Böhmerwald

Böhmerwald (tschech. Šumava)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Als B. wird das 250 km lange Grenzgebirge zwischen Bundesrepublik Deutschland, Österreich und der Republik Tschechien bezeichnet. Dieser einheitlich gestaltete Naturraum besteht aus Landschaften, die Teile der Böhmischen Masse sind, und zu den ältesten Gebirgszügen Europas gehören. Im Tschechischen werden zwei Teile unterschieden: Český les (dt. Oberpfälzer Wald) und Šumava (dt. Hinterer Bayrischer Wald).

Die Formung der Gebirgslandschaft Bayerischer Wald-B. setzte während der alpinen Gebirgsfaltung im Tertiär ein. Der B. besteht vorwiegend aus paläozoischen Gesteinsarten, wie Graniten, Gneisen und Glimmerschiefern und fällt an der österreichischen bzw. deutschen Seite eher schräg ab, in das tschechische Binnenland weniger steil. Die Durchschnittshöhe beträgt etwa 800–1000 m. ü. d. M. Die höchsten Berge sind Großer Arber (1457 m ü. d. M.), Große Rachel und im tschechischen Teil Plöckenstein (tschech. Plechý, 1378 m ü. d. M.), Trojmezná (1361 m ü. d. M.) und Boubín (1362 m ü. d. M.).

Der B. bildet die europäische Wasserscheide zwischen der Nordsee und dem Schwarzen Meer. Zu den wichtigsten Flüssen der Region gehören: Moldau (tschech. Vltava), Otava und Úhlava. An der Moldau wurde der größte Stausee der tschechischen Republik gebaut: Lipno (4870 ha) und Lipno II (45 ha). Der Fluss Otava, mit den wichtigsten Zuflüssen Volyňka und Blanice, die einen der bedeutendsten Fundorte von Süßwasser-Perlenmuschel weltweit darstellen, entwässert den westlichen Teil des B.

Die Gletscherseen des B. sind in der Tschechischen Republik einzigartig. Sie befinden sich in einer Höhe von ca. 1000 m ü. d. M. Zu den größten zählen: Černé jezero (dt. Schwarzer See, 18,4 ha), Čertovo jezero (dt. Teufelsee, 10,34 ha) und Plešné jezero (dt. Plöckensteinsee, 7,48 ha). Daneben gibt es mehrere kleinere und größere Moorseen, wie Chalupská slať (dt. Großer Königsfilz, 1,3 ha, = größter Moorsee der Tschechischen Republik). Auf Grund der Größe und der unterschiedlichen Höhenlagen findet sich im B. ein gemäßigtes feuchtes Klima (so im Tal der Moldau), das in den höheren Regionen kühler ausfällt. Die jährliche Niederschlagsmenge (besonders reichlich Schnee) liegt bei 800–1600 mm. Die Durchschnittstemperatur bewegt sich zwischen 6,5–3,5 °C. Die durchschnittliche Juli-Temperatur schwankt zwischen 12 und 15 °C. Im Winter gibt es oft starken Frost.

Der vorwiegende Vegetationstyp ist Waldflora. Im B. sind stellenweise noch urwaldartige Wälder zu finden (bei Boubín, Stožec). Verbreitet sind daneben großflächige Hochmoore, Fichtenwälder (ab 1200 m) und Hochgebirgspflanzen, wie der Böhmische Enzian (tschech. hořec šumavský). Im B. leben die typischen mitteleuropäischen Waldtierarten. Ausgestorben sind u. a. Braunbär, Wolf, Wildkatze, Biber. 1982–89 wurde der Luchs erfolgreich wiederausgesetzt. Die urwaldartigen Regionen bieten dem seltenen Weißrückenspecht und dem Schwarzstorch Lebensraum. Die Torfmoore sind in die sog. Ramsar Konvention – eine Liste der international bedeutendsten Feuchtbiotope – eingetragen. 1963 wurde auf einer Fläche von 1630 km² ein Schutzgebiet B. errichtet. Dessen wichtigste Teile wurden 1991 zum Nationalpark Šumava (690,3 km²) umgewandelt. Er ist der größte Nationalpark der Tschechischen Republik und stellt gemeinsam mit dem Nationalpark Bayerischer Wald das größte Schutzgebiet Mitteleuropas dar. Als Biosphärenreservat der UNESCO anerkannt, nennt man es auch „Grünes Dach Europas“. 13 % der Fläche des Nationalparks (v. a. Urwälder, Gletscherseen, Moore) stehen unter strengem Schutz (Zone I). Zu den wertvollsten Naturdenkmälern gehören der Urwald von Boubín, das Tříjezerní slať (dt. Dreiseen Moor), das Tal des Flusses Vydra u. a.

Zu den wichtigsten Bodenschätzen gehören: Torf, Graphit (in Hůrka), Ton (Lehm in Borovany), Nickel und Kobalt (im B.-Vorland), Feldspat und Baustein (Granit bei Černá v Pošumaví, Kalk in Sušice), Zink und Blei in Stříbro, wo früher auch Silber abgebaut wurde.

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2 Kulturgeschichte

Ab dem 5 Jh. v. Ch. ließen sich Kelten auf dem Gebiet des B. nieder. Davon zeugen zahlreiche Burgstätten (z. B. Putkov) und archäologische Funde, die auch den Goldbergbau belegen (älteste Goldgrube Tschechiens in der Umgebung von Sušice). Zu Beginn unserer Zeitrechnung ging die keltische Kultur wahrscheinlich unter. Nachfolgend war dieses Gebiet nur dünn und sporadisch besiedelt. Zwischen 6. und 10. Jh. ließen sich dann slawische Stämme nieder. Um das Jahr 1000 ist der B. ein Teil des sich neu formierenden böhmischen Reiches. Die Kolonisierung dieses Gebietes übernahmen zahlreiche Klöster, welche v. a. im 12. und 13. Jh. neue Siedlungen gründeten. Deutsche Bauern, Handwerker und Bergmänner wurden in den waldreichen B. geholt. Schmale, schwer begehbare Pfade (Steige) führten seit der Urzeit durch die Region und dienten für den Fernverkehr und -handel zwischen Böhmen und den Alpenländern. Zu den ältesten gehört der sog. Taussteg (tschech. Domažlická stezka). Der bedeutendste war der sog. Goldene Steig (tschech. Zlatá stezka) von Passau nach Prachatitz und seine Nebenstege. Entlang dieser Wege wurden erste Städte gegründet: z. B. Vimperk (dt. Winterberg), Prachatice (dt. Prachatitz), Frymburk (dt. Frymburg) u. a. V. a. im 16. Jh. blühten Handel und Gewerbe und der Gold- und Silberabbau war auf dem Höhepunkt. Zwischen dem 16. und 18. Jh. siedelten sich in höher gelegenen Gebiete sog. Králováci (bayrische königliche Bauern) an, die eine Reihe an Privilegien erhielten.

Im 18. Jh. setzte eine neue Siedlungswelle ein, die mit der Entstehung von Glashütten und Papiermühlen verbunden war. Im 19. Jh. schließlich wurden zahlreiche Textil-, Holzverarbeitungs- und Papierfabriken gegründet. Die Urwaldflächen nahmen ab, Weiden und Wiesen entstanden ebenso wie neue Holzfällersiedlungen. Bis zum Zweiten Weltkrieg blieben Textil-, Glas-, Holz- und Papierverarbeitungsindustrie die wichtigsten Industriezweige der Region. Die Grenzlage und die systematische Aussiedlung aus diesem Gebiet nach dem Krieg ließen den B. verarmen.

Die sog. sanfte Revolution brachte nach über 40 Jahren der Region, die heute zu den wichtigsten touristischen Regionen der Tschechischen Republik gehört, wieder Aufschwung. Rationalisierungsmaßnahmen führten aber zu zahlreichen Schließungen ehemaliger Staatsbetriebe (v. a. der Textilindustrie). Im landwirtschaftlichen Bereich zerfielen die früheren staatlichen und genossenschaftlichen Betriebe. Derzeit werden in Klein- bis Mittelbetrieben v. a. Kartoffel, Getreide und teilweise Raps angebaut. In der Region B. leben gegenwärtig ca. 220.000 Menschen (2003), neben Tschechen v. a. Slowaken, Deutsche und Roma.

Der B. hat eine reiche Sagentradition hervorgebracht und vielfachen Niederschlag in der Literatur gefunden. Am eindrucksvollsten setzte ihm Adalbert Stifter ein dichterisches Denkmal. Zu den wichtigsten volkstümlichen Veranstaltungen der Region gehören das Rosenfest in Krumau (Český Krumlov, 18./ 19. Juni)), das Salz-Fest in Prachatice (25./ 26. Juni) und das Jan-Hus-Fest in Husinec (5./ 6. Juli).

Balák I., Rubín J. (Hg.) 2003: Národní parky a chráněné krajinné oblasti. Praha. David O., Soukup V. 2001–2002: Průvodce po Čechách, Moravě a Slezsku. Šumava. Praha. Stallhofer B. 2000: Grenzenloser Böhmerwald? Landschaftsnamen, Regionen und regionale Identitäten. Bayerischer Wald, Oberpfälzer Wald, Šumava, Česky les und Mühlviertel im empirischen Vergleich. Regensburg. http://www.npsumava.cz/klasik/german/NPn3.html [Stand 22.3.2003].

(Ludmila Waschak)

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