Schollenbindung (Ungarn)

Schollenbindung (Ungarn)

Im Königreich Ungarn hatten abhängige Bauern im Zuge der Ansiedlung von privilegierten Kolonisten (mittelalterliche dt. Ostsiedlung) und dem Prozess der Siedlungskonzentration und Bevölkerungszunahme bis Ende des 13. Jh. die Abzugsfreiheit gewonnen. Obwohl die Könige im Spätmittelalter die Abzugsfreiheit zum wiederholten Male explizit bestätigten, gelang es dem gegenüber dem Königtum an Macht gewinnenden Adel vor allem gegen Ende des 15. Jh., das Recht des freien Abzuges sukzessive einzuschränken. Insbesondere der mittlere und niedere Adel, der weder die Zwangsmittel der Magnaten besaß, noch aufgrund seiner materiellen Lage imstande war, den Hintersassen vorteilhafte Bedingungen zu bieten, war an einer weitgehenden S. interessiert, zumal seit der Mitte des 14. Jh. das Bevölkerungswachstum ins Stocken geraten war und vielerorts Wüstungen entstanden.

Im Anschluss an den grossen Bauernaufstand von 1514 gelang es dem Adel, die ewige S. für die abhängigen Bauern gesetzlich festlegen zu lassen. Obwohl diese Bestimmungen auch Eingang in die Rechtsquelle ›Opus tripartitum iuris constuetudinarii‹ (1514/17) fanden, wurde das Abzugsverbot jedoch erst allmählich im Laufe der Zeit wirklich durchgesetzt. In den im 16. und 17. Jh. unter osmanischer Oberhoheit stehenden Landesteilen (Pannonisches Tiefland) waren die Bauern meist freizügig. Die neuen grossen Siedlungsbewegungen in die von den Osmanen zurückeroberten, stark entvölkerten Gebiete ließen am Beginn des 18. Jh. die Anzahl der de facto freizügigen Bauern z. T. auch durch Flucht ansteigen. Aufgehoben wurde die S. mit der Abschaffung der persönlichen Abhängigkeit 1785, die letzten Einschränkungen des freien Abzuges wurden 1848 beseitigt.

Revesz L. 1964: Der osteuropäische Bauer. Seine Rechtslage im 17. und 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung Ungarns. Bern.

(Daniel Ursprung)

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