Vicebsk (Stadt)

Vicebsk (weißruss., litau. hist. Vicebskas, poln. hist. Witebsk, russ. Vitebsk)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Stadt V. liegt im Nordosten der Republik Weißrussland zwischen den drei Flüssen Zapadnaja Dvina, Vitba und Lučësa. V. ist die Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsgebietes, die Einwohnerzahl V.s beträgt 342.381 Personen (2004), das Stadtgebiet umfasst 68 km².

V. ist die Heimatstadt des Malers Marc Chagall, der das jüdische Leben der Stadt in seinen Gemälden verewigt hat. Heute ist V. eine Industriestadt, und nur einige wenige verbliebene Gebäude erinnern an den vormaligen Glanz der zweiten Metropole des litauischen Großfürstentums.

In der Sowjetzeit entwickelte sich V. zu einer Industriestadt: Maschinenbau, Baumaterial, Nahrungsmittel und Elektrogeräte sind noch heute die Hauptzweige.

Auch im kulturellen Bereich ist die Stadt von Bedeutung, so ist das Akademietheater eine der ältesten Bühnen Weißrusslands, es existieren ein Chagall- und ein Kunstmuseum und jährlich findet in V. das Musikfestival „Slawischer Basar“ statt.

Anfang

2 Kulturgeschichte

V. zählt zu den ältesten Siedlungen Europas und wurde 974 von der Prinzessin Olʹga von Kiew nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die baltischen Stämme gegründet. Historische Chroniken verzeichnen die Stadt erstmals 1021. Demzufolge wurde die Stadt an einer alten Straße gegründet, die von den Warägern im Norden bis zu den Griechen im Süden führte. Schon in frühen Zeiten wurde die Stadt als „kriegerisch“ beschrieben, und nicht zufällig zeigte das alte Stadtwappen einen Reiter mit Speer und Schild.

V. war eine bedeutende Festung und ein bedeutendes Handelszentrum an der nordöstlichen Grenze des Fürstentums V. war eine bedeutende Festung und ein bedeutendes Handelszentrum an der nordöstlichen Grenze des Fürstentums Polack und später des litauischen Großfürstentums. 1320 wurde die Stadt letzterem einverleibt, wobei seine Bürger Privilegien in Handel und Politik – v. a. kommerzielle Begünstigungen und lokale Selbstverwaltung – erringen konnten. 1597 erhielt V. das Magdeburger Stadtrecht.

Die Annalen erwähnen 1410 die Beteiligung bewaffneter V.er Bürger in der Schlacht von Tannenberg, in der die vereinten Armeen Polens und Litauens die Deutschordensritter schlugen.

Kriege zwischen dem Moskauer Fürstentum und dem litauischen Großfürstentum zerstörten die Stadt im 16. und 17. Jahrhundert mehrfach, ebenso der Nordische Krieg im 18. Jh., aus dem Russland als neue nordische Macht gegen Schweden siegreich hervorging. Im Zuge der ersten polnischen Teilung 1772 fiel die Woiwodschaft V., zuvor Teil des polnisch-litauischen Doppelstaates, an Russland. Während der Napoleonischen Kriege in Russland (1812) schlugen sich Adelsvertreter der Stadt auf die französische Seite, in der Hoffnung, die lokale Selbstverwaltung wiederherstellen zu können. Die Bauern dagegen kämpften mit der russischen Armee, sodass die Stadt innerlich zerrissen aus dem Krieg hervorging und scharfe Repressalien gegen die lokale Oberschicht auf den Krieg folgten. Infolge eines Aufstandes 1830–31 verordnete der Zar die Abschaffung der alten weißrussischen Verfassung, des berühmten Statuts des litauischen Großfürstentums von 1588, und verschärfte die Russifizierung.

Der Zweite Weltkrieg führte zu verheerenden Verwüstungen der Stadt, die an jene in Königsberg erinnern: nach der deutschen Besetzung (seit 1941) erobert die Rote Armee die schwer zerstörte Stadt am 26.06.1941 zurück. Von den 170.000 V.er Bürgern überlebten nur 118 den Krieg. Erst gegen Ende der 60er Jahre erreichte die Stadt wieder das Vorkriegsniveau hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl, wobei allerdings massive russische Einwanderung die vorherige weißrussische und jüdische Bevölkerung fast vollständig ersetzt hatte. An historischen Bauwerken sind heute noch die gegen Ende der 60er Jahre erreichte die Stadt wieder das Vorkriegsniveau hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl, wobei allerdings massive russische Einwanderung die vorherige weißrussische und jüdische Bevölkerung fast vollständig ersetzt hatte. An historischen Bauwerken sind heute noch die Blagovešenskaja-Kirche aus dem 13. Jh., das Rathaus (1775), der Gouverneurspalast (1772), die St.-Barbara-Kirche (1785, wiedererrichtet am Ende des 19. Jh.), die Sankt-Michaelis-Kirche (18. Jh.), Teile des kath. Basilius-und-Bernardin-Klosters (18. Jh.) sowie einige Gebäude in der Altstadt erhalten. Vor dem Gouverneurspalast wurde 1912 in Erinnerung an den 100 Jahre zuvor errungenen Sieg über Napoleon ein Denkmal errichtet.

Von den alten Festungen aus dem 13. und 14. Jh. ist nur noch wenig erhalten.

(Susanne Nies)

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