Korfu (Insel)
Korfu (altgriech. Korkyra, alt- und neugriech. Kerkyra)
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1 Geographie
K. ist die nördlichste und gleichzeitig die westlichste der griechischen Inseln. Mit einer Länge von 60 km, einer maximalen Breite von 28 km, einer Küstenlinie von 217 km und einer Fläche von 592 km² ist K. die zweitgrößte Insel der Ionischen Inseln. Auf die Einwohnerzahl bezogen nimmt sie sogar die erste Stelle ein. Ein großer Teil der 113.000 Inselbewohner lebt in der Hauptstadt (34.000 bzw. nach einer Schätzung für 2006 45.000). K. ist durch eine Meeresstraße vom Festland (Albanien und Epirus) getrennt. Sie wird als „Korfiotisches Binnenmeer“ (griech. Stena Kerkyras) bezeichnet und ist an ihrer engsten Stelle zwei km breit. Das gegenüberliegende Igoumenitsa liegt lediglich 18 Seemeilen, Patras hingegen 132 Seemeilen entfernt. Die aus Kalk- und Flyschgebirgen aufgebauten Kerne K.s sind von Hügelland aus jungtertiären Sedimenten umgeben. Im Kontrast hierzu stehen die stark verkarsteten Nord- und Nordwestküsten mit ihren schroffen Kliffen (z. B. die spektakuläre Sidari-Bucht). Mit 906 m ü d. M. ist der Pantokratōr mit seinem kahlen Doppelgipfel der höchste Berg K.s. Im Süden erreicht die Insel nur geringe Höhen (bis 576 m), es herrscht ein Konglomerat-Hügelland vor, das im Westen von einer Lagunenküste und ausgedehnten Sanddünen bei Agios Matthaios abgelöst wird.
K. besitzt ein mildes Klima, seine Temperaturamplitude zwischen Winter und Sommer sowie zwischen Tag und Nacht ist wesentlich geringer als auf den Inseln des Ägäischen Meeres. Die hohen Niederschläge (auf K. fallen durchschnittlich 1239, in Athen 395 mm) begünstigen die Vegetation, die auch in regenarmen Sommermonaten nicht verdorrt. K. erfreut sich einer reichen mediterranen Vegetation mit subtropischen und mitteleuropäischen Pflanzenarten. Große Teile der Insel sind mit Olivenhainen, Zypressen und Pinienwäldern bedeckt. Der gute Zustand der Wälder ist nicht zuletzt damit zu erklären, dass sich auf den Ionischen Inseln der Großteil des Forstbestandes in Privatbesitz befindet.
Entlang der reich gegliederten Küste liegen Kiefernhaine, Zitrusanpflanzungen und zahlreiche Gärten, in denen oft Villen stehen. Die bekannteste von ihnen ist der Achilleion-Palast, den die österreichische Kaiserin Elisabeth 1890−92 erbauen ließ und der nach dem Lieblingshelden der Kaiserin benannt wurde. Die Bevölkerung der Insel ist ganz überwiegend griechisch-orthodox. Daneben existiert eine kleine Minderheit alteingesessener Katholiken (ca. 3800), die vom 1310 begründeten Erzbistum (latein. Corcyrensis, ›Katholikē Archiepiskopē Kerkyras‹) betreut werden. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es eine jüdische Gemeinde. Seit den 1970er Jahren haben sich Mitteleuropäer auf der Insel niedergelassen, die jedoch in der Regel nicht das ganze Jahr auf der Insel verbringen. K. ist durch kontinuierliche Bevölkerungsabnahme gekennzeichnet, die seit 1940 überwiegend durch Abwanderung nach Athen begründet ist. Seit den 1990er Jahren ist eine starke Arbeitsemigration durch albanische Zuwanderer zu verzeichnen.
2 Kulturgeschichte
K. gilt als das homerische ›Scheria‹, auf der Odysseus vor seiner endgültigen Heimkehr nach Ithaka strandete. Siedlungsspuren verweisen auf bäuerliche Völkerschaften, die offenbar aus Italien eingewandert waren. Nachdem K. 734 v. Chr. von Korinth kolonisiert wurde, entwickelte es sich zu einer Macht, die der Mutterstadt gefährlich wurde. Der Kampf K. mit Korinth um die gemeinsame Kolonie Epidamnos (seit 435) und der Seesieg der Korinther über die Korkyräer (432 v. Chr.) trugen zum Ausbruch des Peloponnesischen Krieges bei. Nachdem K. in den Besitz des Römischen Reiches gekommen war (229 v. Chr.), kam es bei der Trennung in Ost- und Westrom (395) zu Byzanz und wurde Teil der römischen Provinz ›Macedonia‹. Nach der Zugehörigkeit zu den Provinzen Achaia und Epirus kam es in byzantinischer Zeit schließlich zum ›Thema Kephallēnia‹. 1204 wurde K. im Zuge des Vierten Kreuzzuges von den Genuesen besetzt, bald darauf (1207) nahm Venedig die Insel in Besitz. In den folgenden Jahrzehnten wechselten die Besitzer mehrfach, ehe von 1272 bis 1386 die Grafen von Anjou über K. herrschten. Da diese sich freiwillig unter Venedig stellten, entging die Insel der osmanischen Herrschaft, obwohl 1537 Osmanen einfielen und die Insel plünderten.
K. blieb bis nach den Napoleonischen Kriegen (1797) bei Frankreich und ging wenig später (1799) an Russland, das die „Republik der Sieben Vereinigten Inseln“ schuf. Die heute noch verbreitete griechische Bezeichnung der Inselgruppe Eptanīsa („Siebeninseln“), die auch Kythīra mit einschloss, geht auf diese Zeit zurück. 1807 von Frankreich, 1809/10 von den Briten erobert, wurden sie auf dem Wiener Kongress 1815 als „Vereinigter Staat der Sieben Ionischen Inseln“ unter britischem Protektorat selbständig. 1864 trat Großbritannien sie an Griechenland ab. Im 20. Jh. folgten die französische Einnahme (1917) sowie die Besatzungen der Italiener (1941−43) und Deutschen (1943−44).
Innerhalb des Ionisch-Adriatischen Seeraums nimmt K. eine strategisch günstige Position ein. Es ist ein wichtiger Flottenstützpunkt auf den Wegen zwischen Italien und Griechenland und verfügt über eine gute Reede. K. ist bei Touristen aus Italien, Deutschland, Österreich und neuerdings auch aus Tschechien und Polen sehr beliebt. Neben ausgedehnten Stränden locken attraktive Freizeitangebote (Yachthäfen, Golfplätze). Von allen westgriechischen Inseln profitiert sie am meisten vom Tourismus, da sie mit einem guten künstlich angelegten Hafen und regelmäßigen internationalen Flugverbindungen ausgestattet ist. K. ist mit Fähren von Italien (Bari, Brindisi, Ancona, Otranto), Kroatien (Bar, Dubrovnik, Split) sowie Albanien (Sarandë) leicht zu erreichen. Da die albanischen Küstenstädte durch zur Zeit des Eisernen Vorhangs völlig isoliert waren, hat K. erst in den letzten Jahren Beziehungen zum nahen Nachbarland aufbauen können. Landwirtschaft spielt neben Tourismus wirtschaftlich die wichtigste Rolle. Über die Hälfte der Inselfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Das Landschaftsbild wird durch Anbau von Zitrusfrüchten, Oliven, Wein und Gemüse geprägt. Industrie ist praktisch nicht vorhanden.
Aus griechischer Perspektive liegt K. zwar im wirtschaftlichen Abseits, doch aufgrund des Tourismus ist es heute eine entwickelte Insel mit relativ hohem Lebensstandard. Da der Tourismus saisonal gebunden ist, bleiben Kennzeichen regionaler Unterentwicklung nicht aus, besonders die rückgängige Bevölkerungsentwicklung. Aufgrund seiner Peripherlage trug K. im Laufe der Geschichte nur selten zur gesamtgriechischen Kulturentwicklung bei. Nicht einmal während der venezianischen Herrschaft wurde es gefördert, da Venedig die Insel als militärischen Stützpunkt nutzte und ausbeutete. Das weit verzweigte Straßennetz ist überwiegend in der britischen Zeit angelegt worden.
Abend B. 2005: Korfu, Ionische Inseln. Baedeker Allianz-Reiseführer. Ostfildern. Borkowsky O. 1994: Übersicht der Flora von Korfu. Floristic investigations of Corfu, Ionian Islands, Greece. Braunschweig 1994. Gallas Kl. 1989: Korfu. Das antike Kerkyra im Ionischen Meer. Geschichte, Kultur, Landschaft. Köln. Klimis K. 1995: Illustrierte Geschichte Korfus. Kerkyra. Naval Intelligence Division (Hg.) 1945: Geographical Handbook Series. Greece. Bd. 3: Regional Geography. Philippson A. 1958: Die griechischen Landschaften. Bd. 2: Der Nordwesten der griechischen Halbinsel. Teil 2. Das westliche Mittelgriechenland und die westgriechischen Inseln. Frankfurt a. M.