Radom (Stadt)

Radom (poln.)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

R. ist eine kreisfreie Stadt in der Woiwodschaft Masowien (województwo mazowieckie), 225.810 Einwohner (2006). Sie liegt ca. 100 km südlich von Warschau, etwa 150–200 m ü. d. M., auf einer Fläche von 111,8 km². R. liegt in der „Radomer Ebene“ (Równina Radomska) am Fluss Mleczna, einem Zufluss der Radomka. Nach Warschau und Lodz ist die Stadt das drittgrößte Industriezentrum im zentralen Landesteil Polens. Die bedeutendsten Industriezweige sind der Elektrogerätebau, die Lebensmittelindustrie und die chemische Industrie. Die Arbeitslosenquote betrug im Juli 2007 22,5 %.

R. ist nach Warschau das bedeutendste Wissenschaftszentrum in Masowien. In der Stadt gibt es sieben Hochschulen und drei Lehrerkollegien. Das Kaziemierz-Pułaski-Polytechnikum wurde 1951 gegründet und ist mit seinen fünf Fakultäten die größte Hochschule der Stadt. Außerdem gibt es in R. eine private Hochschule für Umweltschutz, eine Handelshochschule und eine Finanzhochschule. In R. studieren rund 30.000 Studenten (2004). R. ist kulturelles Zentrum der Region. Zu den wichtigsten kulturellen Einrichtungen gehören das 1851 gegründete Kulturzentrum ›Resursa Obywatelska‹“, das Jan-Kochanowski-Theater und das Jacek-Malczewski-Museum. Einen wichtigen Platz im kulturellen Leben der Stadt nimmt das internationale Gombrowicz-Theaterfestival ein.

Anfang

2 Kulturgeschichte

R. wurde vermutlich Ende des 8. Jh. von Slawen gegründet und 1155 in einer Bulle des Papstes Hadrian IV. erstmals urkundlich erwähnt. In unmittelbarer Nähe der Stadt kam es unter König Kazimierz III. um 1340 zur Gründung des heutigen R. (Nowy Radom), das 1364 das Magdeburger Stadtrecht erhielt. In R. wurden Reichstage abgehalten. 1401 wurde in R. zwischen Litauen und Polen die Union von Vilnius und Radom geschlossen. Die 1505 auf dem Reichstag zu R. verabschiedete Nihil Novi-Konstitution stellt den Beginn der Neuzeit in der polnischen Geschichte dar und gilt als Geburtsstunde der ›Rzeczpospolita‹ bzw. der polnischen Adelsrepublik, die mit einigen Variationen bis zur dritten Teilung Polens bestand hatte. Außerdem wurde in der Stadt im gleichen Jahr eine der ersten polnischen Gesetzessammlung angenommen, das sog. Łaski-Statut. Seit 1613 war R. der Tagungsort des Königlichen Rechungshofs. 1660 wurde die Stadt durch schwedische Truppen verwüstet.

Im Juni 1767 kam auf Initiative des russischen Botschafters Nikolaj Vasiljevič Repnin und unter der Führung von Karol Stanislaw Radziwiłł die Generalkonföderation von R. zusammen, auf deren Druck hin im Herbst 1767 der Reichstag einberufen wurde. Die Generalkonföderation richtete sich gegen die Reformen des polnischen Königs Stanisław August Poniatowski. Nach den polnischen Teilungen lag R. ab 1795 im österreichischen Teilungsgebiet und ab 1809 im Großherzogtum Warschau. 1816 wurde R. Hauptstadt der Woiwodschaft Sandomierz (dt. hist. Sandomir) und ab 1837 des Gouvernements Sandomir im Königreich Polen (Kongresspolen), ab 1843 Hauptstadt des Gouvernements R. Der Bau der Eisenbahnlinie Dęblin–Dąbrowa, die seit 1887 durch R. verlief, hat die Entwicklung der Stadt beschleunigt. 1892 betrug ihre Einwohnerzahl 18.820 Personen, 1908 waren es bereits 45.716.

In der Zwischenkriegszeit war R. Kreisstadt in der Woiwodschaft Kielce. Im Zweiten Weltkrieg unterhielten die Deutschen in R. ein großes Arbeitslager, das ab 1944 als Unterlager des KZ Majdanek fungierte. Nach Kriegsende war R. zunächst Kreisstadt und 1975–98 Sitz der gleichnamigen Woiwodschaft. Am 25. Juni 1976 war R. Schauplatz heftiger Proteste gegen die Regierungspolitik im Rahmen der sog. Juni-Ereignisse, die nach einer sofortigen, deutlichen Preiserhöhung in einigen Städten ausbrachen. In R. nahmen in den Protesten ca. 20 Tsd. Menschen teil. In einer Polizeiaktion starben 2 Personen und 198 wurden verletzt. Mehrere Hunderte Personen wurden inhaftiert bzw. aus der Arbeit entlassen. In einigen Fällen wurden längere Haftstrafen verhängt. Diese Ereignisse führten zur Konsolidierung polnischer Oppositionskräfte. Im Zuge der Verwaltungsreform von 1999 wurde R. Teil der Woiwodschaft Masowien (Województwo Mazowieckie). R. übernahm einige Verwaltungsfunktionen der neuen Woiwodschaft.

(Kai Witzlack-Makarevich)

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