Klaipeda

Klaipeda (litau. Klaipėda, dt. [hist.] Memel); am Kurischen Haff gelegene Hafenstadt an der Ostsee, heute Republik Litauen, 1,8–10 m ü. d. M., 188.775 Einwohner (2005).

Im Jahre 1252 errichtete der livländische Zweig des Deutschen Ordens eine Palisadenfestung (latein. Memele castrum) am Ausgang des Kurischen Haffs, um eine sichere Verbindung zur Ordensprovinz Preußen zu haben. Die ins Haff fließende Memel verlieh auch der Festung ihren Namen. Wahrscheinlich aber gab es früher bereits Siedlungen an diesem Platz. Die litauische Bezeichnung der Stadt wird erstmals 1411 schriftlich erwähnt – die Herleitung des Wortes K. ist nicht gesichert. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Burgsiedlung, die 1254 Hansestadt wurde und um 1257 das Lübische Recht erhalten hatte, mehrmals erobert und zerstört, da das Gebiet wiederholt Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und dem Großfürstentum Litauen war. Erst im Frieden vom Melnosee 1422 fielen K. und das umliegende Gebiet endgültig an die Ordensprovinz Preußen; 1475 erhielt K. das Kulmer Stadtrecht.

Nach dem Ende der Ordenszeit 1525 gehörte K. zunächst zum protestantischen Herzogtum Preußen und später zur Provinz Ostpreußen des Königreiches Preußen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt wurde lange Zeit durch die übermächtige Konkurrenz von Königsberg sowie Feuersbrünste, Seuchen und verschiedene militärische Besetzungen (im Dreißigjährigen Krieg, den Nordischen Kriegen und dem Siebenjährigen Krieg) gehemmt. Erst 1657 erhielt K. durch den Großen Kurfürsten das Privileg des freien Handels. Während der Napoleonischen Kriege war K. 1807/08 kurzzeitig Zufluchtsort für das preußische Königspaar. Das 19. Jh. bescherte der Stadt schließlich ein, wenn auch bescheidenes Wachstum.

Die Industrialisierung ging zwar weitestgehend an K. vorbei, so beschränkte sich der Aufschwung auf den Holzhandel, Fischverarbeitungsbetriebe und einige kleinere Werften, doch stieg die Bevölkerung zwischen 1809 und 1900 v. a. durch Eingemeindungen, steigende Geburtenzahlen und eine höhere Lebenserwartung von rund 6000 auf ca. 20.000 Einwohner an. 1854 zerstörte ein verheerender Brand einen Großteil der Stadt. Mit dem Wiederaufbau entstand auch das Theater, das sich in der ersten Hälfte des 19. Jh. zu einem kulturellen Mittelpunkt der Region entwickelte. Zentrum der Altstadt ist der Theaterplatz, auf dem ein Brunnen an den in K. geborenen Simon Dach und dessen als „Ännchen von Tharau“ berühmt gewordenes Hochzeitsgedicht erinnert.

Geschichtliche Bedeutung erlangte K. während der Zwischenkriegszeit, als die Stadt und das umliegende Gebiet zum politischen Zankapfel zwischen der Republik Litauen und dem Deutschen Reich wurden. 1924 wurde K. schließlich zur „Hauptstadt“ des Memelgebietes; hier tagte das frei gewählte Parlament, der Memelländische Landtag. 1939 fiel das Memelgebiet an das Deutsche Reich. Im Zweiten Weltkrieg war die Region Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion. Bis zum Oktober 1944 als der Roten Armee ein erster Durchbruch ins Memelgebiet gelang, blieb K. jedoch weitestgehend vom Krieg verschont. Jetzt wurde die Stadt zur Festung erklärt und die Zivilbevölkerung evakuiert. K. wurde zu 50 % zerstört und erst am 28.1.1945 von deutschen Truppen geräumt. Die Stadt und das gesamte Memelgebiet wurden von der Sowjetarmee besetzt und am 7.4.1948 offiziell in die Litauische Sozialistische Sowjetrepublik (LSSR) eingegliedert.

Der Wiederaufbau der Stadt zog sich über Jahrzehnte hin, Wohnungsnot und Versorgungsengpässe kennzeichneten die erste Phase der Sowjetzeit. Seit den 70er Jahren entwickelte sich K. dennoch zu einer Stadt mit eigener Prägung. Neben der Renovierung der historischen Altstadt ist v. a. auf die Ansiedlung von höheren Bildungseinrichtungen hinzuweisen.

Im Kampf um die Wiedererlangung der Staatlichkeit war K. eine der Hochburgen der litauischen Unabhängigkeitsbewegung. 1991 wurde schließlich in der drittgrößten Stadt Litauens eine Universität gegründet. Die einzige Hafenstadt Litauens hat mit einem Warenumschlag von ca. 21 Mio. t 2003 ihre wirtschaftliche Bedeutung nochmals steigern können; alle Fährverbindungen aus West- und Osteuropa nach Litauen haben den Fährhafen von K. zum Ziel, was auch den Tourismus in der Region (v. a. auf der Kurischen Nehrung) fördert. Als „Tor zum Westen“ entwickelte K. nach der litauischen Unabhängigkeit eine eigene regionale Identität. Etwas über ein Viertel (= 21,3 % Russen, 2,4 % Ukrainer und 1,8 % Weißrussen) der heutigen Bewohner gehört nicht der litauischen Titularnation an.

Im Wandel der Zeiten: Die Stadt Memel im 20. Jahrhundert. Nordost-Archiv X (2001). www.klaipeda.lt [Stand 26.5.2004].

(Joachim Tauber)


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