Berat (Stadt)

Berat (alban. indet., alban. det. Berati, griech. hist. Belegradōn, hist. Belgrad)

B. ist eine mittelalbanische Stadt mit 40.112 Einwohnern (2001), am Fluss Osum gelegen. Sie ist Sitz eines orthodoxen Bischofs, einer gleichnamigen Präfektur (Quarku i Beratit) mit 181.901 Einwohnern (2004) und 1027 km² sowie eines Kreises (Rrethi i Beratit) mit 128.410 Einwohner (2001) und 915 km². Im Umland von B. wird im geringen Ausmaße Baumwolle, Wein und Oliven angebaut, die Stadt selbst hat seit den 1990 Jahren die meiste Industrie verloren und versucht heute den Tourismus zu fördern.

Einerseits wird der Name B. von dem albanischen Wort ›brezar‹ (Adjektiv von ›brez‹ „Gürtel, Taille“) abgeleitet. Eine andere Etymologie führt den Ursprung des Stadtnamens vom slawischen Wort Belgrad („weiße Stadt“) ab. Beide Ableitungen geben den Charakter und die Stimmung der Stadt treffend wieder. Erste Siedlungsreste lassen sich seit dem 2. Jt. v. Chr., v. a. dann im 6./5. Jh. v. Chr., nachweisen. B. geht möglicherweise auf das antike, im 4./3. Jahrhundert v. Chr. gegründete Antipatreia zurück. Von dieser antiken Stadt, die in den illyrisch-römischen Kriegen im 3. Jh. v. Chr. eine Rolle spielte und in deren Folge von den Römern erobert wurde, sind nur noch geringe Überreste erhalten. Unter Kaiser Theodosios II. (408–50) wurde B. unter dem Namen Pulcheriopolis ausgebaut und zum Sitz eines Bischofs. Im 9. Jh. wurde die Stadt von den Bulgaren erobert, wurde jedoch 1042 wieder byzantinisch. In der Folgezeit wechselte sie mehrmals den Besitzer: 1082–85 wurde sie von den Normannen besetzt, danach erneut von Byzanz erobert. Seit 1205 gehörte B. zum Despotat Epirus und wurde 1259 zusammen mit Durazzo (heute Durrës) und Valona (heute Vlora) vom Despoten Michaēl II. Doukas Komnenos als Mitgabe für seine Tochter Helena dem König Manfred von Sizilien überlassen. 1272 wurde B. Teil des ›Regnum Albaniae‹ Karl von Anjous und 1342 des serbischen Königreiches. Nach dem Ende der kurzen serbischen Herrschaft war B. im Besitz der Adelsfamilie der Muzaki und wurde 1417 schließlich osmanisch. Als die Osmanen 1431 die von ihnen beherrschten albanischen Gebiete zu einem eigenen Verwaltungsbezirk, dem „Albanischen Sandschak“ (Sancak-i Arvanid, später auch Sancak-i Arnaut genannt), zusammenfassten, wurde B. Zentrum eines des 10 Unterbezirke (Vilajet) des Sandschaks, dessen Zentrum Gjirokastra bildete. Georg Kastriota (alban. Skëndërbeu, dt. Skanderbeg) versuchte während seines 25 Jahre währenden Abwehrkampfes 1455 vergeblich, B. zu erobern.

Eine weitere Blüte erlebte B. im 18. und 19. Jh., als zahlreiche Kirchen, Moscheen und Privathäuser gebaut wurden, die teilweise bis heute erhalten sind, jedoch auch zum großen Teil durch ein Erdbeben 1851 zerstört wurden. Danach wurden zahlreiche Bauten errichtet, die das heutige Stadtbild prägen. Seit dem 18. Jh. entwickelte sich B. aufgrund der günstigen Verkehrslage und des landwirtschaftlich ergiebigen Umlandes zu einem blühenden wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum im Bereich des Handels und des Handwerks. Die Zünfte erhielten vom Sultan Privilegien, ebenso besaß B. bereits seit der osmanischen Eroberung Religions- und Steuerfreiheit. Die Christen durften weiterhin in der befestigten Stadt wohnen, die Osmanen siedelten dagegen im Südosten außerhalb der Stadt am Hang (Stadtteil Mangalem) und in der Ebene. Auch heute sieht man die für B. so typischen Hausformen aus der Zeit des osmanischen Städtebaus aus der 2. Hälfte des 18. Jh., vorwiegend jedoch aus dem 19. Jh.: Eng beieinander liegende, weiß verputzte, mehr-, meist zweigeschossige Wohnhäuser, im Obergeschoß jeweils mit typischen vorstehenden Erkern. In vielen Fällen wurden die nach oben führenden Treppen außen angelegt.

Aufgrund dieser für B. so charakteristischen Bauweise wird die Stadt oft als „Stadt der tausend Fenster“ genannt. Ebenso entwickelte sich B. im 18. Jh. zum kulturellen Zentrum: Ein bedeutender Schriftsteller der albanischen ›Aljamiado‹ (ursprünglich für spanische und portugiesische Literatur in arabischer Schrift) -Literatur der ›Bejtexhinj‹ war Nezim Frakulla, bekannt auch unter dem Namen Nezim Berati und Ibrahim Nezimi (* ca. 1680 † 1760), der lange Zeit in B. lebte, sowie dessen Zeitgenosse Sulejman Naibi, bekannt auch unter dem Namen Sulejman Ramazani, der dem Bektaschi-Orden angehörte und in B. geboren wurde († 1772). Ende des 18. Jh., als sich die politische und militärische Schwäche im Osmanischen Reich bemerkbar machte und Provinzmachthaber verstärkt nach Selbständigkeit von der Pforte drängten, herrschte Pascha Ahmet Kurti in B., dessen Hauptrivale die Familie der Bushatlliu im Norden um Shkodra, teilweise auch Mittelalbanien, war. In der Folgezeit bemächtigte sich jedoch der aus Tepelenë in Südalbanien stammende Ali Pascha der Stadt, der 1811 auf dem Höhepunkt seiner Macht stehend das gesamte heutige Südalbanien und Teile des heutigen Nordgriechenlands eroberte. Das Gebiet um B. blieb lange Zeit Zentrum erbitterter Widerstände gegen die Willkürherrschaft der albanischen Beys.

B. spielte auch in kommunistischer Zeit eine bedeutende Rolle: Am 28.11.1944 wurde hier die erste kommunistische Regierung unter Enver Hoxha gebildet. In der Hoxha-Zeit wurde B. wie Gjirokastra zur Museumsstadt erklärt. Das bedeutete, dass ihr architektonisch alter Teil erhalten bleiben sollte und alte Gebäude, Kirchen und Moscheen als Museen eingerichtet und entsprechend gepflegt wurden. Heute steht die gesamte Altstadt unter Denkmalschutz.

Patsch C. 1904: Das Sandschak Berat in Albanien. Wien. Nachdruck Nendeln 1976. Strazimiri G., Veseli R., Paleka F. (Red.) 1987: Berati. Qytet-muze. A Museum City. Museumsstadt. Tirana. Baçe A., Meksi A., Riza, E.: Berat, son histoire et son architecture. Tirana 1996. Duka F. 2001: Berati në kohën osmane (shek. XVI–XVIII). Tirana.

(Eva Anne Frantz)


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