Travnik

Travnik (bosn.); Stadt im Kanton Mittelbosnien, ca. 500 m. ü. d. M. im schmalen Tal des Flusses Lašva zwischen den Gebirgen Vlašić (höchste Erhebung Opaljenik 1933 m) im Norden und Komar (1510 m) im Süden gelegen. Unterteilt in Alt- und Neustadt (Stari i Novi T.), insgesamt ca. 15.000 Einwohner (2004), davon 90,5 % Bosniaken, 8 % bosnische Kroaten, 0, 9 % bosnische Serben und 0,5 % andere. Die Durchschnittstemperatur im Januar beträgt –0,5 °C und erreicht im Juli 18,2 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge liegt bei etwa 900 mm.

Funde bei Nebo im Tal der Bila und Crkvina bei Turbe legen eine Besiedlung seit dem jüngeren Neolithikum nahe. Zur Zeit des Römischen Reiches wurde aus dem Fluss Lašva Gold gewonnen. Das Gebiet T.s zählte im Mittelalter zur Župa Lašva , die der ungarische König Béla IV. 1244 gründete. Aus dieser Periode stammen mehrere hundert Bogumilengräber (bosn. Stećci), die in der Umgebung der Stadt zu finden sind.

Die 1503 erstmals urkundlich erwähnte Burgfestung T. geht wahrscheinlich auf eine von fünf bereits im 15. Jh. errichteten Wehranlagen zurück. Die Stadt wurde namentlich erstmals 1464 nach der osmanischen Eroberung des mittelalterlichen Bosniens in Urkunden des Sultans Meḥmed II. erwähnt. Zur osmanischen Zeit wurde T. zum wichtigsten Handelsposten zwischen Dubrovnik und Belgrad. Zwischen dem 16. und 17. Jh. entstand unterhalb der Festung, unweit der heutigen Süleyman Moschee (bosn. Sulejmanija džamija), die Altstadt T.s. Unter dem Druck der Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen verlegte der bosnische Wesir Defterdar Halil-paša 1699 seinen Amtssitz von Sarajevo nach T., das daher auch als „Wesirstadt“ bezeichnet wurde. Das Stadtbild erfuhr in dieser Zeit eine stark orientalische Prägung. Neben einem Bewässerungssystem entstanden Moscheen, Medressen und türkische Bäder. 1706 eröffnete Elči Ibrahim-paša mit einer Sammlung von 120 Handschriften die erste städtische Bibliothek T. 1870 eröffnete in T. das serbisch-orthodoxe Gymnasium und 1884 die erste Mädchenschule. Weite Teile der Altstadt fielen jedoch 1903 einem Großfeuer zum Opfer.

Mit Beginn des 19. Jh. stand T. im Spannungsfeld der europäischen Großmachtpolitik auf dem Balkan. 1806 eröffneten Frankreich (bis 1814), danach 1807 Österreich (bis 1820) Konsulate in T. Die Rückverlegung des Wesirsitzes nach Sarajevo 1850 ließ das Wachstum der Stadt kurzzeitig stagnieren. Die Okkupation 1878 und 1908 die Annexion Bosnien und Herzegowinas durch Österreich-Ungarn begünstigte dann jedoch eine rasche Modernisierung und Industrialisierung. Für die Stadt wurden v. a. die neu errichteten öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Krankenhäuser, Kasernen und die Wasserleitung) bedeutend. 1893 begann die Tabakverarbeitung, 1901 die Streichholzproduktion. Seit 1906 versorgte ein Wasserkraftwerk die Stadt mit Elektroenergie. T. wurde an das entstehende Eisenbahnnetz Bosnien und Herzegowinas angeschlossen, 1925 ging die erste Rundfunkanstalt der Stadt auf Sendung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann 1949 der Bau Pucarevos (heute Novi T.), rund 14 km von T. entfernt. In der Folge konnten die bereits bestehenden Produktionszweige und die Textil- und Lederindustrie ausgebaut werden.

Während des Bosnienkrieges 1992–95 war die Umgebung T.s Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen bosnischen Muslimen und bosnischen Kroaten. 1994 diente die Stadt als Sitz des 7. Korps der Streitkräfte Bosnien und Herzegowinas. Seit Dezember 1995 gehört T. nach dem Dayton-Abkommen zur Föderation Bosnien und Herzegowina und ist die Hauptstadt von Zentralbosnien. 1998 bekam T. den UN-Status einer Offenen Stadt, in der alle Volksgruppen zusammen leben sollen.

T. beherbergt nach wie vor zahlreiche Baudenkmäler hauptsächlich orientalischen Charakters. Das Innere der Süleyman Moschee ist reich mit Holzschnitzereien verziert, die Wände mit Bildschmuck versehen. In der Stadtmitte befinden sich Grabdenkmäler bosnischer Gouverneure und Wesire, deren Sarkophage Höhepunkte der islamischen Bildhauerkunst des 18. Jh. darstellen. Mehrere erhalten gebliebene muslimische Wohnhäuser geben ein Bild der ehemaligen Wohnarchitektur der Stadt. T. ist der Geburtsort Ivo Andrićs, des Nobelpreisträgers von 1961, dessen Geburtshaus seit 1975 ein Museum beherbergt.

(Robert Mießner)


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