Amudarja

Amudarja (russ. Amudar’ja, tadschik. dar’ëi Amu, turkmen. Amyderÿa, usbek. Amudaryo, karakalpak. Ämu där’ja, altgriech. Ōxos, latein. Oxus)

Der A. ist der längste und mit einer durchschnittlichen Abflussmenge von 79,3 km³ wasserreichste Fluss im ehemals sowjetischen Teil Zentralasiens. Sein Einzugsgebiet
Amudarja
wird mit 309.000 km² angegeben, seine Länge (einschließlich des Flusses Panğ) mit 2540 km. Zu 63 % bildet sich der Abfluss des A. auf dem Territoriums, der Rest stammt größtenteils aus Usbekistan.

Der A. hat zwei Quellflüsse, Panğ und Vachš. Weitere wichtige Zuflüsse sind Kafirnigan, Surchandarja und Kundus mit 5,4, 3,3 bzw. 6,7 km³ durchschnittlicher jährlicher Abflussmenge. Der Gesamtabfluss des A. und seiner Tributäre lag in den 1970er Jahren bei durchschnittlich 72,47 km³; aktuelle Berechnungen liegen mit 79,28 km³ höher, teilweise bedingt durch höhere Abschmelzwerte bei den Gletschern im Pamir Im 20. Jh. erlebte das Stromsystem Schwankungen der Abflussmengen zwischen einzelnen Jahren von 42,84 bis 98,72 km³. Der Fluss Panğ bildet auf über 1100 km die tadschikisch-afghanische, auf 137 km die usbekisch-afghanische Grenze. Bei Termez besteht ein Übergang mit Brücke über die usbekisch-afghanische Grenze. Auf etwa 50 km bildet der A. die turkmenisch-afghanische Grenze, ehe er auf turkmenischem Territorium und anschließend auf usbekischem Territorium fließt. In der zu Usbekistan gehörenden Autonomen Republik KarakalpakKarakalpakistan mündet der A. in den Aralsee. Unterhalb der Stadt Kerki erreicht kein Nebenfluss mehr den A.; der Fluss fließt durch das Tiefland von Turan und trennt die turkmenische Wüste Karakum („Schwarzer Sand“) von der Wüste Qizilqum („Roter Sand“) in Usbekistan. Eine massive Wasserentnahme, insbesondere für Bewässerungszwecke, lässt die durchschnittlichen Abflussmengen zwischen Kerki und dem Flussdelta bei Nukus stark zurückgehen.

Die wichtigsten Kanäle, die ihr Wasser aus dem A. erhalten, sind der Karakum-Kanal (vormals Lenin-Kanal, heute Türkmenbaşy-Kanal), der Wasser in die Bewässerungsoasen Turkmenistans leitet, der Amu-Buchara-Kanal, der der Bewässerung der Oase von Buchara am Unterlauf des Flusses Zarafshon dient, sowie der umstrittene Tujamujun-Kanal, der Wasser aus dem oberen Teil des A.-Deltas entnimmt. Hinzu kommen kleinere Kanalsysteme für die Bewässerung entlang des Flusslaufes und im Deltabereich. Auch das Wasser der Quell- und Zuflüsse wird bereits genutzt, so dass der Wert des durchschnittlichen Abflusses nicht das gesamte Wasserangebot im Einzugsgebiet des A. wiedergibt. Ausgedehnte Bewässerungsgebiete werden durch die Flüsse Vachš und Surchandarja versorgt. Wichtigster Wassernutzer ist die Landwirtschaft, wobei wiederum der größte Teil auf Baumwollkulturen entfällt. Von den Wasserressourcen des A. entnimmt Usbekistan 44,2 %, Turkmenistan 41,5 %. Bilaterale Vereinbarungen, die zwischen Turkmenistan und Usbekistan über die Wassernutzung des A. geschlossen wurden, gewähren Turkmenistan jedoch nur einen Anteil von 35,8 %. Die Mehrentnahme reduziert wiederum den Abfluss des A. in den Aralsee, der im Durchschnitt der Jahre 1993 bis 1999 nur 6,1 km³ erreichte. Dies reicht nicht zur Stabilisierung des Wasserstands aus.

Dass die tatsächliche Wassernutzung des A. die internationalen Verträge der Anrainerstaaten nicht immer einhält, hat eine latente Konfliktsituation zur Folge. Besonders umstrittene Projekte sind der Bau des Rogun-Staudammes in am Oberlauf des Flusses Vachš in Tadschikistan, die Ausweitung der Wasserableitung durch den Karakum-Kanal nach Turkmenistan, die Ableitung von Wasser aus dem Tujamujun-Stausee in die turkmenischen Bewässerungsgebiete bei Dašchovuz sowie das Projekt eines Stausees „Goldenes Zeitalter“, das seit Oktober 2000 in der turkmenischen Karakum-Wüste verwirklicht wird und vermutlich nicht nur aus Drainagewässern gespeist werden wird. Die Tatsache, dass sowjetische Großprojekte ohne Bindung an die damaligen Unionsrepubliken durchgeführt wurden, erschwert unter den Bedingungen der Eigenstaatlichkeit das Management. Vor allem zwischen Turkmenistan und Usbekistan besteht eine latente Rivalität bei der Nutzung der Wasserressourcen des A.

Bei ausreichendem Wasserstand ist der A. unterhalb von Termez schiffbar, doch ist die Bedeutung der Schifffahrt für den Handel gering. Größere Relevanz hat die Querung des nur an wenigen Stellen überbrückten Flusses.

Giese E., Sehring J., Trouchine A. 2004: Zwischenstaatliche Wassernutzungskonflikte in Mittelasien, Geographische Rundschau 56/10, 10–16. Sadikov A. S. (Red.) 1979: Irrigacija Uzbekistana. Bd. III: Sovremennoe sostojanie i perspektivy razvitija irrigacii v bassejne r. Amudarʹi. Taškent.

(Jörg Stadelbauer)

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