Attika

Attika (neugriech. Attikī)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

A. ist eine Halbinsel zw. dem „Saronischen Golf“ und „Euböischen Meer“. Sie grenzt im Westen an Megara, im Norden an Böotien und mit der südlichen Spitze an das Kap Souneion; am südöstlichen Ende A.s befindet sich der Hafen Piräus, im Landesinneren liegt die griechische Haupstadt Athen.

Die Landschaft von A. wechselt sich zwischen Küstenland, Tälern und Bergen ab. In einer flachen Ebene ist z. B. das heutige Athen entstanden, weitere Ebenen finden sich bei Elevsina (dem antiken Eleusis), Mesogaia und Marathon. Kleinere Küstenstreifen bilden sich u. a. bei Vari oder Anavyssos, südöstlich von Athen Zwischen den Ebenen dominieren Berge die Landschaft, so etwa das Kithairōnas-Gebirge an der Grenze zu Böotien oder der Berg Parnītha weiter südlich. Athen wird von den Bergen Ymīttos (1026 m), Pentelikon (1108 m) und Aigaleō (453 m) kesselartig eingeschlossen.

2 Kulturgeschichte

Die ersten Siedlungsspuren in A. finden sich bereits im frühen Neolithikum (Siedlung von Nea Makri). Eine umfangreiche Besiedlung findet während des Endneolithikums und Chalkolithikums statt; u. a. existieren auch befestigte Höhensiedlungen (Kiapha Thiti, Vigla Rimbari, Zagani). Die Bevölkerung beschäftigte sich mit der Landwirtschaft und Viehzucht. Während der Bronzezeit, im griechischen Raum als Mittelhelladikum bezeichnet, ist in der Zeit von 2000–1600 v. Chr. eine soziale Strukturierung der Bevölkerung zu beobachten. Die ersten städtischen Zentren entstanden.

Ab mykenischer Zeit bildeten sich neben den Dörfern auch Einzelgehöfte heraus. Zahlreich sind die Funde aus den Nekropolen. Zu Beginn der mykenischen Epoche existierten noch mehrere befestigte Machtzentren, die sich allerdings bis zum Ende der Periode auf das alleinige Machtzentrum Athen reduzierten (vgl. Theseus-Sage). Der allgemeine Niedergang der mykenischen Kultur traf auch A., nur Athen – mit seiner Siedlungskontinuität auch während der sog. „Dark Ages“ – bildete hier eine Ausnahme.

Ab geometrischer Zeit lässt sich eine starke Bevölkerungszunahme anhand der zahlreichen Bestattungen ablesen. Die Siedlungsstruktur änderte sich im Vergleich zu früheren Epochen nicht grundsätzlich. Ab dem 7. Jh. (archaische Epoche) nahm die Gräberanzahl wieder ab, auch die Siedlungsbefunde sind gering.

Mit der Reform des Kleisthenēs, Ende des 6. Jh. v. Chr., wurden die attischen Gemeinden (›demoi‹) eingeführt; sie waren nach den (zehn) attischen Stämmen („Phylen“) unterteilt. Das gesamte politische Gebiet A. wurde in drei Bezirke eingeteilt: In Stadt-, Küsten- und Landbezirk. Jedem dieser Bezirke wurden zehn Gemeinden zugewiesen (sog. Trittyen; „Drittel“). Diese waren territorial fest umrissene Verwaltungseinheiten mit festgelegten Grenzen. Auch die Bürgeranzahl war eingeschränkt, weil jede Gemeinde, abhängig von ihrer Größe, durch Repräsentanten in der Volksversammlung vertreten wurde. Ihre Zahl stieg bis zum 4. Jh. v. Chr. auf 139. Allerdings kann heute die geographische Lokalisierung der einzelnen Gemeinden nicht mehr nachvollzogen werden.

Im 5. und 4. Jh. v. Chr. war A. dicht besiedelt und erreichte wirtschaftlich und kulturell seinen Höhepunkt. Außer der attischen Metropole Athen existierten Dörfer und Gehöfte sowie kleinere Städte. In A. fanden sich auch Heiligtümer mit überregionalen Bedeutung, so etwa in Elevsina oder Soureion.

Besonders ausgeprägt war der Handel, v. a. über den wichtigen Hafen von Piräus. Ab klassischer Zeit nahm auch der Bergbau zu, v. a. die Blei- und Silbervorkommen bei Laurion und der Marmorabbau vom Pentelikon-Berg wurden verstärkt gefördert.

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Trotz des landwirtschaftlichen Charakter A.s, dem Anbau von Getreide, der Produktion von Wein und Öl sowie der Haltung von Schaf und Ziege, reichten v. a. die Getreidevorräte für die Eigenversorgung nicht aus, so dass Athen zu jeder Zeit Getreide importierte.

Im Hellenismus wurde A. in die Diadochenkämpfe einbezogen. Die dauerhaften Sitze der bäuerlichen Bevölkerung, u. a. auch Turmgehöfte, nahmen zu. Anfang des 3. Jh. v. Chr. war eine allgemeine Absiedlung zu beobachten. Dieser Zustand dauerte in römischer Zeit fort, mit Ausnahme von Athen und Elevsina, die weiterhin florierten. In der Kaiserzeit nahm die Zahl von Latifundienbesitzern zu. Unter Kaiser Hadrian war ein allg. Aufschwung zu beobachten, v. a. Athen wurde begünstigt. Die Instabilität des Römischen Reiches in der zweiten Hälfte des 2. Jh. wirkte sich auch auf A. aus. Mehrere feindliche Völker zogen durch das Land (Herulereinfall 267, Westgoten 395).

In byzantinischer Zeit wurden neue geschlossene Siedlungen bzw. Einzelgehöfte an neuen Standorten gegründet. Nomadische Hirten durchquerten das Land. Mit dem Einbruch der Slawen im 6. Jh. und den Überfällen von Arabern und Piraten (12. Jh.) erfolgte der Niedergang. Nach 1204 wurde A. in Lehen eingeteilt, Athen blieb das Zentrum der Region. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Turmburgen. Ab dem 14. Jh. besiedelten albanische Bevölkerungen die Landschaft. Mit der Gründung des neuen griechischen Staates (1832) erhielt A. unter König Otto I. eine „neue“ klassizistische Hauptstadt, nachdem Athen sich während der türkischen Herrschaft zu einer Provinzstadt zurückentwickelt hatte.

Lohmann H. 1993: Atene. Forschungen zur Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur des klassischen Attika. Köln. Lohmann H. 1995: Die Chora Athens im 4. Jh. v. Chr., Eder W., Auffahrt Chr. (Hg.): Die athenische Demokratie im 4. Jh. v. Chr. Stuttgart, 515–548 (= Akten eines Symposiums. Bellagio 3.–7. August 1992). Roeske K. 2003: Attika im Spiegel antiker Zeugnisse. Frankfurt/Main. Travlos J. 1988: Bildlexikon des antiken Attika. Tübingen.

(Myrtia Hellner)

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