Antonescu, Ion

Antonescu, Ion; *2.6.1882 Piteşti †1.6.1946 Bukarest, General und Politiker.

A. nahm an den Balkankriegen 1912/13 und am Ersten Weltkrieg teil. 1933 war A. kurz Chef des Generalstabs. In der Regierung der antisemitischen „Nationalchristlichen Partei“ wurde er 1937/38 Verteidigungsminister. Nachdem Rumänien die Hälfte seines Staatsgebietes an die Sowjetunion, Ungarn und Bulgarien verloren hatte und Unruhen ausbrachen, beauftragte ihn König Carol II. im September 1940 mit der Regierungsbildung. Er verlangte von Carol den Thronverzicht zu Gunsten seines 19jährigen Sohnes Mihai. A. erklärte sich zum Staatsführer und regierte mit Ministern aus der faschistischen „Eisernen Garde“ (rumän. Gardă de fier) sowie parteilosen Fachleuten. Im Januar 1941 versuchte ihn die „Eiserne Garde“ durch einen Putsch auszuschalten, doch gelang es ihm, sich mit Unterstützung der Armee durchzusetzen. Hitler unterstützte ihn, weil Ordnung in Rumänien für den Angriffskrieg gegen die Sowjetunion eine zentrale Voraussetzung war. Seit Juni 1941 kämpften rumänische und deutsche Einheiten unter dem Oberbefehl von A. um die 1940 abgetretenen Gebiete Bessarabien und die Nordbukowina. Danach beteiligte sich die rumänische Armee unter hohen Verlusten an der Eroberung eines Besatzungsgebietes in der südlichen Ukraine, es wurde Transnistrien genannt. Die rumänischen Einheiten rückten in Richtung Asowsches Meer vor und erlitten bei Stalingrad Ende 1942 eine schwere Niederlage. Als die militärische Lage aussichtslos wurde, drängten immer mehr Berater A. zu einem Sonderfrieden. Als Signal des guten Willens wurden die Pläne zur „ethnischen Säuberung“ Rumäniens und Transnistriens aufgegeben.

Seit 1941 waren sämtliche Juden Bessarabiens, die meisten Juden der Bukowina und auch einige aus dem Rest Rumäniens nach Transnistrien deportiert worden. Dort kamen gemeinsam mit den Juden Transnistriens zwischen 250.000 und 410.000 Juden durch Erschießungen, Hunger und Mangelkrankheiten um. Auch etwa 25.000 Roma ließ A. nach Transnistrien deportieren. Obwohl die sowjetischen Truppen im Frühjahr 1944 bereits Transnistrien, Bessarabien und die Nordbukowina zurückerobert hatten, zögerte A. mit seiner Zustimmung zu einem Sonderfrieden. Nachdem die sowjetischen Truppen die Front im Norden Rumäniens durchbrochen hatten, wurde A. am 23.8.1944 von einigen Generälen aus dem Umkreis des Königs festgenommen. Die rumänische Armee beteiligte sich danach am Kampf gegen das Deutsche Reich. A. wurde nach einem Prozess im Juni 1946 gemeinsam mit dem ehemaligen Außenminister Mihai Antonescu und dem Gouverneur von Transnistrien hingerichtet. Nach 1990 wurde in Rumänien gestritten, ob A. als antikommunistischer Märtyrer oder Kriegsverbrecher bewertet werden soll. Im Zuge von Rumäniens Bemühungen um die Aufnahme in die EU berief der Staatspräsident 2004 eine internationale Historikerkommission, welche den genannten Umfang der Massenmorde an Juden und Roma bestätigte. Der Bericht wurde dem Parlament vorgestellt und danach die A.-Straßen umbenannt.

Hausleitner M. 2002: Das Ende des Antonescu-Kultes? Zum Verhältnis von Geschichte und Politik in Rumänien nach 1990. Südosteuropa 51/7–9, 412–430. International Commission on the Holocaust in Romania. Final Report. Iaşi 2005. Ioanid R. 2000: The Holocaust in Romania. The Destruction of Jews and Gypsies Under the Antonescu Regime. 1940–1944. Chicago.

(Mariana Hausleitner)


Views
bmu:kk