Aralsee
Aralsee (dt., karakalpak. Aral teņizi, kasach. Aral teņízí, russ. Aralʹskoe more, usbek. Orol dengizi)
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1 Geographie
Der A. ist ein Binnensee in Zentralasien, der heute durch eine internationale Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan (Autonome Republik Karakalpakstan) aufgeteilt ist. Große internationale Aufmerksamkeit erfährt der A. wegen des Sinkens des Seespiegels und der Reduktion der Oberfläche. Während der See 1960 noch 69.380 km² Fläche (andere Angaben: 63.915 km², vermutlich ohne Berücksichtigung der Inseln) und 1056 km³ Inhalt umfasste, reduzierte sich die Fläche bis 1997 auf 29.630 km² und der Inhalt auf 190 km³. Die Hauptursache liegt im dramatischen Rückgang der Wasserführung der beiden Zuflüsse Syrdarja und Amudarja. Sie bilden in ihren Einzugsgebieten durchschnittliche jährliche Abflussmengen von 37,2 bzw. 79,3 km³, die jedoch größtenteils bereits vor der Einmündung der beiden Flüsse in den A. verbraucht werden. Im Durchschnitt der Jahre 1993–99 lag der jährliche Gesamtzufluss aus dem Amudarja in den A. nur bei 6,1 km³. Trotz zahlreicher Projekte zur Erforschung der Hydrologie des A. und zur Wasserstandsstabilisierung setzt sich der Rückgang unaufhaltsam fort.
Geologisch ist der A. ein Relikt aus der jüngeren Erdgeschichte. Schwarzes Meer, Kaspisches Meer und A. bildeten einen Teil der Tethys, d. h. des Meeres, das seit dem Erdmittelalter Eurasien von den südlich anschließenden Teilkontinenten Afrika, Anatolien, Arabien und Indien trennte. Die im Pleistozän erfolgte Hebung und Senkung des Weltmeeresspiegels führte schließlich zur Ausbildung der heute vorhandenen drei Becken, insbesondere zur relativen Absenkung des am tiefsten reichenden südwestlichen Restbeckens. Im Gegensatz zum Kaspischen Meer handelt es sich beim A. um ein relativ flaches Becken, das 1960 im flacheren östlichen Teil eine Tiefe von 5–20 m, im tieferen westlichen Teil, einem am Rand des Ustjurtplateaus entlang ziehenden Taltrogs, eine Tiefe von 69 m erreichte. Ende 1989 löste sich der See bei einer Seespiegelhöhe von 39 m in zwei Teilbecken auf; der nördliche Kleine A. wurde auf Grund einer landfest werdenden Schwelle vom südlichen Großen A. getrennt. Der Kleine A. wird nunmehr ausschließlich (und sehr unregelmäßig) vom Syrdarja gespeist, der Große A. vom Amudarja. Mit der Fortsetzung des Austrocknungsprozesses ist der Große A. wiederum in zwei Teilbecken aufgegliedert worden, ein tieferes westliches (5000 km²; 76 km³) und ein flaches östliches (12.000 km², 45 km³).
Mit der Austrocknung nahm der Salzgehalt beständig zu. Lag er Anfang der 1960er Jahre noch bei 10 g/l, so wurde 1997 mit 46 g/l der Salzgehalt des offenen Meeres erreicht. Nach der Aufteilung des A. in Teilbecken entwickelte sich der Salzgehalt unterschiedlich: der östliche Teil des Großen A. ist heute bereits ein Salzsee mit rd. 70 g/l Salzgehalt. Die Hauptursachen für die steigende Versalzung liegen in der Reduktion der Zuflussmengen und dem Eintrag von Salzen durch das Fluss- und Grundwasser. Auch werden durch Staubstürme und durch Niederschläge, die bei der Wolkenbildung Salz in Staubform aufgenommen haben, höhere Einträge verursacht.
Die Veränderung der natürlichen Gegebenheiten am A. und in seiner Region wird heute allgemein als Umweltkrise oder gar -katastrophe angesprochen. Es handelt sich um eine anthropogen verursachte Katastrophe, die die natürlichen Ökosysteme schädigte und indirekt wiederum die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen der ansässigen Bevölkerung verschlechterte.
2 Wirtschaft und Umwelt
Die wirtschaftliche Bedeutung des A. lag früher in seiner Funktion als Wasserreservoir und im Fischreichtum. Vor der Absenkung des Seespiegels wurden jährlich bis zu 45.000 t Fisch im A. gefangen. Darauf gründete sich der Ausbau von Muinak am Südufer zu einem Zentrum von Fischfang und Fischverarbeitung; ein weiteres Fischkombinat entstand in Aral'sk (russ., kasach. Aral). Inzwischen hat der A. beide Bedeutungen verloren und beide Orte liegen wegen der Austrocknung des Sees viele Kilometer vom Ufer entfernt. Die steigende Salinität ließ den Fischbestand stark zurückgehen, weil sich Biomasse und Phytoplankton als Nahrungsgrundlage für die Fische reduzierten. Bereits Ende der 1970er Jahre musste der Fischfang eingestellt werden; das Kombinat in Aral'sk wurde zeitweise noch mit eingefrornem Fisch anderer Provenienz zur Weiterverarbeitung versorgt, um die Arbeitslosigkeit in einem monostrukturell angelegten Raum nicht zu rasch empor schnellen zu lassen.
Die Folgen der Austrocknung des A. reichen weit in das Umland des Sees und unterstützen dort Desertifikationsvorgänge. Da über der ehemaligen Seefläche und über dem Salzwasser Salze in die Atmosphäre gelangen, erhöht sich der Salzgehalt der Niederschläge über den benachbarten Bewässerungsflächen, aber auch über den ungenutzten Arealen. Auf dem Bewässerungsland verstärken salzhaltiges Grund- und Bewässerungswasser und die Niederschläge die Bodenversalzung, die zunehmend Flächen für die Landwirtschaft unbrauchbar macht oder zumindest die Erträge zurückgehen lässt. Wo die Landwirtschaft bereits aufgegeben werden musste, kommt es zu einem Vorrücken der Wüste. Projekte der technischen Entwicklungszusammenarbeit zielen darauf ab, durch Anpflanzungen zumindest die Bewegung des Sandes einzudämmen, um eine weitere Desertifikation zu unterbinden.
Eine weitere Folge der ökologischen Verschlechterung der Lage im A. und seiner Umgebung ist in einer massiven Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung zu sehen. Erkrankungen des Magen- und Darmtraktes und der Atmungsorgane sind signifikant angestiegen, ebenso die Kinder- und Müttersterblichkeit.
Die bisherigen Lösungsansätze beruhen weitgehend auf Überlegungen zur Umlenkung von Wasserressourcen aus anderen Strombecken, insbesondere aus Sibirien. Entsprechende Pläne wurden seit 1968 immer wieder erarbeitet und aus Gründen der mangelnden Durchführbarkeit oder der unkalkulierbaren ökologischen Konsequenzen verworfen. Eine Alternative wäre das Abrücken insbesondere Usbekistans von einer einseitig auf den Baumwollexport ausgerichteten Agrarpolitik, weil die Ausweitung der Bewässerungsflächen einer der Hauptverursacher der Krise ist. Schließlich liegt ein enormes Verbesserungspotenzial in der Optimierung der Bewässerungsanlagen und der Wassernutzung, doch erscheinen die damit verbundenen Kosten zu hoch. Da keiner der Lösungsansätze bisher auch nur näherungsweise verfolgt wurde, setzt sich die Austrocknung des Sees weiter fort.
Giese E., Bahro G., Betke D. 1998: Umweltzerstörungen in Trockengebieten Zentralasiens (West- und Ost-Turkestan). Ursachen, Auswirkungen, Maßnahmen Stuttgart (= Erdkundliches Wissen 125). Giese E., Sehring J., Trouchine A. 2004: Zwischenstaatliche Wassernutzungskonflikte in Mittelasien, Geographische Rundschau 56/10, 10–16. Rafikov A. A., Tetjuchin G. F. 1981: Sniženie urovnja Aralʹskogo morja i izmenenie prirodnych uslovij nizovʹev Amudarʹi. Taškent.