Schwäbische Türkei

Schwäbische Türkei (ungar. Sváb Törökország)

Neben den Regionen Banat, Batschka und Sathmar, dem Bakonyer Wald nördlich des Plattensees und dem Bergland rund um Budapest stellt das südliche Transdanubien mit den Komitaten Baranya, Tolna und Somogy – oft unter den Begriff „S. T.“ zusammengefasst – eines der Hauptsiedlungsgebiete der „Donauschwaben“ dar. Diese Sammelbezeichnung wurde erst 1922 für jene Gruppe deutscher Kolonisten eingeführt, welche sich in größerer Zahl v. a. in der Zeit von 1718–86 in den genannten Gebieten niederließen.

1543 fiel mit Fünfkirchen/Pécs das seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. bestehende Komitat Baranya in die Hand der Osmanen. Die bereits im 16. Jh. einsetzende starke südslawische Einwanderung erreichte um 1690, also unmittelbar nach der Befreiung von den Osmanen, ihren Höhepunkt. Im Verlauf des 18. Jh. wurde an vielen Orten die serbische Bevölkerung – aus wirtschaftlichen Gründen (Ablösung der extensiven Weidewirtschaft durch eine steuerlich profitablere intensive Ackerbauwirtschaft) – durch planmäßig angesiedelte Deutsche aus Südwest- und Mitteldeutschland verdrängt. Die Ansiedlung wurde besonders durch den Grafen Claudius Florimund Mercy, dem damals bedeutendsten Grundherrn in der S. T., vorangetrieben.

Die ursprünglich ungarische Bezeichnung für die von den Deutschen besiedelten Gebiete des Komitats Baranya wird auf Deutsch erstmals 1844 von dem oberungarischen Schriftsteller Adolf Grünhold bezeugt. Michael Haas, Stadtpfarrer von Fünfkirchen, dem Zentrum der S. T., benennt auf Ungarisch 1845 die beiden Kreise Mohács und Baranyavár als S. T. Diese hatten unter der Türkenzeit besonders gelitten. Daher waren hier die vielfältigen Ergebnisse der deutschen Kolonisation in Bezug auf die Flureinteilung, die Ernteerträge im Acker-, Obst- und Weinbau und den Wiederaufbau der Dörfer und Kleinstädte bereits am Beginn des 19. Jh. besonders auffällig. In der nationalistisch aufgeheizten Atmosphäre der Jahre nach 1918 suchte man von ungarischer Seite diese Aufbauleistung und damit auch den Begriff „S. T.“ in Zweifel zu ziehen. In der deutschen Publizistik dieser Zeit gilt die Bezeichnung, welche schließlich auf alle deutschen Siedlungsgebiete in den drei Komitaten Baranya, Tolna und Somogy ausgedehnt wurde, geradezu als Ausweis deutscher Tüchtigkeit.

Fata M. (Hg.) 1997: Die Schwäbische Türkei. Lebensformen der Ethnien in Südwestungarn. Sigmaringen. Ginder P. 1999: Die Entdeckung der Schwäbischen Türkei. Ders.: Ungarn und Deutsche. Aufsätze zur donauschwäbischen Geschichte und Kulturgeschichte. Budapest, 86-108. Seewann G. 2004: Schwäbische Türkei. Hösch E., Nehring K., Sundhaussen H. (Hg.): Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Wien, 602. Weidlein J. 1967/1980: Die Schwäbische Türkei. 2 Bde. München.

(Friedrich Gottas)

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