Sivas

Sivas (türk.; griech. hist. Megalopolis, Sebasteia).

S. ist eine seit der Bronzezeit existierende Stadt in Zentralanatolien, rund 450 km östlich von Ankara. Die 1285 m ü. d. M. gelegene Stadt ist heute Verwaltungssitz der Provinz S. und zählt 251.776 Einwohner (2000). Der Großteil der Bewohner sind heute ethnische Türken, ein geringerer Teil Kurden, dagegen ist die Zahl der Armenier und Griechen stark zurückgegangen.

S. selbst wurde wahrscheinlich unter dem hethitischen König Hattushilish I. um 1500 v. Chr. gegründet. Der Hügel von Maltepe in der Nähe der Stadt weist allerdings Siedlungsspuren, die bis ins Jahr 2600 v. Chr. zurückgehen, auf. Nach dem Niedergang des Hethiterreiches war S. Teil des assyrischen, medischen und persischen Reiches. Kurz vor der Eroberung der Stadt durch die Römer wurde S. von den Königen Kappadokiens und des Pontus (Schwarzmeerküste) beherrscht.

Die Römer eroberten S. im 1. Jh. und nannten die Siedlung zunächst Megalopolis. Später wurde sie in Sebasteia, worauf der heutige Name der Stadt zurückgeht, umbenannt. Ende des 3. Jh. stieg S. unter der Herrschaft des Kaisers Diokletian zur Hauptstadt der Provinz Armenia Minor (Kleinarmenien) auf. Im 6. Jh. ließ Kaiser Justinian I. (527 – 65) die Stadtmauern erneuern und verstärken. S. war unter byzantinischer Herrschaft eine große und reiche Stadt; im Jahr 1021 übergab Sennacherib-Johannes, der armenische König von Vaspurakan (heute türk. Van), seine Territorien dem byzantinischen Kaiser Basileios II. und wurde byzantinischer Vizekönig in S.

1075 ging S. den Byzantinern verloren und fiel an eine turkmenische Dynastie. S. wurde zur Provinzhauptstadt und erhielt nun seinen auch heute noch gebräuchlichen Namen. 1172 fiel S. an die Rum-Seldschuken, unter denen die Stadt den Höhepunkt ihrer Prosperität erreichte. 1243 hatte die Stadt unter dem Mongolensturm schwer zu leiden; 1340 wurde sie durch den Bey von Eretna erobert. Dennoch war S. noch ein bedeutendes urbanes Zentrum: Zeitgenössische Quellen aus dem Jahre 1400, in dem die Stadt durch Tamerlan (Timur-Leng) geplündert wurde, bezeugen für S. mehr als 150.000 Einwohner. Nach der Eroberung durch die Osmanen (1408) erreichte die Stadt nicht mehr die vormalige Größe, blieb jedoch Provinzhauptstadt. Am 04. 09. 1919 wurde der zweite türkische Nationalkongress unter Mustafa Kemal Atatürk in S. abgehalten. Auf diesem Kongress wurden der türkische Widerstand gegen die Teilungspläne der Alliierten konsolidiert und die Entscheidungen des ersten türkischen Nationalkongresses von Erzurum bestätigt.

1993 erlangte die Stadt traurige Berühmtheit, als mehr als 30 Angehörige der alevitischen Minderheit bei einem Brandanschlag islamischer Fundamentalisten ums Leben kamen. S. lag stets wirtschaftlich günstig an den Handelsrouten von Anatolien in den Irak und Iran. Die Stadt ist heute ein wichtiger Eisenbahn- und Straßenknotenpunkt. In der Umgebung findet sich intensive Getreidekultivation, es werden auch Bodenschätze – vornehmlich Eisenerz in der Nähe von Divriği – abgebaut. Die Stadt ist eine bedeutende Produktionsstätte von Zement, Woll- und Baumwollprodukten. 1974 wurde der Bildungsstandort S. durch die Gründung der ›Cumhuriyet‹-Universität aufgewertet. In S. finden sich einige der beeindruckendsten seldschukischen Baudenkmäler, darunter die „Himmels-„ oder „Blaue“ Medrese (Gök Medresesi, 1271), ›Şifaiye Medresesi‹ (ursprünglich ein Krankenhaus, erbaut 1217–18, die auch das Mausoleum ihres Gründers Sultan Kaikaus I. enthält) und ›Çifte Minare Medresesi‹, die besonders wegen ihrer reich dekorierten Fassade und ihrer Minarette berühmt ist. Ebenfalls zu erwähnen sind die älteste Moschee der Stadt (Ulu Cami, 1197) sowie das nahe gelegene armenische Kloster vom Heiligen Kreuz.

(Tilman Lüdke)

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