationale Organisationen (Weltbank, IMF) vergeben werden, sind die Rücküberweisungen von Emigranten ein entscheidender Faktor sowohl zur Sicherung des Lebensstandards als auch für den chronisch defizitären Staatshaushalt. Für 2004 beliefen sich die Einnahmen des Staates auf 184,36 Mrd. Lek (1,869 Mrd. US-Dollar; 2003: 167,2 Mrd. Lek, was 1,314 Mrd. US-Dollar entsprach), die Ausgaben auf 222,44 Mrd. (2,256 Mrd. US-Dollar; 2003: 201,1 Mrd., = 1,581 Mrd. US-Dollar) Lek; das Defizit für 2004 betrug 20,7 % der Einnahmen (2003: 20,3 %).

In den 1990er Jahren bestimmten Kleinhandel und Dienstleistungen die von hoher Arbeitslosigkeit geprägte Wirtschaftsstruktur; zahlreiche Güter des täglichen Konsums, die bis dahin im Land produziert wurden, mussten importiert werden. Unrealistische Erwartungen an einen schnellen Wirtschaftsboom begünstigten Mitte der 90er Jahre die Entstehung von Investitionsfonds („Pyramidengesellschaften“), die extrem hohe Zinssätze für Kapitaleinlagen versprachen; ihre Zahlungsunfähigkeit mündete Anfang 1997 in einen Bürgerkrieg zwischen Gegnern und Anhängern Berishas, der die Entwicklung erneut zurückwarf. Obwohl die Inflation des Lek geringer ausfiel als in den meisten osteuropäischen Ländern, halten die sehr niedrigen Einkommen mit der Preisentwicklung nicht Schritt, was die Korruption auf allen Ebenen begünstigt. 2001 waren die Preise durchschnittlich auf 225,2 % des Niveaus vom Dezember 1993 angestiegen; die größten Steigerungen ergaben sich bei Strom, Treibstoff und Haushaltsgütern.

2004 betrug die Inflation lediglich 2,2 %. Die Durchschnittslöhne lagen bei 24.400 Lek (= 237,4 US-Dollar), die Renten zwischen 7300 und 14.500 Lek (= 71–141 US-Dollar) in den Städten, auf dem Land jedoch nur bei 3000 Lek (= 29,2 US-Dollar). Das Bruttoinlandsprodukt erreichte im Jahr 2004 bereits 2529 US-Dollar (2000: 1216 US-Dollar) pro Einwohner; dazu trugen 2004 die Dienstleistungen mit 56,7 % (2000: 55,8 %) den größten Teil bei, vor der Land- und Forstwirtschaft mit 24,0 % (2000: 28,1 %); im industriellen Sektor wurden nur 9,9 % (2000: 11,7 %) erwirtschaftet und schließlich 9,4 % im Baugewerbe (2000: 6,7 %). 2004 waren 55.000 Unternehmen registriert, davon rd. 40.000 in Handel und Dienstleistung, nur 8800 in Industrie und Baugewerbe; 9600 waren Neugründungen. Die Arbeitslosigkeit wurde für 2004 mit 14,4 % (2000: 16,4 %) angegeben; andere methodische Erhebungen kommen zu wesentlich höheren Werten bei einem hohen Anteil an Schattenwirtschaft. Die Massenemigration entlastet den Arbeitsmarkt und ist wegen der Geldtransfers nach A. volkswirtschaftlich und für viele Familien von entscheidender Bedeutung. Dem Land fehlen dadurch jedoch hoch qualifizierte Kräfte, für die eine anspruchslose Tätigkeit im Ausland attraktiver ist als eine schwer zu findende qualifikationsadäquate Stelle in A.

Die Landwirtschaft, der ehemals bei Weitem wichtigste Wirtschaftszweig A.s war vor 1945 von privatem Großgrundbesitz und Kleinbauern geprägt, die die Bodennutzung nicht intensivierten; der Mechanisierungsgrad war wegen des Kapitalmangels der Kleinbauern und wegen des Festhaltens der aus dem Osmanischen Reich überkommenen feudalen Elite an den traditionellen Wirtschaftsstrukturen minimal, die Erträge blieben weit hinter denen der anderen Balkanstaaten zurück. 1946 besaßen 3 % der landwirtschaftlich tätigen Familien 27 % des nutzbaren Landes, 14 % keines.

Die Agrarreform von 1946 enteignete die Großgrundbesitzer und reduzierte den Besitz der Mittelbauern, der religiösen Stiftungen und des Staates. 1946 beginnend wurde die Landwirtschaft vollständig kollektiviert, auch im nördlichen Bergland. Die Profitrate der Genossenschaften sank bis 1990 auf 6 %; die Einkommen im Genossenschaftsbereich waren in den 80er Jahren rückläufig und 1990 nur noch halb so hoch wie im staatlichen Sektor. Selbst die Parzellen und Viehbestände zur privaten Nutzung durch die Genossenschaftsbauern wurden 1981 in Genossenschaftseigentum überführt, was zu Massenschlachtungen und Versorgungseinbrüchen führte. Die Auflösung der 160 Staatsfarmen und 492 Genossenschaften 1990/91 verlief ungeordnet. Eine einfache Neuaufteilung des Bodens an die Privatbauern aus der Zeit vor der Kollektivierung kam wegen des schnellen Bevölkerungszuwachses und der Teilung von Familien nicht in Frage. Das Bodengesetz von 1991 teilte das Land stattdessen unter den vorhandenen Bauernfamilien auf; bis 1998 waren 96 % des nutzbaren Bodens privatisiert. 1998 wurden 3453 km² für Ackerbau, 339 km² für Obst- und Olivenplantagen und Weinberge und 4309 km² als Weideland genutzt. 10.256 km² waren Forsten. Nur der Hälfte der 456.000 landwirtschaftlichen Betriebe standen 1998 Maschinen zur Verfügung; die menschliche und tierische Arbeitskraft bestimmt wieder das Leben der Bauern. 2004 waren im privaten Agrarsektor 542.000 Menschen (58 % der Arbeitskräfte) beschäftigt. Der Viehbestand betrug 654.000 Rinder, 2,74 Mio. Schafe und Ziegen, 143.000 Schweine, 156.000 Pferde und Esel und 6,3 Mio. Geflügel (2004).

Zur Ausbeutung der Rohstoffressourcen, in erster Linie Erdöl, aber auch Kupfer, Chrom (bei dem A. in den 1990er Jahren der drittgrößte Produzent weltweit war), Braunkohle, Bitumen, Bauxit, Phosphat, Marmor, Pyrit u. a. vergab der Staat vor dem Zweiten Weltkrieg Konzessionen an britische (Anglo-Persian Oil Co.) und später praktisch ausschließlich italienische Unternehmen (SIMSA, AIPA). Nach 1944 war die technologische Unterstützung des RGW und der VR China für die Ausbeutung entscheidend; in der Isolationsphase ab 1978 unterblieben Modernisierungen; Produktion und Export stagnierten bzw. gingen zurück. 2004 wurden in den beiden Raffinerien 386.000 t Rohöl zu 376.000 t Endprodukten verarbeitet. A. setzte auf den Ausbau der Wasserenergie; durch Aufstauungen am Drin entstand eine Kette von Großkraftwerken (Vau i Dejës, Koman, Fierza). 1987 wurden 4120 GWh Wasserenergie erzeugt (93,8 % der gesamten Energieproduktion). Bei geringem privatem Konsum konnte A. Energie exportieren. Ausbleibende Niederschläge ließen die Produktion wieder sinken, wobei 2002 mit 3179 GWh) der bislang niedrigste Stand erreicht wurde (vgl. dazu 2004: 5493 GWh). Zugleich schuf der seit 1991 extrem ansteigende private Energiekonsum einen ständig wachsenden Importbedarf (2001: 1819,2 GWh). Die Verluste durch völlig veraltete Verbindungen überstiegen zeitweilig den Binnenkonsum und lagen 2001 noch bei 2058,4 GWh. Der Binnenkonsum erreichte 2001 3350,6 GWh, davon 2000 GWh durch Privatverbraucher. 2005 fiel die Energieproduktion in A. und seinen Nachbarländern so mangelhaft aus, dass der Bedarf auch durch Importe nicht gedeckt werden konnte und erneut längere tägliche Stromsperren vorgenommen werden mussten.

1938 wurden nur 4,5 % der Gesamtproduktion im industriellen Sektor von 150 meist sehr kleinen Industrieunternehmen erzeugt. Die Industrialisierung hatte für die kommunistische Regierung höchste Priorität, auch um die Arbeiterklasse zu schaffen, in deren Namen sie herrschte. Die ehrgeizigen Wirtschaftspläne wurden zwar nicht realisiert, jedoch wurde mit der Verfassung von 1976 verkündet, das Land habe sich vom Agrarstaat zum Agrar-Industriestaat entwickelt, tatsächlich waren nur ca. 20 % der arbeitenden Bevölkerung in der Industrie beschäftigt (gegenüber ca. 52 % in der Landwirtschaft). Das jährliche Wachstum der industriellen Produktion flachte immer weiter ab; im letzten Fünfjahresplan (1986–90) lag es nur noch bei 1,1 % und fand praktisch nur noch bei den Verbrauchsgütern statt, während früher die Priorität beim Aufbau der industriellen Wirtschaftsstrukturen gelegen hatte. Die Industrieunternehmen, besonders die Schwer- und Chemieindustrie (Großbetriebe in Elbasan und Laç), stellten 1991 ihre Produktion ein; eine Privatisierung der veralteten und umweltbelastenden Anlagen erwies sich als kaum möglich. In der Industrie arbeiteten 2004 nur noch 75.000 Menschen, davon 48.039 Arbeiter (2001: 57.930).

Die 1925 gegründete „Albanische Nationalbank“ (Banka Kombëtare Shqiptare), die den Goldfranken als erste nationale Währung emittierte, war faktisch ein italienisches Unternehmen mit Sitz in Rom. 1937 wurde eine „Albanische Staatliche Landwirtschaftsbank“ (Banka Bujqësore e Shtetit Shqiptar) als Kreditinstitut gegründet. 1945 wurde durch Verstaatlichung der Nationalbank die „Albanische Staatsbank“ (Banka e Shtetit Shqiptar) als Noten- und Devisenbank etabliert. Daneben gab es ein Sparkasseninstitut (Instituti i Arkave të Kursimit) und seit 1969 eine „Staatliche Landwirtschaftsbank“ (Banka Bujqësore e Shtetit). Wegen des geringen Warenangebots stiegen die Spareinlagen bis 1990 auf fast zwei monatliche Pro-Kopf-Einkommen an. Erst 1990/91 wurde eine Trennung zwischen Zentralbank und verschiedenen Geschäftsbanken durchgeführt. Nach der Privatisierung des Bankenwesens wurden zahlreiche inländische, ausländische und gemeinsame Einrichtungen mit z. T. nur kurzer Lebensdauer gegründet. Die „Bank von A.“ (Banka e Shqipërisë) ist als staatliche Notenbank ein Verfassungsorgan; ihr Leiter wird vom Parlament auf Vorschlag des Präsidenten gewählt.

Der in der kommunistischen Epoche (mit Ausnahme der Produkte der privat genutzten bäuerlichen Kleinparzellen) vollständig verstaatlichte Handel wurde nach 1990 durch den Zusammenbruch der produzierenden Wirtschaft mit einem Anteil zwischen 20 und 25 % am BIP zu einer der wichtigsten Säulen nicht nur der Volkswirtschaft, sondern auch des Arbeitsmarktes. Offiziell sind ca. 64.000 Menschen im Handel beschäftigt; tatsächlich werden viele Kleinhändler statistisch nicht erfasst.

Das zentrale infrastrukturelle Defizit A.s ist das unterentwickelte Verkehrsnetz. Die topographischen Hindernisse, die unzureichenden Investitionen in der Vorkriegszeit und Zerstörungen während des Krieges belasteten den Neuaufbau nach 1944, der sich an den wirtschaftlichen Anforderungen ausrichtete, während die Binnenmobilität nachrangig war. PKWs waren nur als Dienstfahrzeuge zugelassen, in Privatbesitz nur Fahrräder erlaubt; auf dem Land waren und sind Reit- und Lasttiere noch immer ein häufiges Fortbewegungsmittel.

Das Straßennetz umfasst rd. 8000 km Hauptstraßen und 10.000 km Bezirksstraßen; nur rd. 3200 km sind als Nationalstraßen asphaltiert. Der Zustand der Straßen hat sich durch die gestiegene Belastung wegen des Transitverkehrs in Richtung Makedonien weiter verschlechtert. Zahlreiche Abschnitte wurden neu asphaltiert bzw. ausgebaut, zwischen Tirana und Durrës ist das erste Teilstück einer autobahnähnlichen Verbindung in Betrieb genommen worden. Durchgangsstraßen nach Kosovo, Makedonien und Griechenland sind in Planung. Die Verkehrsdichte hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. 2004 waren 274.652 Motorfahrzeuge, darunter 190.004 (2000: 114.532) PKW registriert. Wegen der schlechten Straßen werden schwere Wagen (Mercedes) bevorzugt, was zu Abgas- und Schrottentsorgungsproblemen führt. Wegen der oft mangelhaften Fahrausbildung, des schlechten Zustands der Infrastruktur und fehlenden Risikobewusstseins sind Unfälle häufig; jährlich sterben im Schnitt 300 (2004: 315) Menschen bei Verkehrsunfällen.

Die erste Eisenbahn-Passagierstrecke wurde 1947 errichtet (Durrës-Peqin). Das gesamte Schienennetz ist einspurig, nicht elektrifiziert und nur noch 428 km (1990: 684 km) lang. Gleise und rollendes Material waren Anfang der 90er Jahre in einem äußerst schlechten Zustand, der Personenverkehr war fast vollständig zusammengebrochen, der Frachtverkehr drastisch zurückgegangen. Seither hat sich der Personenverkehr auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert. 2004 wurden 1,758 Mio. Passagiere und 417,3 Tsd. t Güter befördert. Über Bajza (an der Grenze zu Montenegro) besteht wieder ein Anschluss an das europäische Bahnnetz.

Die wichtigsten Seehäfen sind Durrës (Umschlag 2004: 2960,4 Tsd. t) und Vlora (300,6 Tsd. t), daneben Shëngjin (293,3 Tsd. t) und Saranda (73,4 Tsd. t). Mit internationaler Hilfe (Weltbank, EU) sollen die Häfen von Durrës und Vlora modernisiert werden. Es gibt Überlegungen, Kosovo im Falle seiner Unabhängigkeit Hoheitsrechte über den Hafen von Shëngjin einzuräumen. A. verfügte 2004 über 52 z. T. überalterte Schiffe mit einer Gesamtkapazität von 97.671 t. Bis 1991 war der Schiffsverkehr limitiert und scharf kontrolliert, um Flucht aus dem Land zu verhindern. Seit den 1990er Jahren wird der meist mit Schlauch- und Motorbooten durchgeführte Schmuggel von Albanern, aber auch Ausländern nach Italien durch Korruption begünstigt; trotz Überwachung durch die italienische Küstenwache konnte der Schmuggel nicht gestoppt werden, darüber hinaus ist es zu vielen Katastrophen gekommen. Fährverbindungen bestehen nach Italien (Ancona, Bari, Brindisi, Triest), Slowenien (Koper) und Griechenland (Igoumenitsa, Patras, Korfu).

Der einzige internationale Flughafen „Mutter Teresa“ in Rinas, ca. 25 km von Tirana entfernt, wurde 1948–50 erbaut. 2004 beförderten 12 Fluggesellschaften mit 13.514 Flügen 649.750 Passagiere und 1558 t Güter und Luftpost nach Rinas. Der Tourismus von Ausländern nach A. ist bisher marginal geblieben. Erst ab 1955 begann der Staat mit der Schaffung entsprechender Kapazitäten, doch konnten die Angebote nicht mit Rumänien oder Bulgarien konkurrieren und zogen nur wenige Touristen an (in den 60er Jahren nur ca. 1000 pro Jahr). Danach verweigerte sich A. aus politischen und ideologischen Motiven als nahezu einziger Mittelmeeranrainer dem Aufbau eines Massentourismus; allein die staatliche Tourismusagentur Albturist bot organisierte Programme mit Badeaufenthalt und Rundreisen an, die in den 80er Jahren von nur 15–20.000 Ausländern pro Jahr wahrgenommen wurden und z. T. auf Tagesausflüge aus Jugoslawien und Griechenland beschränkt war.

Nach 1990 spielte der Tourismus in den meisten Entwicklungskonzepten eine zentrale und völlig unrealistische Rolle, doch war das Preis-Leistungs-Verhältnis der staatlichen und der schnell wachsenden privaten Angebote unattraktiv; dazu kamen die Strukturschwäche, die öffentliche Unsicherheit bis hin zum Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und die Nähe zu den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien. Von 1992 bis 2004 nahm die Zahl der Hotels von 27 mit 3110 Betten auf 199 mit 8420 Betten zu. 1992 verbrachten 29.000 Ausländer 47.000 Nächte in Hotels; 2004 waren es nur 45.250 mit 170.540 Übernachtungen. Die meisten Reisenden übernachten privat; 2004 sind 645.409 Ausländer als Touristen, beruflich, als Transitreisende oder aus anderen Gründen nach A. eingereist, viele davon zu Tagesausflügen ohne Übernachtung von Korfu aus. Die touristische Infrastruktur hat sich insbesondere im Küstenbereich verbessert. Am Ohridsee sollen international unterstützte Naturschutzprojekte zur Entwicklung eines ökologisch ausgerichteten Tourismus genutzt werden. Das Potential des nördlichen Berglandes bleibt mangels Infrastruktur und aus Sicherheitsgründen ungenutzt.

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2.5 Bildung und Kultur

Die Anfänge eines albanischsprachigen Schulwesens reichen in die Nationalbewegung zurück. 1887 wurden die ersten albanischen Schulen eröffnet, die außer der in Korça nur kurze Zeit existierten; 1891 folgte – ebenfalls in Korça – die erste Mädchenschule. Die in den 1920er Jahren für 6–11jährige beiderlei Geschlechts eingeführte Schulpflicht wurde kaum umgesetzt, besonders im nördlichen Bergland nicht. Für 1928 wurde die Analphabetenrate insgesamt mit 84 % angegeben, in den Gebirgsbezirken mit 97–98 %. In den 30er Jahren expandierte das Bildungswesen, blieb aber auf geringem Niveau: 1928 besuchten 37,1 Schüler pro 1000 Einwohner die Schule, 1938 waren es 60,9. Der Versuch des autoritär regierenden Präsidenten, ab 1928 König Zogu, das Schulwesen durch Aufhebung der Privatschulen zu nationalisieren, scheiterte 1936.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die kommunistische Regierung eine Ausrichtung auf das sowjetische Schul- und Pädagogikkonzept durch. Alphabetisierung der Kinder und der Erwachsenen, Propagierung des Sozialismus und Qualifizierung der bitter benötigten Fachkräfte standen im Mittelpunkt. Ein hohes Bildungsniveau wurde auch für Menschen in wenig qualifizierten Tätigkeiten angestrebt. Bereits 1950 war die Zahl der Schüler pro 1000 Einwohner auf 146,5 gestiegen; 1990 betrug sie 234,3. Die vor 1944 von Aufstiegschancen fast ausgeschlossene bäuerliche Mehrheit erhielt jetzt ebenso wie die allmählich entstehende Arbeiterschaft Zugang zur Bildung und zu Positionen auf allen Ebenen der Gesellschaft.

Die Zahl der Lehrer ist seit 1990 stark zurückgegangen; besonders die Männer haben sich aus dem Lehrerberuf zurückgezogen, da die Einkommen unattraktiv sind. An der Achtjahresschule waren 1990 55 % der Lehrer Frauen, 2001 bereits 64,3 %; an der Mittelschule stieg der Anteil von 33,9 % auf 54,4 %. Das Schulwesen wird vom Bildungsministerium geleitet und beaufsichtigt und vom Staat finanziert, doch macht sich die Konkurrenz privater, qualitativ überlegener Schulangebote bemerkbar. Das Schulsystem besteht aus vier Ebenen: der freiwilligen Vorschulbildung, der achtjährigen Pflichtschule, der Mittelschule mit allgemein und berufsbildenden Formen und der Sonderschule. Auch für die Griechen und die Makedonier gibt es staatliche Vorschulen und Schulen, in denen teilweise muttersprachlicher Unterricht erteilt wird. Durch Arbeitslosigkeit und Verarmung bedingt sank die Nachfrage nach Betreuungsangeboten für Vorschulkinder. PISA-Studien zufolge ist das Leistungsniveau des albanischen Schulwesens das niedrigste in Europa, bei sehr hohen Bandbreiten zwischen den besten und den schwächsten Leistungen. Trotz der Schulpflicht bis zum 16. Lebensjahr besuchen wegen Armut und Unsicherheit nur 42,7 % der 15jährigen Jugendlichen (noch) eine Schule, der geringste Anteil aller untersuchten Länder. In vielen Schulen herrschen unterrichtsfeindliche Rahmenbedingungen. Die Migration in die Städte hat dort zu völlig überfüllten Klassen mit 40–50 Schülern geführt (im Landesdurchschnitt in der Vorstufe 25, in allen Schulen bis zur Sekundärstufe 30).

Bereits 1991 wurde im Rahmen der Dezentralisierung aus der 1957 gegründeten Staatsuniversität Tirana (Universiteti i Tiranës), die bis heute mit 18.877 Studierenden (2003/04) die größte Hochschule des Landes bleibt, eine Polytechnische Universität (UPT) ausgelagert; die Lehrerbildungshochschulen in Korça, Shkodra, Elbasan, Gjirokastra und Vlora wurden zu Universitäten hoch gestuft, ebenso das Landwirtschaftliche Institut Kamza. Es gibt auch je eine Fachhochschule für Sport, für Bildende Künste und für Krankenpflege. Auch Armee und Polizei unterhalten Hochschulen. 2002 wurde in Tirana die erste Privathochschule gegründet. 1990/91 besuchten 27.641 Studierende eine Hochschule; 2004 waren es 52.609 (+ 90,3 %) in den öffentlichen Hochschulen. Der Frauenanteil stieg im selben Zeitraum von 51 % auf 62 %. Mit 1691 Studenten auf 100.000 Bevölkerung nahm A. den letzten Platz im Vergleich mit anderen Ländern des östlichen Europas ein.

Mit der Gründung der Akademie der Wissenschaften (Akademia e Shkencave) 1972 und der Übertragung mehrerer Institute aus der Staatsuniversität verfolgte die Regierung das Ziel, die Forschung von der Lehre weitgehend zu trennen und eine strategische Forschungspolitik betreiben zu können. Sie war bis 1990 die staatliche Institution, die die intensivsten Auslandskontakte unterhielt. Sie behielt auch nach dem Systemwechsel ihre zentrale Stellung als Herausgeberin der meisten wissenschaftlichen Studien und Zeitschriften, obwohl auch an den Universitäten geforscht und publiziert wird. Allerdings ist auch der Wissenschaftsbereich stark auf private Subventionen durch Stiftungen (Soros u. a.) angewiesen. Wegen der geringen Einkommen und der schlechten Arbeitsbedingungen ist A. wie andere osteuropäische Länder von einem Braindrain nach Westeuropa, den USA und Kanada betroffen.

Dem Umbruch 1990/91 sind die meisten propagandistisch geprägten Dorf- und Genossenschaftsmuseen, Gedenkstätten des Widerstandes und Theatergruppen zum Opfer gefallen. Es gibt neun historische, künstlerische und ethnographische Museen von nationaler Bedeutung; dazu kommen Ausgrabungszentren und archäologische Museen in Durrës, Apollonia (bei Fier), Butrint u. a. 2003 gab es 55 Museen und 21 Galerien. Die 1954 gegründete Nationalgalerie in Tirana führt jährlich über 20 Ausstellungen (2003: 46) mit albanischen und ausländischen Künstlern durch (Biennale Tirana), doch bleiben die Besucherzahlen gering (2003: 2613 Besucher).

Professionelle Ausbildungsstätte für Bildende Künstler, Musiker und Schauspieler ist die 1966 gegründete Akademie der Künste (Akademia e Arteve) in Tirana mit 578 Studenten 2001/02. Das Ende der kommunistischen Kontrolle über die Kulturszene des Landes 1991 brachte die etablierte Künstlergeneration nahezu zum Verstummen; die neue Generation hatte mit dem Ausfall der Förderung, aber v. a. mit Orientierungslosigkeit zu kämpfen. Jüngere albanische Künstler, von denen viele wie Anri Sala (*1974) oder Ornela Vorpsi (*1968) im Ausland leben, besonders der Maler und Kulturpolitiker Edi Rama (*1964, seit 2000 Bürgermeister von Tirana), sind inzwischen auf internationalen Ausstellungen, besonders zur osteuropäischen bzw. balkanischen Kunst, häufig vertreten. Tirana ist Sitz der Nationalbibliothek (gegr. 1922) mit knapp 1 Mio. Bänden Bestand, der weltweit größten Sammlung A.-relevanter Literatur, des Staatsarchivs (gegr. 1949) und des „Nationalen Filmzentrums“ (Qëndra Kombëtare Kinematografike). 2003 gab es 47 Kreisbibliotheken mit insgesamt 1,962 Mio. Bänden und 56.913 Lesern. Das „Institut für Kulturdenkmäler“ (Instituti i Monumenteve të Kulturës) in Tirana, gegr. 1965) betreute 2001 ca. 2100 Objekte denkmalschützerisch. Ensembledenkmalschutz genießen die historischen Stadtkerne von Berat (seit 1959) und Gjirokastra (seit 1973). Die Emigration, aber auch die weggefallene Protektion als Geburtsort Enver Hoxhas (1908–85) haben zu kaum reparablen Zerstörungen Gjirokastras geführt.

Die wichtigsten Bühnen des Landes konzentrieren sich auf die Hauptstadt Tirana: das Nationaltheater (gegr. 1944), das Puppentheater (gegr. 1950) und das Opern- und Balletthaus. Mangels Investitionen und wegen geringer Betriebskostenzuschüsse gingen die Vorstellungen und Besucherzahlen nach 1991 stark zurück. 1920 wurde in Vlora das erste Kino in Betrieb genommen. Erst 1952 wurde in Tirana das erste albanische Filmstudio ›Shqipëria e Re‹ („Neues A.“) gegründet. 1957 entstand mit ›Skënderbeu‹(„Skanderbeg, Ritter der Berge“, Regie: Sergej Jutkevič) der erste Spielfilm als sowjetisch-albanische Koproduktion und 1959 mit ›Tana‹ (Regie: Kristaq Dhamo) die erste albanische Eigenproduktion. Trotz einer Wiederbelebung des einheimischen Filmschaffens konzentriert sich das Publikumsinteresse seit der Wende auf ausländische Filme.

Zeitschriften und Zeitungen hatten für die Kommunikation der äußerst schmalen Elite, die im 19. Jh. Träger der Nationalbewegung waren, eine zentrale Funktion, mussten aber wegen der repressiven Politik der osmanischen Behörden im Ausland erscheinen. Die größtenteils analphabetische Landbevölkerung war durch die Presse nicht erreichbar. Trotz der Zensur des Zogu-Regimes bestand ein gewisser Freiraum für Debatten in der Presse, solange das Regime selbst nicht angetastet wurde. Aus der Untergrundpresse der Partisanen heraus entwickelte sich in kommunistischer Zeit ein mehrstufiges, inhaltlich strikt gelenktes Pressewesen: Die PPSH und die „Demokratische Front A.s“ (FDSH), die nahezu die gesamte Bevölkerung umfassende Massenorganisation, gaben mit ›Zëri i Popullit‹ („Volksstimme“) bzw. ›Bashkimi‹ („Vereinigung“) landesweite Tageszeitungen mit meist nur vier Seiten Umfang heraus; in den 1960er bis 80er Jahren wurden Bezirkszeitungen der PPSH gegründet. Darüber hinaus gab es Zeitschriften und Zeitungen aller Verbände für alle Zielgruppen sowie Fachzeitschriften.

Mit dem PD-Organ ›Rilindja Demokratike‹ („Demokratische Wiedergeburt“) erschien am 5.1.1991 die erste nicht kommunistische Zeitung. Heute konzentriert sich der Zeitungsmarkt auf mehrere unabhängige, aber mit politischen und wirtschaftlichen Interessen verbundene Tageszeitungen, z. B. ›Shekulli‹ („Das Jahrhundert“), ›Korrieri‹ („Der Kurier“), ›Gazeta Shqiptare‹ („Die albanische Zeitung“), ›Koha Jonë‹ („Unsere Zeit“), ›Panorama‹ u. a. sowie Wochenzeitungen wie ›ABC‹ und Magazine wie ›Klan‹ und ›Spektër‹ („Spektrum“).

Die 1944 gegründete Nachrichtenagentur ATSH (›Agjencia Telegrafike Shqiptare‹, „Albanische Telegrafische Agentur“) versorgte die Medien mit In- und Auslandsnachrichten und übermittelte offizielle Statements ins Ausland. Sie steht heute in Konkurrenz zu privaten und zu den ausländischen Agenturen. 1937 wurde eine Kurzwellenstation in Betrieb genommen. Die kommunistische Regierung baute ›Radio Tirana‹ schnell als Informations- und Propagandainstrument in einer Gesellschaft aus, die mehrheitlich von Printmedien nicht erreicht wurde. 1960 wurde der Fernsehbetrieb aufgenommen, ab 1971 täglich, ab 1981 in Farbe.

Die Auslandswirkung von ›Radio Tirana‹ wurde besonders nach dem Bruch mit der Sowjetunion wichtig, um die albanische und die chinesische Position in Europa zu verbreiten. Doch mit den Überreichweiten westlicher Sender erhielten die Albaner die einzige Gelegenheit zum Kontakt mit dem Ausland und zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse, wobei das italienische und das griechische Fernsehen bevorzugt wurden. Nur der Empfang religiöser Programme wurde systematisch gestört. Auch nach 1990 gilt das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm als wenig attraktiv und hat nicht nur in 65 Privatsendern (2004), sondern mit Hilfe von Satellitenschüsseln in vielen ausländischen Programmen Konkurrenz. 2004 standen Fünf staatlichen Rundfunksendern 44 Privatstationen gegenüber.

Im internationalen Leistungssport spielen albanische Sportler und Mannschaften nur selten eine Rolle, doch hat die Möglichkeit des internationalen Austauschs von Spielern und Trainern das Niveau z. B. im Fußball deutlich gehoben; viele Albaner spielen in ausländischen Ligamannschaften, was auch der seit 2002 von dem Deutschen Hans-Peter Briegel trainierten Nationalmannschaft zugute kommt. Vereinzelte Erfolge wie der Heimsieg gegen Europameister Griechenland 2004 werden im ganzen Land frenetisch gefeiert. Bereits vor 1991 begeisterten sich viele Albaner für den ausländischen Fußball als eines der wenigen „legalen“ Schaufenster zur Welt und zeigten sich gut informiert über die Spiele der deutschen oder italienischen Liga. Ausländische Sportübertragungen (Fußball, Autorennen) finden ein breites Publikum. 2003 existierten 170 Sportmannschaften mit 242 Trainern für 2058 Erwachsene und 215 Mannschaften mit 175 Trainern für 2384 Jugendliche.

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3 Kulturgeschichte

Im 9.–2. Jh. v. Chr. existierten auf dem Westbalkan zahlreiche kleine Staatsgebilde der Illyrer (u. a. der ›Albanoi‹) und anderer indogermanischer Völker, bevor die Region im 3.–2. Jh. von den Römern erobert wurde. Nach der Reichsteilung 395 gehörten die albanischen Gebiete, deren Christianisierung im 4. Jh. begann, zum Oströmischen Reich. Bei dessen Zerfall wurde es Durchmarsch- und Besatzungsgebiet des Bulgarischen Reiches, der Normannen, der Staufer, der Venezianer und des Serbischen Reiches. Als einer der Nachfolgestaaten des von den Kreuzfahrern eroberten Byzanz etablierte sich 1276–1479 das Despotat Epirus, zu dem Südalbanien gehörte. Erst im 11. Jh. wurden hier auch die ›Alvanoi‹ oder ›Arvanitai‹ erwähnt. Albanisch-slawische Familien (Balsha, Kastriota) gründeten seit dem 12. Jh. Fürstentümer (z. B. Arbanon) in Abhängigkeit von Byzanz oder anderen Mächten. Das Vordringen der Osmanen auf dem Balkan zwang die albanischen Fürsten zu einer Schaukelpolitik zwischen den Mächten.

Gjergj Kastriota, einer der Söhne des Fürsten von Kruja, machte am Sultanshof eine glänzende Militärkarriere als Iskender Bey (alban. Skëndërbeu, dt. Skanderbeg), wandte sich aber gegen den Sultan, als seine Ansprüche auf den väterlichen Besitz in Frage gestellt wurde. Er besetzte Kruja, rekonvertierte vom Islam zum Katholizismus und gründete unter venezianischer Schirmherrschaft 1444 in Lezha eine Liga der mittel- und nordalbanischen (und einiger slawischer) Fürsten, ohne damit einen Staat zu begründen. Er wehrte bis zu seinem Tod 1468 mehrere osmanische Expeditionen ab und erwarb sich in weiten Teilen Westeuropas Anerkennung als Verteidiger des christlichen Abendlandes. Ab 1502 befanden sich die albanischen Gebiete unter osmanischer Herrschaft. Emigration, wirtschaftlicher Druck und Karrieremöglichkeiten beschleunigten die mehrheitliche Islamisierung der Albaner. Strittig ist, inwieweit die Osmanenherrschaft nur als „Joch“ und als Ursprung der Rückständigkeit des Balkans und A.s im Besonderen zu werten ist oder ob so eine eigene albanische Identitätsbildung möglich wurde. Aufstände richteten sich eher gegen soziale Missstände als gegen das osmanische Herrschaftssystem, das die im nördlichen Bergland entstehenden Stammesstrukturen und deren Gewohnheitsrecht nicht beseitigte.

Die Schwächung der osmanischen Zentralgewalt ging mit Bestrebungen von Kommandeuren und Statthaltern der Randprovinzen einher, ihre Gebiete faktisch selbständig zu beherrschen. Im späten 18. Jh. wurden Nordalbanien (Sançak Shkodra) unter der Familie Bushatlli, der Süden (Sançak Janina) unter Ali Pasha Tepelena (1741–1822) auch international über Jahrzehnte hinweg als politische Einheiten behandelt. Auch wenn beide Gebiete schließlich wieder unter die Kontrolle der Hohen Pforte kamen, wirkten ihre Separationsbestrebungen katalysierend auf die Unabhängigkeit Griechenlands.

Später als die meisten anderen Balkanvölker entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. auch bei den Albanern eine Nationalbewegung, die in der albanischen Historiographie nach dem Vorbild anderer Völker als „Nationale Wiedergeburt“ (Rilindja Kombëtare) bezeichnet wird, zunächst als kulturelle Identitätsfindung, dann als Forderung nach administrativer Zusammenfassung der von Albanern besiedelten Gebiete in einer Verwaltungseinheit. Die ersten Vertreter dieser Bewegung waren Italo-Albaner, besonders Girolamo (alban. Jeronim) de Rada (1814–1903), der die in der europäischen Literatur lebendige Skanderbeg-Thematik für die albanische Kultur entdeckte. In A. waren es nach Versuchen Naum Bredhi Veqilharxhis (1767–1846), albanische Fibeln und Schulbücher zu konzipieren, besonders die Brüder Naim (1846–1900) und Sami Frashëri (1850–1904), die mit Lyrik, Epen, Dramen und Programmschriften die im Dialekt des Toskischen geschriebene Literatur weiterentwickelten. Im späten 19. Jh. fand im Rahmen der „Nationalen Wiedergeburt“ auch die säkulare Malerei mit Porträts, Landschaftsszenen und historischen Darstellungen (Kol Idromeno [1860–1939], Ndoc Martin Camaj [1925–92], Vangjush Mio [1851–1937] u. a.) Eingang in das albanische Kulturschaffen.

Als nach dem Russisch-Osmanischen Krieg 1877/78 die Abtretung albanischer Gebiete an die Nachbarstaaten drohte, gründete sich mit Billigung durch die Behörden eine muslimische Allianz, die Liga von Prizren (alban. Lidhja e Prizrenit; 1878–81), zur Verteidigung des Status quo und richtete sich erst dann gegen die osmanische Regierung, als diese die Beschlüsse des Berliner Kongresses 1878 durchsetzen wollte. Ziel der Liga war ein Autonomiestatut innerhalb des Osmanischen Reichs.

Im Ersten Balkankrieg (1912–13) verlor das Osmanische Reich fast alle seiner europäischen Gebiete. Als Antwort auf das Vorrücken der feindlichen Armeen proklamierte eine Versammlung in Vlora am 28.11.1912 die Unabhängigkeit A.s, die von der Botschafterkonferenz in London nach Auseinandersetzungen um den Status und die Grenzen des Landes im Juli 1913 bestätigt wurde. Erhebliche Teile des albanisch besiedelten Gebiets, besonders das Kosovo, fielen an die Nachbarstaaten. Diese – nach dem Ersten Weltkrieg bis 1925 im Detail fixierten – Grenzen, 1941–44 wurden zudem Teile des zerschlagenen Jugoslawien an das besetzte A. angeschlossen, haben bis heute Gültigkeit. Die europäischen Großmächte verständigten sich auf den deutschen Prinzen Wilhelm zu Wied als Fürsten, der sich wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs nur vom 7.3.–3.9.1914 halten konnte. Die Staatlichkeit A.s war bis 1920 ausgesetzt, das Land wurde Besatzungs- und Durchmarschgebiet von sieben Krieg führenden Mächten, die z. T. Regierungen mit lokalem oder regionalem Wirkungsbereich einsetzten, u. a. eine von den Italienern gestützte Regierung in Durrës (1918–20).

Erst am 31.1.1920 wurde durch einen Kongress in Lushnja die staatliche Kontinuität durch die Bildung einer gesamtstaatlichen Regierung wieder aufgenommen. Eine kurze Phase eines instabilen Elitenpluralismus brachte nicht – wie in den anderen Balkanstaaten – ein ausdifferenziertes Parteiensystem, sondern nur Gruppierungen innerhalb des Parlaments, lokale Wählergruppen und politische Gesellschaften hervor. Die Fragen nach grundsätzlichen politischen und sozialen Reformen sowie nach einer aktiven Kosovo-Politik beherrschten die Auseinandersetzungen, die von dem westlich orientierten orthodoxen Bischof Fan Noli (1882–1965) und Ahmet Bej Zogu dominiert wurden. Das Experiment einer Reformregierung, die Noli 1924 nach der „Juni-Revolution“ bildete, scheiterte nach einem halben Jahr an Widerständen der sozialen Eliten, die den mit jugoslawischer Hilfe zurückkehrenden Zogu unterstützten.

Zogus autoritäre Herrschaft dauerte vom 24.12.1924 bis zum 7.4.1939. Er gab dem Land eine republikanische Verfassung mit ihm als Staatspräsidenten, ging aber bereits am 1.9.1928 zur Monarchie über; A. wurde damit zur ersten der für den Balkan der Zwischenkriegszeit typischen Königsdiktaturen. Die von Jugoslawien erwartete Bindung gab er binnen Kurzem zu Gunsten einer engen Allianz mit Mussolinis Italien auf, bekämpfte aber weiterhin jede Form eines Irredentismus gegenüber dem Kosovo. Durch mehrere politische, militärische und wirtschaftliche Abkommen (darunter die beiden Tirana-Pakte) sicherte er seinem Regime Stabilität und Kredite, schränkte aber seinen Handlungsspielraum fast völlig ein. Versuche in den 30er Jahren, Mussolinis Griff zu lockern und gleichzeitig soziale Reformen durchzuführen, scheiterten. Italien besetzte das Land am Karfreitag 1939, gliederte es in Personalunion an und nutzte es als Aufmarschgebiet gegen Griechenland.

Nach der Zerschlagung Jugoslawiens wurden ein großer Teil von Kosovo sowie die albanisch besiedelten Teile Westmakedoniens A. angegliedert. Erst am 8.11.1941 fusionierten lokale kommunistische Zirkel zu einer „Kommunistischen Partei A.s“ (PKSH); unter ihren Führern setzte sich bis 1943 Enver Hoxha endgültig durch. Unter Anleitung jugoslawischer Kommunisten gründete sie im September 1942 eine Widerstandsfront unter Einschluss nicht kommunistischer Gruppen, aus der eine von den Kommunisten geführte Partisanenarmee hervorging.

Nach Mussolinis Sturz besetzten deutsche Truppen A., dessen Souveränität pro forma wiederhergestellt wurde, dessen Kollaborationsregierung aber von der deutschen Militärverwaltung abhängig blieb. Angesichts der sich abzeichnenden deutschen Niederlage nahmen die Auseinandersetzungen zwischen den Kommunisten und konservativen Bewegungen, die zu einer begrenzten Kollaboration übergingen, um die Fragen des künftigen Systems und der Grenzen zu. Die Alliierten fanden außer der Front keinen verlässlichen Partner mehr und konzentrierten ihre Unterstützung auf die Partisanen. Die Schlussphase des Widerstandes artete in einen Bürgerkrieg aus, dessen Folgen bis heute spürbar sind.

Der Abzug der Deutschen im November 1944 überließ der PKSh die Macht im Land und brachte dem Land den ersten echten Elitenwechsel, da die alten Eliten ins Exil gingen, den Säuberungen der Nachkriegsjahre zum Opfer fielen oder zumindest enteignet und „deklassiert“ wurden. Wie in Jugoslawien wurde von vornherein ein Einparteiensystem durchgesetzt; bei den ersten Wahlen am 2.12.1945 standen nur Einheitskandidaten der Front zur Wahl. Danach trennten sich die Kommunisten bald von ihren nicht kommunistischen Verbündeten.

Mit Stalins Segen stärkte Belgrad seinen Einfluss auf Politik und Wirtschaft A.s; auch Teile der albanischen Führung sahen die Zukunft ihres Landes in einer Föderation mit Jugoslawien. Diese Entwicklung wurde durch den Bruch zwischen der Kominform und dem jugoslawischen Parteichef Tito abrupt gestoppt. Hoxha steuerte die PKSH, die sich auf ihrem ersten Parteitag 1948 wegen der geringen proletarischen Durchdringung der albanischen Gesellschaft in PPSH umbenannte, auf einen strikt prosowjetischen und stalinistischen Kurs. 1954 wurden auch in A. die Ämter von Generalsekretär und Ministerratsvorsitzendem getrennt; letzteres Amt übernahm Mehmet Shehu (1913–81) von Hoxha. A. vollzog als Mitglied von RGW (1949–62) und Warschauer Pakt (1955–68; Austritt erst nach der Invasion in der Tschechoslowakei) die Reformen nach dem 20. Parteitag der KPdSU kaum ansatzweise nach. Die anhaltende Verherrlichung Stalins beschränkte sich nicht auf die Ideologie; A. hielt bis in die 80er Jahre an der Praxis ständiger innerparteilicher Säuberungen und rücksichtsloser Verfolgung ganzer Familien fest.

Das kommunistische Regime kontrollierte sämtliche Bereiche des öffentlichen Lebens, insbesondere den kulturellen Sektor und die Medien. Aufbauend auf literarischen Versuchen in der Widerstandspresse setzte die PPSH die Errichtung eines Bildungswesens für die gesamte Bevölkerung einschließlich Alphabetisierungskampagnen durch und setzte der Literatur einen inhaltlich und organisatorisch (Schriftsteller- und Künstlerverband) sehr engen Rahmen; gleichzeitig wurde ein Großteil des literarischen Erbes politisch anathematisiert. Widerstandskampf und sozialistischer Aufbau wurden die beiden Hauptthemen, die durch Dhimitër Shuteriqi (1915–2003), Sterjo Spasse (1914–89), Shefqet Musaraj (1914–86) und eine Generation später durch Dritëro Agolli (*1931) und Ismail Kadare (*1936) in sehr unterschiedlicher Weise behandelt wurden. Einzig Kadare konnte sich den strikten Vorgaben der Partei zumindest teilweise entziehen. Kadares kompliziertes Verhältnis zu den Mächtigen und seine Anerkennung im In- und Ausland verschafften ihm einen größeren Spielraum als anderen Autoren.

In der bildenden Kunst waren Propagandabilder und -plastiken unter den Kommunisten ebenso üblich wie unter Zogu. Die Regierung schuf die Voraussetzung für eine akademische Ausbildung und förderte Künstler durch Arbeitsbefreiung. Motive des sozialistischen Aufbaus (Abdurrahim Buza [1905–86], Vilson Kilica [*1932]), des Partisanenkrieges (Zef Shoshi [1939], Sali Shijaku [*1933]) und des Widerstandes gegen die Osmanen (Skanderbeg-Denkmäler von Odhise Paskali [1903–85]) und Janaq Paço [1914–91]) beherrschten das Schaffen; nicht-realistische Kunst war verboten. Klassische Musik entwickelte sich unter sowjetischem Einfluss mit Opern wie ›Mrika‹ (1958) von Prenkë Jakova (1917–69) und dem Ballett ›Halil dhe Hajrija‹ (1963) von Tish Daija (1926–2003). Daneben wurde das ausländische klassische Repertoire in der Oper und in den Konzertsälen gespielt.

Das kommunistische System bekämpfte westliche Popmusik und förderte einen politisch instrumentalisierten Folklorismus, besonders durch ein Festival, das alle fünf Jahre in Gjirokastra stattfand.

Besonders die Wiederannäherung zwischen Jugoslawien und dem übrigen Ostblock traf auf A.s strikte Ablehnung. Im Revisionismusstreit näherte sich Tirana immer stärker Peking an; im Dezember 1961 brach die UdSSR die diplomatischen Beziehungen zu A. ab.

Die Partnerschaft mit der VR China verschaffte A. nochmals den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen. Doch wurde es von diesem kulturell fremden Partner weit weniger geprägt und beeinflusst als von Jugoslawien oder der UdSSR. War die chinesische Kulturrevolution eine von Mao Zedong geförderte Bewegung gegen die Parteiführung, blieb ihr albanisches Pendant, das sich gegen rückständige Traditionen einschließlich der Religionen richtete, jederzeit unter der Kontrolle der Führung. Blutige Säuberungen in Kultur, Armee und Wirtschaft prägten die frühen 70er Jahre.

A. widersetzte sich Plänen Chinas, einen antisowjetischen Block mit Jugoslawien und Rumänien zu bilden. Der Versuch Pekings, wirtschaftlichen Druck auf das strategisch nicht mehr bedeutsame A. auszuüben, mündete in den Bruch 1978. Der isolationistische Anspruch, den Sozialismus ohne Wirtschaftshilfe und Kredite aufzubauen, führte in Stagnation und Rezession. Nach dem angeblichen Selbstmord Mehmet Shehus 1981 und einer letzten großen Säuberung 1981/82 setzte sich Ramiz Alia (*1925) als Nachfolgekandidat Hoxhas durch, der am 11.4.1985 starb.

Die Ära Alia war von zurückhaltenden Reformen geprägt, die die Nähe zu Gorbatschows Perestroika bewusst vermied, sich aber deren Sogwirkung nicht entziehen konnte. Besonders der blutige Staatsstreich in Bukarest wirkte stimulierend auf offene Dissidenz, die sich im Dezember 1989 in einer Demonstration in Shkodra, Anfang Juli 1990 durch die Flucht Tausender in die westlichen Botschaften und im Dezember 1990 in einer Studentenbewegung manifestierte, durch die die Legalisierung von Oppositionsparteien durchgesetzt wurde.

Der Zerfall des kommunistischen Systems verlief chaotisch und unter schweren Unruhen, doch konnten offene Kämpfe wie in Rumänien vermieden werden. Nach dem Sturz der Hoxha-Denkmäler im Februar 1991 und der Ernennung des jungen Reformers Fatos Nano (*1952) zum Regierungschef gewann die PPSH (die sich kurz darauf in PSSH umbenannte) die ersten pluralistischen Wahlen am 31.3.1991 klar gegen die PD, konnte aber ihre Macht nicht mehr stabilisieren. Ein Streik erzwang die Bildung einer Allparteienregierung, nach deren Scheitern eine Expertenregierung das Land in Neuwahlen am 22.3.1992 führte, bei denen die PD siegte.

Ihr Vorsitzender Sali Berisha wurde vom Parlament zum Präsidenten gewählt und bildete eine Koalition mit PRSH und PSD. Die erhoffte schnelle Verbesserung des Lebensstandards stellte sich trotz massiver Auslandshilfen nicht ein; weiterhin versuchten Hunderttausende, das Land zu verlassen. Die verheerend schlechte Infrastruktur, Massenkriminalität und die Nähe zu Jugoslawien wirkten abschreckend auf Investoren. Berishas Versuch, eine präsidiale Verfassung durchzusetzen, wurde 1994 in einem Referendum verworfen.

Über Wahlfälschungen sicherte sich Berisha 1996 eine erdrückende Parlamentsmehrheit, konnte aber 1997 den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung nach dem Kollaps betrügerischer Anlagefonds („Pyramidengesellschaften“) nicht verhindern, die große Teile der Bevölkerung um ihre Ersparnisse gebracht hatten. Erst durch eine internationale Intervention konnte die Lage wieder einigermaßen stabilisiert werden. Die PSSH siegte bei den im Juni 1997 abgehaltenen Neuwahlen und bildete eine Koalition mit mehreren Mitte-Links-Parteien. Berisha trat als Präsident zurück und übernahm die Führung der PD.

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Der Koalition gelang eine Stabilisierung der Lage, konnte aber die während des Aufstandes gestohlenen Waffen der Armee und Polizei nur zu einem kleinen Teil konfiszieren. Im Kosovo-Krieg unterstützte A. die NATO politisch; die Aufnahme mehrerer Hunderttausend Flüchtlinge belastete das Land schwer. Einem wirtschaftlichen Aufschwung steht weiterhin umfassende Korruption auf allen Ebenen gegenüber. Auseinandersetzungen innerhalb der PSSH mündeten in häufige Regierungsneu- und Umbildungen. Trotz Verlusten behauptete die Koalition bei den Parlamentswahlen von 2001 eine Mehrheit; durch internationale Vermittlung konnten punktuelle Verständigungen mit der Opposition (Wahl des Präsidenten 2002) erreicht werden. Die Parlamentswahlen des Jahres 2005 gewann eine Mitte-Rechts-Koalition unter Führung von Sali Berisha, der daraufhin Ministerpräsident wurde. In der Außenpolitik strebt A. einen Beitritt zu NATO und EU an, hat aber mittelfristig keine Chancen auf eine EU-Mitgliedschaft. Die EU hat A. gemeinsam mit den meisten Nachfolgestaaten Jugoslawiens eine grundsätzliche Beitrittsperspektive offen gehalten, ohne aber eine Frist zu benennen. Gleichzeitig sucht das Land (auch unter der PSSH-Regierung) den engen Schulterschluss zu den USA; es beteiligte sich 2003 an der Besetzung des Irak.

Auch heute ist A. noch stark agrarisch geprägt. Dabei weist die Alltagskultur viele Gemeinsamkeiten mit der anderer Balkanvölker auf; die durch die lange osmanische Präsenz geprägt wurden. Die Zentriertheit des Lebens auf Familie und Verwandtschaft als sozialen Rahmen ist bis heute ungebrochen, zumal die kaum vorhandene rechtsstaatliche Tradition bisher kein gesellschaftliches Gegenmodell geschaffen hat.

Die Albaner befanden sich immer unter dem Einfluss einer „Leitkultur“, die durch eine fremde Staatsmacht, durch den jeweiligen Partner in Bündnissen bzw. Patronagen sowie nach 1990 durch den „Westen“ vorgegeben war. Ein ausgeprägtes kollektives Nationalbewusstsein, das die Identität der Familie und des Stammes überschreitet, entwickelte sich erst spät; unter dem Kommunismus wurde die albanische Gesellschaft auf eine isolationistische Verabsolutierung der albanischen Nation hin formiert, die in einem Jahrtausende währenden Selbsterhaltungskampf stehe und noch immer von Nachbarn und Großmächten bedroht werde. Der intensiv genutzte Zugang zu ausländischem Fernsehen bildete die einzige Möglichkeit, dieses Bild zu korrigieren.

Der abrupte Systemzerfall bedeutete das Ende des kaum noch funktionierenden Versorgungs- und Reglementierungsstaates und konfrontierte die Menschen mit bisher nicht gekannten Freiheiten, aber auch Herausforderungen. Sie pendelten mental zwischen nationalistischer Affirmation und kritikloser Orientierung auf den bisher als Bedrohung verteufelten Westen und sahen ihre Erwartungen, der schnelle, sozial kaum abgefederte Übergang zum Kapitalismus werde ihre Lebenssituation kurzfristig grundlegend bessern, brutal enttäuscht, besonders als viele Familien 1997 ihren in „Pyramidengesellschaften“ investierten Besitz verloren.

Für viele Familien wurde es zur Überlebensnotwendigkeit, mindestens einen jungen Mann in die längst überwunden geglaubte Wirtschaftsemigration zu entsenden, der dort fast immer Tätigkeiten weit unter seiner Qualifikation verrichten musste. Da die westlichen Länder die Zuwanderung von Albanern eng limitierten, reisten viele illegal ein und wurden von kriminellen Verbänden rekrutiert, die gerade im Fall der Albaner nach regionalen und verwandtschaftlichen Beziehungen organisiert sind.

Die albanische Gesellschaft holte die soziale Ausdifferenzierung schnell nach, die die Gesellschaft der Kosovo-Albaner seit langem prägt. Die Erfahrung, dass die Möglichkeiten sehr schnell sehr reich zu werden, nicht vom Bildungsstand abhängen, trug dazu bei, dass das Bildungsniveau sinkt.

In der patriarchalischen Gesellschaft des Kanun ist die Frau nicht rechtlos; die Hausfrau hat eine starke und verantwortungsvolle Position in der Familie. Die Stellung der Frau ist jedoch grundsätzlich anders als die des Mannes, der Träger der Ehre (nder) ist. In der spätfeudalen und frühkapitalistischen Ordnung bis 1944 war die Stellung der Frau untergeordnet; eine gesellschaftliche Partizipation stand ihr nur marginal zu. Im Gesellschaftsbild der Kommunisten hatte die Beseitigung der traditionellen Strukturen höchste Priorität; anders als bei den konkurrierenden Verbänden nahmen Frauen am Partisanenkampf teil. Neben der formalen Gleichberechtigung (Wahlrecht) standen Frauen in A. politische Spitzenpositionen in stärkerem Maße offen als in den meisten Ostblockstaaten (Politbüro, ZK-Sekretariat, Ministerien, Vorsitz von Massenorganisationen). Die „Kulturrevolution“ der 1960er Jahre richtete sich besonders gegen Traditionen wie vermittelte Ehen. Die Einbeziehung in die Erwerbstätigkeit und in alle gesellschaftlichen Bereiche (Wehrdienst, Arbeitsaktionen) war jedoch kaum mit einer Entlastung von den traditionellen Aufgaben in Haushalt und Kindererziehung verbunden, sondern schuf eine Mehrfachbelastung der Frauen. Das änderte sich nach 1990 insoweit, als die Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängt und aus der politischen Verantwortung vorübergehend ausgeschaltet wurden. (2001 waren 28 % der Frauen und 19 % der Männer arbeitslos.) Das Leben in vielen Familien ist durch Gewalt seitens der Männer und Väter bestimmt. Dazu kommt, dass Mädchen und junge Frauen Ziel von Menschenhändlern geworden sind. Viele NGO’s setzen sich mit internationaler Unterstützung für Verbesserungen des Lebens der Frauen ein.

Das Konsumverhalten der Albaner hat sich durch die Einbrüche in der Produktion auf ausländische Waren orientiert. Wo früher Radiogerät und Fernseher dominierten, sind in vielen Haushalten heute alle Arten der Unterhaltungselektronik und elektrische Haushaltsgeräte vorhanden, was das veraltete Stromnetz überlastet.

Als Reflex auf den Kollektivismus der Vergangenheit und auf die Familienzentriertheit besteht ein gravierender Abstand zwischen der Pflege des privaten Verfügungsbereiches der Wohnung und der Vernachlässigung des gesellschaftlichen Raums bis hin zur Natur, die weiterhin als Mülldeponie missbraucht wird.

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(Michael Schmidt-Neke)

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