Safawiden

Safawiden (Safaviden)

Die S. waren eine iranische Dynastie türkisch-aserbaidschanischer Herkunft. Ihr Aufstieg zur Herrschaft über Iran begann mit dem religiösen Führer (Šayḫ) Sāfī al-Dīn Ishaq (†1334), der in Ardabil (im heutigen Aserbaidschan) lebte und wirkte. Šayḫ Sāfīs religiöse und politische Ideen waren synkretistisch und enthielten sowohl sunnitische als auch schiitische und mystische Elemente. Sie wurden besonders unter den turkmenischen Nomadenstämmen Irans rasch populär. Šayḥ Sāfī behauptete, vom siebten schiitischen Imam Mūsa al-Qāsim abzustammen, was seine religiöse Autorität stark vermehrte.

Die Anhänger der S. waren an ihrer Kopfbedeckung, einer roten Mütze mit zwölf Troddeln (taǧ = „Krone“), zu erkennen, was ihnen auch die Bezeichnung „Rotköpfe“ (türk. Kızılbaş) eintrug. Die Einführung dieser Kopfbedeckung ab der Mitte des 15. Jh. symbolisierte eine Uniformierung der Anhänger der S. und die Wandlung des zunächst pazifistischen Ordens zur militärischen Bewegung, die auch territoriale Herrschaft anstrebte.

Der sechste Nachfolger Šayḥ Sāfīs, der spätere Schah ʿIsmāʿīl (†1524), eroberte 1501 den westlichen Iran von der Dynastie der Ak Koyunlu („weiße Hammel“) und machte Tabrīz zu seiner Hauptstadt; im Verlauf eines Jahrzehntes dehnten die S. ihre Herrschaft über Gesamtiran aus. Die Ausdehnung nach Westen wurde durch die Schlacht von Çaldiran (1514) gestoppt, in der die S. den Osmanen unterlagen. Infolge überlanger Nachschubwege vermochten die Osmanen diesen Sieg aber nicht in territoriale Zugewinne umzuwandeln.

Unter ʿIsmāʿīls Nachfolger Ţahmāsp (†1576), der die Hauptstadt nach Qazwīn verlegte, brachen Konflikte zwischen den Führern der Kızılbaş-Stämme aus. Die große Bedeutung der Stämme für den Machterhalt der S. schwächte das Reich. Um es zu konsolidieren, führte Ţahmāsp eine zentralisierte Verwaltung durch geschulte persische Bürokraten ein. Er ließ auch arabische zwölferschiitische Gottesgelehrte nach Iran kommen, um das Volk den S. in religiöser Hinsicht gewogen zu halten. Bürokraten und Gottesgelehrte verdankten ihre Stellung dem Schah, an dessen Machterhalt sie daher interessiert sein mussten.

Unter Schah ʿAbbās I. dem Großen (1587–1629) wurde der Einfluss der „Rotköpfe“ zurückgedrängt; das Zentrum der Macht verlagerte sich auf die zentrale Bürokratie. Als Symbol dieser Verlagerung wurde auch die Hauptstadt ein neues Mal nach Iṣfahān verlegt. ʿAbbas schuf auch eine stehende Armee, die aus georgischen Sklaven rekrutiert wurde; hier handelten die S.-Schahs ähnlich wie die osmanischen Sultane (Janitscharen) oder die Mamlūkensultane. Um Spannungen zwischen dieser vom Herrscher abhängigen Armee und den Kızılbaş-Stämmen vorzubeugen, wurden die Stämme vornehmlich an den Grenzen eingesetzt. Dies beugte auch einer eventuell für die S. gefährlichen Konzentration von Stammeskriegern vor.

Weite Teile Irans wurden zu Krongütern. Die Verwalter der Krongüter unterstanden dem Schah direkt, während der Hauptteil des Landes bisher im Besitz von stets auf Ausdehnung ihrer Unabhängigkeit bedachten Stammesführern gewesen war. Um die Position der religiösen Würdenträger zu sichern, wurden große Ländereien in religiöses Stiftungs-Land (arab. waqf) umgewandelt. Die S. förderten auch den Handel, beispielsweise durch den Ausbau von Verkehrswegen und die Errichtung von Karawansereien. Hauptziel dieser Maßnahme war jedoch die Steigerung der Kroneinkünfte. Die Einrichtung von Kronmonopolen auf viele Waren behinderte private Investitionen. Iṣfahān wurde unter den S. prächtig ausgebaut; zeitgenössische Dichter verwendeten oft den Ausdruck „Iṣfahān Niṣf-i-Ǧahān (Isfahan ist die Hälfte der Welt).“

Die Nachfolger ʿAbbās I. wuchsen im Harem auf und waren schwache Herrscher, unter denen die Kontrolle der Zentralverwaltung abnahm. Nur ʿAbbās II. (1642–66) konnte die Königsmacht noch einmal stärken. Lokale Machthaber wurden selbständig, und die Stämme erstarkten erneut, was zu einem Niedergang landwirtschaftlicher Produktion führte. Auch die religiösen Würdenträger waren nicht mehr vom Schah abhängig und höhlten die Macht des Staates weiter aus. 1722 musste der Schah vor aufrührerischen Afghanenstämmen kapitulieren. Obwohl die den S. ergebene Bevölkerung der Aufteilung Irans zwischen Afghanen, Osmanen und Russen zunächst widerstand, tilgte der Stammesführer Nāḍir Šāh (†1747) 1736 die letzten Spuren safawidischer Macht.

Die historische Bedeutung der S. liegt sowohl auf religiösem als auch auf politischem Gebiet. Sie vereinigten zuerst das Territorium, das sich später als der Staat Iran herauskristallisieren sollte, und machten die schiitische Richtung des Islam in Iran zur Staatsreligion (Iran ist bis heute der einzige offiziell schiitische Staat). Dies ging nicht ohne Zwang; jedoch schufen die S. dadurch eine Art frühes nationales Bewusstsein der Perser, die sich von da an in religiöser und ethnischer Hinsicht als verschieden von den benachbarten Arabern, Türken und Indern fühlten.

(Tilman Lüdke)

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