Pindos (Gebirge)

Pindos (griech., latein. Pindus)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Der P. (neugriech. die) ist ein nordgriechisches Gebirge im Westen Thessaliens und Makedoniens, im Osten des Epirus und im westlichen Zentralgriechenland. Es ist Teilbereich des dinarisch-hellenidischen Faltengebirgssystems, das sich von der dalmatinischen Küste über die westbalkanischen Gebirgszüge, Kreta und Rhodos bis zum kleinasiatischen Taurus-Gebirge hinzieht. Es erstreckt sich vom Grammos bis zum Ambrakikos Kolpos („Ambrakischer Golf“). Geologisch gesehen geht es im Norden bis nach Albanien hinein und setzt es sich im Süden bis zum Korinthiakos Kolpos fort. Selbst bei enger Definition seiner Abgrenzung beträgt seine Nord-Süd-Längserstreckung rund 200 km. Die Bezeichnungen „Makedonischer“ (im Norden) und „Griechischer“ P. (südlich des Katara-Passes) sind seit 1912 nicht mehr üblich und wurden durch die Begriffe Nord- und Süd-Pindos ersetzt.

Das Gebirge stellt morphologisch eine asymmetrische Großfalte in Fortsetzung der inneralbanischen Zentralzone dar. Im Nord-Pindos herrschen aufgesetzte Kämme ohne durchgreifende Ketten und Längstäler aus Serpentin und Flysch vor, im Süden hingegen zusammenhängende Ketten von Längstälern mit Steilwänden aus Flysch und Kalk. Tertiäre Faltung hat dem P. seine Struktur gegeben. Tektonischer Druck von West nach Ost hat zu zahlreichen Überschiebungen und Brüchen geführt, die hochgestellte Stufen mit Firsten aufwarfen, die heute in vielen Gipfeln über 2500 m aufragen. Wegen des geringen Alters des Gebirges weist es in den Höhenlagen ausgesprochen schroffe Formen auf. Die Schneegrenze der letzten Eiszeit lag im Westen des Gebirges bei 1600 m, Gletscher bis sogar bis unter 1000 m. Die Spuren der einstigen Vergletscherung kann an Karen, Moränenwällen und Gletscherschliffen festgestellt werden.

Die wichtigsten Teilgebirge sind Grammos (2520 m), Smolikas (2637 m), zugleich zweithöchster Berg Griechenlands, Kakarditsa oder Athamanōn (2429 m), Tzoumerka (2393 m), Kaliakuda (2101 m), Peristeri (2294 m) und Agrafa (2126 m). Entlang des Hauptkamms läuft die Wasserscheide zwischen Epirus, Thessalien und dem westlichen Zentralgriechenland. Im Raum Metsovon entspringen fünf Flüsse, darunter die drei größten des Landes (Aliakmōn, Achelōos, Pīneios), die von hier aus in völlig unterschiedliche Richtungen fließen. Ebenfalls im P. entspringen Aōos (alban. Vjosë), Kalamas (altgriech. Thyamis) und Acherōn. Die Flüsse Louros und Arachthos dienen der Wasserkraftgewinnung und münden in den „Ambrakischen Golf“.

Das P.-Gebirge bedingt starke klimatische Unterschiede zwischen seiner West- und Ostseite. Die feuchtere Westhälfte zeigt maritimere Eigenschaften als die Osthälfte. Die Temperaturen sind dort ausgeglichener als im Osten, die Winter milder, die sommerliche Trockenzeit kürzer und absoluter. Während die westlichen Gebirgsteile von küstennahen Winden beeinflusst werden, treten auf der Ostseite Föhnwinde auf. Die Westabhänge sind naturbedingt waldreicher als die Ostabhänge, wenn auch Abholzung, Schneitelwirtschaft (Beschneidung von Bäumen für die Viehfütterung) und Überweidung dieses Bild vielerorts verändert haben. Die Waldgrenze liegt naturgemäß bei durchschnittlich 1850 m. Ab 1200 m treten Wälder aus Buchen und Schwarzkiefern auf. Weite Tannenbestände sind für die Kalkgebirgsbereiche (700−1850 m) charakteristisch. Am Fuße der Berge stehen Edelkastanien, Hainbuchen und Eichen, im Nordwesten die endemische Panzerkiefer. Die wertvollsten Holzbestände liegen in den Hochlagen des zentralen P. (v. a. Tannen- und Schwarzkiefern, Balkaneichen), in einzelnen Räumen wie dem Tal des Flusses Aspropotamos (Oberer Achelōos) oder im Nationalpark Valia Calda sind die Wälder nahezu unberührt geblieben, so dass hier Rückzugsgebiete für Wolf und Braunbär liegen. Die Wälder gehören zu zwei Dritteln dem Staat, während der Rest in Besitz von Klöstern, Genossenschaften und Privatleuten ist.

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2 Kulturgeschichte

Das P.-Gebirge wird intensiv für die Viehwirtschaft (Schafe, Ziegen, Rinder) genutzt. Dabei spielten bis Ende des 20. Jh. ausgedehnte jahreszeitliche Herdenwanderungen zwischen Sommerweiden im Gebirge und Winterweiden in den Ebenen eine wirtschaftliche Rolle. Große Teile des P.-Gebirges sind von den Hirtenvölkern der Aromunen im Norden und „Sarakatschanen“ (griech. Sarakatsanoi, bulgar. Karakačani im Süden bewohnt. Seit der Bildung von Sommerdörfern in den Gebirgen sind aus der ehemaligen Hirtenbevölkerung Händler und Handwerker (Silberschmiede, Weber) geworden, wodurch hoch gelegene Dauersiedlungen wie Karpenīsi und Metsovon entstanden. Die zahlreichen slawischen Ortsnamen im P.-Gebirge geben Grund zur Annahme, dass viele Regionen im P.-Gebirge dort erst nach der slawischen Landnahme dauerhaft besiedelt wurden. Die obere Siedlungsgrenze fester Dörfer liegt bei 1400 m, die höchsten Siedlungen sind Aetomīlitsa (1430 m) und Samarina (1450 m). Darüber gab es provisorische (bodenvage) Siedlungen, die jeden Sommer von denselben Hirten aufgesucht wurden. Ackerbau (Getreide, Wein) ist nur an den Füßen der Berge sowie in einigen intramontanen Becken möglich. An den Ostabhängen leiden landwirtschaftliche Kulturen eher unter Wassermangel und Frostgefährdung als im Westen.

In Dörfern, die nicht während der deutschen und italienischen Besatzung (1943−44) oder während des Bürgerkrieges (1949) niedergebrannt wurden, ist die spezifische Architektur bis heute zu bewundern. Die „Zagori“-Dörfer zwischen Konitsa und Metsovon geben eine sehr gute Vorstellung von den aus Bruchstein gebauten und mit Schieferplatten bedeckten stattlichen Häusern sowie den malerischen Steinbrücken und Pflasterwegen (griech. kalderimia), mit denen die Dörfern verbunden sind. Zahlreiche Erzählungen der Einwohner drehen sich bis heute um einige Gebirgsseen, in denen Drachen wohnen sollen (Drachenseen, griech. drakolimnī). Die Drachen haben sich mit Gegenständen beworfen, die sie in ihrer Nähe fanden: So sollen Steine auf den Berg Smolikas und Kiefern zum Drachensee des Gamila-Gebirge gekommen sein.

Tourismus stellt einen untergeordneten Wirtschaftsfaktor dar. Anziehungspunkte bilden vor allem einige Skigebiete (Metsovon, Vasilitsa) sowie die Meteōra-Klöster östlich des Gebirges. Der zunehmende Öko-Tourismus hat die imposante „Vikos-Schlucht“ (griech. Faraggi Vikou) sowie die Nationalparks Pindos und Valia Calda zum Ziel.

Bis in die 70er Jahre des 20. Jh. waren viele Dörfer ohne Elektrizität und nicht auf Straßen erreichbar. In harten Wintern sind die Bergdörfer auch heute von der Außenwelt abgeschnitten. Die einzige bedeutende Ost-West-Straße führte bis 2001 über den 1705 m hohen Katara-Pass. Seit 2001 kann der höchste und gefährlichste Teil durch die neue Straße Metsovon-Grevena umgangen werden. Die Strecke über Konitsa und Kozanī wird auf dem Weg nach Thessaloniki als Alternative benutzt. Die neue Autobahn Īgumenitsa−Saloniki wurde trotz des viel nördlicheren Verlaufs ihres antiken Namensvetters (Via Egnatia) ›Egnatia‹ genannt, ist aber noch nicht auf ganzer Länge fertig gestellt. Da auch die Grenze nach Albanien erst seit kurzem durchlässig ist, befindet sich das P.-Gebirge verkehrsmäßig und wirtschaftlich noch in einer Abseitslage. So verwundert es nicht, dass viele Einwohner des Gebirges Zweitwohnungen in den nahe gelegenen Städten haben.

Beuermann A. 1967: Fernweidewirtschaft in Südosteuropa. Ein Beitrag zur Kulturgeographie des östlichen Mittelmeergebietes. Braunschweig. Kahl Th 1999: Die Zagóri-Dörfer in Nordgriechenland: Wirtschaftliche Einheit - ethnische Vielfalt. Ethnologica Balkanica 3, 103−119. Lienau C. 1989: Griechenland. Geographie eines Staates der europäischen Südperipherie. Darmstadt (= Wissenschaftliche Länderkunden 32). Philippson A. 1960: Die griechischen Landschaften. Bd. 4: Das aegaeische Meer und seine Inseln. Frankfurt a. M.

(Thede Kahl)

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