Pontus

Pontus (latein. P., griech. Pontos)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Als P. wird die südlich vom Schwarzen Meer gelegene antike Küstenlandschaft in der heutigen Türkei bezeichnet, die sich von der Küste bis zum Pontischen Gebirge (2000–4000 m) hinzieht.

Westlich wird P. durch den Fluss Halys (heute türk. Kızılırmak) von den Landschaften Paphlagonien und Bithynien abgegrenzt, südöstlich schloss sich ›Armenia minor‹ („Kleinarmenien“), östlich Kolchis an. Im Süden grenzte P. an Galatia („Galatien“) und Kappadokien.

Eine Konkretisierung der geographischen Grenzen erfolgte erst mit der Gründung des pontischen Königreiches im Kernland, dem Gebiet zwischen den Flüssen Halys, Iris (heut. türk. Yeşilırmak) und Lykos (heute türk. Kelkit Çayi). Während im Norden, hinter der Küste, das Pontische Gebirge, mit dichter Bewaldung dominiert, beginnt im Süden die Steppenlandschaft des anatolischen Hochlandes.

Wechselreich sind auch die klimatischen Bedingungen, sodass im regnerischen Norden Nüsse, Wein, Öl, Holz, Fisch und Eisenerze bis heute zur einheimischen Produktion gehören, während im Süden das Land v. a. als Weidegebiet genutzt wird.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Die frühesten Siedlungsfunde im P. stammen aus der Gegend um Sinop (Paläolithikum), Amasya und Ordu (Chalkolithikum) sowie aus der Gegend von Samsun (2500–1600 v. Chr.). Zu der Zeit befand sich der P. im Machtbereich der Hethiter bzw. Urartäer. Ab dem 9. Jh. v. Chr. siedelten im Gebiet skytische, thrakische, vereinzelt auch phrygische und kimmerische Volksstämme.

Während der großen griechischen Kolonisation im 8. Jh. v. Chr. wurden die Ansätze für die Entstehung bedeutender antiker Städte gesetzt (u. a. Amisos [heute türk. Samsun], Kotyōra [heute. türk. Ordu], Sinōpē, Trapezous. Im 6. Jh. wurde das gesamte Gebiet von den Persern unterworfen; im 5. Jh. stand es unter dem Einfluss der Seemacht Athen.

281 v. Chr. entstand schließlich das pontische Königreich, das bis 63 v. Chr. Bestand hatte und sich in Auseinandersetzung mit seinen Nachbarn (z. B. im sog. pontischen Krieg 182–179 v. Chr.) und dank dynastischer Verbindungen (so mit den Seleukiden), weit über die Region ausdehnte. Ab Mitte des 2 Jh. befand sich die Residenz des Reiches in Sinōpē. Unter Mithradates VI. Eupator (120–63 v. Chr.) erlangte es seine größte Ausdehnung, das sich über die Süd- und Nordküste des Schwarzen Meeres erstreckte: von Amastris (heute türk. Amasra) bis nach Diskurias und Pityus am Kaukasus [heute Georgien], über Pantikapaion und Tanais an der Maiotis (heute russ. Azov) bis ins skythische Gebiet der Krim (Kertsch, Chersonesos) und Olbia (heute Ukraine).

Nach seinem Tod fiel ein Teil des Landes unter römische Herrschaft (Provinz ›Bithynia‹), der andere Teil wurde zu römischen Klientelreichen. Unter Kaiser Augustus (27 v. Chr.–14 n. Chr.) anfangs dem Bosporanischen Reich zugewiesen, bestand unter Polemon (37–63) bis zum Regierungsantritt Neros (64) erneut ein pontisches Königreich. In der Zeit Kaiser Diokletian (284–305) wurde schließlich die „dioecesis Pontus“ eingerichtet.

In byzantinischer Zeit lebte die Bezeichnung P. in den Namen für zwei Provinzen („Helenopontos“ mit dem Zentrum Amaseia und „P. Polemoniakos“ mit dem Zentrum Neokaisarea) fort. Im 7. Jh. wurde die Diözese aufgelöst und auch die Provinzeinteilung verschwand zugunsten neuer Verwaltungsbezirke (›thema Armeniakon‹ und ›thema Opsikion‹).

Seit mittelbyzantinischer Zeit war es dann üblich, den Begriff P. auch für die südwestlichen Gebiete am Schwarzen Meer allgemein zu gebrauchen. Zwischen 1204 und 1461 bestand in den Grenzen des antiken P. das Kaiserreich von Trapezunt. Anschließend gehörte die Region zum Osmanischen Reich.

Die griechische Bevölkerung des P. blieb über die Jahrhunderte (trotz temporärer Christenverfolgungen) konstant und bildete die Mehrheit der Minderheiten (zu denen daneben Lasen, Armenier, Georgier, Juden und Kurden gehören) bis zu Beginn des 20. Jh. Die Verfolgungen und Vertreibungen 1914, 1917, 1923 im Zusammenhang mit der Staatsgründung der Türkei führten dann jedoch fast zur endgültigen Auslöschung der Pontusgriechen in dem Gebiet.

Tsetskhladze G. (Hg.) 2001: North Pontic Archeology. Recent Discoveries and Studies. Leiden. Belli O. (Hg.) 2001: Ĭstanbul University`s Constributions to Archeology in Turkey. Istanbul.

(Myrtia Hellner)

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