Ostgoten

Ostgoten (richtiger Ostrogoten, „östliche Goten“, latein. Austrogoti, Ostrogothi bzw. Greutungen, latein. Greuthungi)

Die O. übersiedelten als Teil der ostgermanischen Goten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vermutlich von Skandinavien oder Dänemark nach Mittel- und Osteuropa. Zahlreiche Grab- und Hortfunde (u. a. metallene Armbänder und -reifen, Bernsteinperlen, Goldfibeln) der sog. Wielbark-Kultur aus dem 1. Jh. v. Chr. deuten auf ihre Anwesenheit im Gebiet der Weichselmündung und eine Verschmelzung mit den Wenden, Rugiern und Gepiden hin.

Die folgende Periode (150/60–200/230) ist als Wanderungsprozess rekonstruierbar, der vermutlich durch Hungersnöte verursacht durch Überbevölkerung bzw. Verdrängung durch vandalische Stämme ausgelöst wurde. Die Wanderungen
Germanen
begannen als Beutezüge und führte zunächst in das Gebiet des heutigen Ostpolens (Hrubieszów), wie bedeutende Funde in den Gräberfeldern der sog. Masłomęcz-Gruppe belegen. Auffallend ist hier die Überzahl von Frauenbestattungen, die zu Vermutungen über die Existenz eines Amazonen-Staates Anlass gaben. Ab 238 sind Einfälle gotischer Stämme in das Römische Reich (nach Mösien, Griechenland, Thrakien und Kleinasien) belegt. Nach der Niederlage in der Schlacht von Naissus (heute Niš, Serbien) im Jahr 269 wurden die Goten zeitweilig zu Föderaten Roms; die ›Austrogothi‹ werden erstmals eigenständig erwähnt. Etwa ab Mitte des 3. Jh. bildeten sich aus den westlich bzw. östlich des Dnjestr siedelnden Goten allmählich die zwei getrennten Stammesverbände der Westgoten und O. Eine weitere Gruppe wurde auf der Krim sesshaft (Krimgoten). Unter Ermanarich erreichte die Herrschaft der O. Mitte des 4. Jh. ihre größte Ausdehnung. Das Vielvölkerreich erstreckte sich vom nördlichen Schwarzmeerraum bis zur Ostsee.

Etwa um 375 wurde es von den Hunnen unter Attila erobert. Die O. wanderten daraufhin nach Pannonien und gelangten dort nach 453 zu erneuter Selbständigkeit. Sie waren zu der Zeit christianisiert (Arianismus) und Verbündete des oströmischen Kaisers. In dessen Auftrag eroberte Theoderich aus dem ostgotischen Geschlecht der Amaler die Appeninhalbinsel. Nach der Ermordung des weströmischen Königs Odoaker gründete er um 493 ein eigenes Königreich mit Zentrum in Ravenna, das neben Dalmatien auch Teile von Pannonien, Noricum und Rätien umfasste, jedoch Byzanz unterstellt blieb.

Die Stabilität des Reiches basierte auf einer gleichgestellten, wenn auch getrennten Behandlung römischer und ostgotischer Untertanen und der Tolerierung der römischen Kirche. Von seiner blühenden Kultur zeugen zahlreiche architektonische und literarische Denkmäler, z. B. die mit prachtvollen Mosaiken ausgestattete Kirche San Apollinare in Nuovo und das Mausoleum Theoderichs in Ravenna sowie die von Jordanes um 551 verfasste Redaktion der „Gotengeschichte“ (Getica) von Cassiodorus. Nach dem Tod Theoderichs (526) begann, u. a. verursacht durch innenpolitische Unruhen der Zerfall des Reiches. Es ging schließlich um 552 nach den Niederlagen gegen die einmarschierten Byzantiner (in der Schlacht bei Busta Gallorum und Mons Lactarius in Italien) unter.

Bierbrauer V., Wolfram H. 1993: Ostgoten. LMA 6, 1530–1535. Burns T. S. 1984: A history of the Ostrogoths. Bloomington. Schätze der Ostgoten. Stuttgart 1995 (= Ausstellungskatalog). Schwarcz A. 1992: Die Goten in Pannonien und auf dem Balkan nach dem Ende des Hunnenreiches bis zum Italienzug Theoderichs des Großen. Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichte 100, 50–83. Wolfram H. 1990: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Ethnographie. München.

(Myrtia Hellner)

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