Edessa

Edessa (griech., slaw. Voden, Vodena)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

E. ist die Hauptstadt der Präfektur (Nomos) Pella in der nordwestgriechischen Region Makedonien und liegt etwa 80 km westlich von Thessaloniki auf einer Sinterterrasse (ca. 320 m ü. d. M.) an den Ausläufern des Vermion-Gebirges (griech. Vermion Oros). Berühmt sind die Wasserfälle der Stadt, die vom Fluss Vodas (griech., auch: Edessaios), Abfluss des Vegoritida-Sees (griech. Limnī Vegoritida), gespeist werden und rd. 70 m in die Tiefe stürzen. Auf einer Fläche von 321,2 km² leben 18.832 Einwohner (2001). Hauptwirtschaftszweige sind die Spinnerei und der Fremdenverkehr. E. ist orthodoxer Bischofssitz.

Wegen der Siedlungskontinuität in der Akropolis konnten antike Reste bislang einzig in der Unterstadt gefunden werden. Inschriftliche Zeugnisse sind nur spärlich vorhanden. Bis zur Entdeckung der makedonischen Königsgräber von Vergina galt E. als die alte Königsresidenz Aigai. Zu den bedeutenden antiken Überresten zählen das Südtor, eine mit Säulen gesäumte, gepflasterte Straße sowie die Stadtmauer.

2 Kulturgeschichte

Spuren menschlicher Siedlungen lassen sich bis in die Kupferzeit zurückverfolgen. Der Name E. soll phrygischen Ursprungs sein und bedeutet „Stadt auf dem Wasser“. Wegen seiner verkehrsgünstigen Lage besaß E. eine bedeutende strategische Stellung. 814 v. Chr. soll der mythische Argeaden-König Karanos E. zur ersten Hauptstadt Makedoniens gemacht haben. Im 7. und 6. Jh. v. Chr. erfolgte die Teilung E.s in eine Ober- (Akropolis) und eine Unterstadt (Katō Polis). Um 300 v. Chr. wurde die 5 m hohe Stadtmauer errichtet. Eine Blüte erlebte E. in römischer Zeit (seit 148 v. Chr.) dank seiner Lage an der Via Egnatia. Das Christentum breitete sich ab dem 2. Jh. in E. aus. In der zweiten Hälfte des 3. Jh. wurde die Stadt durch die Goten und Ende des 5. Jh. durch die Ostgoten bedroht.

Im frühen Mittelalter kam es zu Einfällen von Slawen und Bulgaren, weshalb um 600 die Unterstadt geräumt wurde. 691/92 nahm der erste namentlich bekannte Bischof der Stadt, Isidoros, am ökumenischen Konzil in Konstantinopel (›Concilium Quinisextum‹) teil. Im 7. Jh. war E. noch eine wichtige Handelsstadt und blieb während des ganzen Mittelalters hindurch eine strategisch wichtige Ortschaft. Nach Kaiser Kōnstantinos VII. Porphyrogennētos war E. im 10. Jh. Teil des Byzantinischen Reiches; in der zweiten Hälfte des 10. Jh. war die Stadt Hauptort einer Provinz (Thema) und Sitz eines kaiserlichen Statthalters. 989 wurde E. Teil des Bulgarischen Reichs und erhielt den Namen Voden (slaw. voda = „Wasser“). Zu Beginn des 11. Jh. zwischen Byzantinern und Bulgaren umkämpft, fiel E. 1015 unter Kaiser Basileios II. Boulgaroktonos endlich an Byzanz; Basileios II. sicherte die Stadt nach mehreren lokalen Aufständen durch die Errichtung zweier Festungen. Mehrere Kirchen wurden in byzantinischer Zeit erbaut, darunter die Mariä-Himmelfahrts-Kirche (Naos Koimīsīs tīs Theotokou, 14. Jh.) und die Peter-und-Paul-Kirche (Naos Apostolōn Petrou kai Pavlou, ca. 1370), die noch heute erhalten sind. 1082/83 griffen die Normannen unter Bohemund I. E. mehrfach an.

Nach dem Vierten Kreuzzug wurde Makedonien mit E. 1204 Teil des lateinischen Königreichs [Thessaloniki. Nach der Wiederherstellung des Byzantinischen Reiches fiel E. nach 1261 zunächst wieder unter byzantinische Herrschaft. Nachdem E. in der Folgezeit mehrfach den Besitzer gewechselt hatte, verblieb die Stadt ab 1351 unter serbischer Kontrolle. 1389 besetzten die Osmanen E., das 1395 durch ein Erdbeben schwer beschädigt wurde. In osmanischer Zeit besaß E. sechs Moscheen. Erhalten ist noch die ›Geni Tzami‹ (1904). 1750 begannen Mönche mit der Errichtung von Schulen in E. 1789 und 1821 nahmen Einwohner der Stadt an Aufständen gegen die osmanische Herrschaft teil, doch wurde 1822 die osmanische Herrschaft in E. wieder hergestellt.

1862 erfolgte die Eröffnung des ersten Hospitals und einer Knabenschule. 1865 wurden auf den Ruinen eines alten Tempels das Kloster Agia Triada nahe der Altstadt und 1877 die Mädchenschule erbaut. 1892 wurde E. an die Eisenbahnstrecke nach Monastir (heute Bitola) angeschlossen. Die seit byzantinischer Zeit genutzte Wasserkraft wurden Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jh. durch den Bau neuer Wassermühlen in der Industrie eingesetzt (1895 Gründung der ersten Textilfabrik), doch wirtschaftliche Probleme führten 1962 zur Schließung der letzten Betriebe. Die Mühlen sind heute als Industriedenkmäler zu besichtigen. 1904–08 nahmen die Bewohner von E. am Aufstand gegen die osmanische Herrschaft in Makedonien teil. 1912 kam die Stadt zu Griechenland. 1919 erschien die erste Tageszeitung in E., und 1922 erfolgte die amtliche Umbenennung in E. Im gleichen Jahr wurde das Gymnasium gegründet. 1925–40 erlebte die Stadt einen ernormen Aufschwung ihrer Industrie. 1940–44 besetzten deutsche Truppen E.; dies führte zur Zerstörung von Teilen der Altstadt (Varosi) und weiterer Gebäude. 1946–48 litt die Stadt unter dem Bürgerkrieg und in den 50er und 60er Jahren erfolgte der Niedergang der Industrie. In den darauf folgenden Jahrzehnten wandelte sich E. von einer Industriestadt zu einem Bildungs-, Kultur- und touristischen Zentrum.

Tataki A.1994: Macedonian Edessa: Prosopography and Onomasticon. Athens.

(Maik Ohnezeit)

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