Kretinga
Kretinga (litau./russ., dt. hist./jidd. Crottingen/Krottingen, poln. hist. Kretynga).
Die 21.424 Einwohner (2004) zählende Stadt K. liegt auf 27 m Höhe im Nordwesten Litauens im Bezirk Klaipeda (historische Region Žemaitija) und ist Verwaltungssitz des gleichnamigen Bezirkes. Die mittlere Temperatur in K. beträgt im Januar –3 °C, im Juli 16,5 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich im Schnitt auf ca. 730 mm. Wirtschaftlich bedeutsam für K. ist die Holz verarbeitende Industrie.
Der Legende nach errichtete der Gotenkönig Armon an der Stelle des heutigen K.s die Burg Grutinga. 1253 als Festung des Deutschen Ordens erstmalig urkundlich erwähnt, wurde sie 1260 von schemaitischen Kriegern erobert, woraufhin sich die deutschen Ordensritter aus der Gegend zurückzogen.
Nach der Schlacht bei Grunwald 1410 fiel der Ort endgültig an Litauen (Polen-Litauen). Das Mitte des 16. Jh. dort errichtete Gut des Großfürsten von Litauen und Königs von Polen Sigismund II. August wurde zu Beginn des 17. Jh. vom Befehlshaber des litauischen Heeres, Hetman Jonas Karolis Chodkevičius übernommen. 1609 erhielt der rasch wachsende, zu der Zeit auch Carlstadt bzw. Karolštadt genannte Ort das Magdeburger Stadtrecht. Unter Chodkevičius wurde das Franziskanerkloster und eine einschiffige Kirche im Stil der Renaissance mit gotischen Elementen errichtet, die später zu einer dreischiffigen Basilika erweitert wurde.
K. stand während des 17./18. Jh. unter wechselnden Herrschaften verschiedener Adelsgeschlechter. 1875 ließ der damalige Besitzer Graf Juozapas Tiškevičius das Herrenhaus des Guts K. umbauen, dass mit seinem beeindruckenden Wintergarten – eine Glas-Stahlkonstruktion – und dem sehenswerten Park bis heute erhalten ist. Die Zuwanderung deutschsprachiger jüdischer Bevölkerung Mitte des 18. Jh. bewirkte einen Aufschwung des Handels. Nach der dritten Teilung Polen-Litauens 1795 kam K. zu Russland. Die Stadt war administratives und – nicht zuletzt von der Nähe zu Ostpreußen profitierend – wirtschaftliches Zentrum der Region. 1897 erreichte der Anteil der jüdischen Einwohner an der Stadtbevölkerung 35 % (1202 Personen). In der Zwischenkriegszeit gehörte K. zur litauischen Republik und war auch dort Verwaltungszentrum.
Die um 1939 ca. 700 Personen umfassende jüdische Bevölkerung K.s wurde während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig ermordet. 1950 wurde K. erneut Verwaltungszentrum der Region. Die seit 1802 in K. verankerte evangelisch-lutherische Gemeinde zählte insbesondere während der Sowjetzeit zu den einflussreichsten in Litauen.
Zu den Sehenswürdigkeiten K.s gehören der 1609 gestaltete Rathausplatz mit evangelischer Kirche (1897) und Unabhängigkeitsstatue (1931), die nahe gelegene Marienkirche mit Skulpturen aus dem 17. und 18. Jh sowie der dahinterlegende Gebäudekomplex, bestehend aus einem Kloster (1605–17), einer der französischen Pilgerstätte Lourdes nachempfundenen Anlage und dem St.-Anton-Palast (Šv. Antano rūmai), in dem sich heute das gleichnamige religionswissenschaftliche Institut befindet, weiterhin der alte Stadtfriedhof. In K. befinden sich insgesamt fünf Klöster. Das Museum der Stadt stellt archäologische Funde aus dem Altertum und eine Sammlung europäischer Malerei aus. In der Nähe von K. (dem Orvydas-Landgut) befindet sich außerdem ein bekannter mystischer Skulpturenpark aus den 1980er Jahren.
http://www.kretinga.lt/index.php?fuseaction=displayHTML&file=File_5.php&langparam=EN [Stand 3.3.2006].