Warschau (Getto-Aufstand)

Warschauer Getto-Aufstand (1943); bedeutendster Akt des polnisch-jüdischen Widerstandes gegen den NS-Judenmord.

Er wurde vorbereitet und getragen von dem zionistisch-sozialistischen Bündnis der „Jüdischen Kampforganisation“ (Żydowska Organizacja Bojowa, ŻOB), die von Mordechaj Anielewicz angeführt wurde, und dem rechtszionistischen „Jüdischen Militärbund“ (Żydowski Związek Wojskowy, ŻZW). Seit Sommer 1942 verübten diese Gruppen Anschläge auf der Kollaboration verdächtigte Repräsentanten des Judenrates und des ›Jüdischen Ordnungsdienstes‹ und trieben durch Sammlungen, aber auch Überfälle auf Wohlhabende unter den ca. 60.000 im sog. Warschauer Getto Verbliebenen, Gelder ein, die für die Beschaffung von Waffen verwendet wurden. Als die Besatzer am 18.1.1943 erneut mit Deportationen begannen, denen ein Zehntel der Insassen zum Opfer fiel, kam es zu ersten Feuergefechten mit der ŻOB. Die Einstellung der „Aktion“ nach vier Tagen führten die Insassen auf ihre Gegenwehr zurück, was dem Widerstand trotz hoher Verluste in den eigenen Reihen weiteren Auftrieb gab. Als die Deportationen am 19.4. wieder aufgenommen wurden, verwickelten die 22 Kampfgruppen der ŻOB mit ca. 500 sowie jene des ŻZW mit 200–250 geschulten Kämpfern, die über primitive selbstgebaute Waffen und ein paar Dutzend Schusswaffen mit wenig Munition verfügten, die Truppen von SS, Polizei und Wehrmacht in Straßen- und Häuserkämpfe und nutzten dabei ihre hervorragende Ortskenntnis und mehrere getarnte Schutzräume.

Nachdem sie einen anfänglichen Überraschungserfolg erzielt hatten, übernahm auf Seiten der Angreifer SS-Generalmajor Jürgen Stroop das Kommando, um die völlige „Räumung“ des Gettos durchzuführen, das ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung durch Brandlegung und Sprengungen systematisch zerstört wurde. Am 8.5.1943 entdeckten die Deutschen den Hauptbunker der ŻOB. Die ausweglos Umstellten nahmen sich das Leben; nur einigen Dutzend Widerstandskämpfern – unter ihnen Cywia Lubetkin, Marek Edelman und Tuwia Borzykowski – gelang die Flucht durch die Kanalisation. Versprengte versuchten noch über Wochen und Monate hinweg, in den Ruinen auszuharren.

Die Niederschlagung des W. G.-A.es war grauenhafter Höhepunkt und für die jüdische, aber auch die polnische Bevölkerung sichtbarer Ausdruck des nationalsozialistischen „Krieges gegen die Juden“ (Lucy S. Dawidowicz). Schätzungen zufolge kamen 12.000 Juden in den Kampfhandlungen um, wurden weitere 7000 durch Nebelkerzen vergast und 21.000 in KZ und Vernichtungslager verschleppt; ein Großteil der Insassen ist in Häusern und in überfüllten Schutzkellern verbrannt oder erstickt bzw. wurde durch einstürzende Gebäude verschüttet. Die Zahl der Toten und Verwundeten auf deutscher Seite wurde mit ca. 100 angegeben.

Gutman Y. 1982: The Jews of Warsaw 1939-1943. Ghetto, Underground, Revolt. Bloomington. Wirth A. (Hg.) 1976: Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr (Stroop-Bericht). Neuwied.

(Klaus-Peter Friedrich)


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