Litoměřice

Litoměřice (tschech., dt. hist. Leitmeritz)

Die nordböhmische Stadt L. liegt gegenüber der Mündung des Flusses Eger in die Elbe auf einer Höhe von 136 m ü. d. M. im Gebiet Ústecký kraj und zählt 25.517 Einwohner (2006). L. hat eine Lebensmittel- und Textilindustrie, die die Produkte aus der Landwirtschaft der Umgebung, des sog. Böhmischen Gartens, verarbeitet. Die seit 1720 existierende Brauerei wurde 2002 geschlossen.

Auf dem Gebiet des heutigen L. siedelten bereits Kelten. Im 8. Jh. entstand hier
Stephanskirche
die Stammesburg einer slawischen Bevölkerungsgruppe, die Anfang des 10. Jh. von den Přemysliden unterworfen wurden. 1057 wurde unter Herzog Spytihněv II. die Stephanskirche erbaut. Nach 1255 ließen sich in der planmäßig angelegten Stadt und im Umland deutsche Siedler nieder. In der zweiten Hälfte des 13. Jh. wurde die Stadt Sitz einer Münzstätte. Der Handel auf der Elbe, das Stapelrecht und Märkte verhalfen L. zu Reichtum. Im 15. Jh. ist bereits eine stärkere Zuwanderung tschechischer Bevölkerung in die Stadt zu verzeichnen. Die protestantische Stadt verlor nach dem Sieg der katholischen Habsburger im böhmischen
Kirche
Ständeaufstand 1620 ihre Privilegien. Mehr als 500 Personen mussten die Stadt verlassen, darunter auch der Jurist und Autor der Schrift ›Respublica Bojema‹, Pavel Stránský. Im Rahmen der Rekatholisierung ließen sich Jesuiten nieder, nach 1648 erfolgte der barocke Wideraufbau der Stadt, 1655 wurde sie Bischofssitz. Anstelle der alten Stephanskirche wurde 1670 mit dem Bau des Domes begonnen. Die Schlesischen Kriege 1740–63 und die Reformen der Aufklärungszeit (Auflösung
Zentrum
des Jesuitenordens sowie des Minoritenklosters und letztendlich auch des Dominikanerklosters) hemmten die städtische Entwicklung. Der Bau der nahen Festung Theresienstadt förderte das städtische Handwerk, 1841 legte in L. erstmals ein Dampfschiff an. 1874 erfolgte der Anschluss an das Eisenbahnnetz.

L. entwickelte keine Industrie und blieb Anfang 20. Jh. eine von Schulen, Verwaltung, Militär und Handwerk geprägte Stadt. Die Einwohnerschaft von L. war national gemischt. Bis 1738 war die Amtssprache Tschechisch, danach Deutsch. 1900 waren von 13.075 Einwohnern 11.532 Deutsche (478 Juden). Die deutsche Bevölkerung von L. erklärte nach der Entstehung der Tschechoslowakei Ende Oktober 1918 ihre Zugehörigkeit zur Provinz Deutschböhmen. Am 11.12.1918 wurde die Stadt von tschechischen Truppen besetzt. Nach dem Münchner Abkommen vom September 1938 gehörte L. als Leitmeritz zum Sudetenland und wurde Grenzstadt zum Protektorat. In unmittelbarer Nähe der Stadt lag die zum KZ Theresienstadt gehörende im Kalkbergwerk gelegene Rüstungsfabrik „Richard“. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Bevölkerung zwangsausgesiedelt, was einen Bevölkerungsrückgang von 16.988 im Jahr 1921 auf 14.035 1950 zur Folge hatte. 1950 wurde das Zentrum von L. unter Denkmalschutz gestellt.

(Katrin Bock)

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