Raab (Stadt)

Raab (ung. Győr, slowak. Ráb, kroat./serb. Đur, latein. Jaurinum).

Am Zusammenfluss der Mosoner-Donau, Rába und Rábca (dt. Rabnitz) auf einer Höhe von 119 m gelegen, ist das ca. 120 km von Budapest entfernte R. mit einer Fläche von 174,6 km² und mit 129.287 Einwohnern (2001) Hauptstadt des Komitats Raab-Wieselburg-Sopron (ung. Győr-Sopron-Moson megye) und das geistige, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum der Kleinen Ungarischen Tiefebene. Der ungarische Name der Stadt wird auf hier zur Zeit der ungarischen Landnahme lebende Ritter (Gyaur) zurückgeführt.

Der Raum R. ist seit der Jungsteinzeit besiedelt, bekannt ist eine erste bedeutende keltische Siedlung 500 v. Chr. mit dem Namen Arrabona, auf den auch die deutsche bzw. slowakische Bezeichnung der Stadt zurückgehen. Zur Sicherung des Limes wurde von den Römern ein Soldatenlager errichtet (1.–4. Jh.). Danach folgte eine awarische und fränkische Besiedlung. Nach der Landnahme verstärkten die Ungarn die Festung, Kg. István I. richtete im 10. Jh. ein Bistum ein. Eine erste urkundliche Erwähnung findet R. 1009 als Jauryana, um 1210 als Geur. 1209 siedelten sich die Johanniter an, 1221 die Dominikaner und 1235 die Franziskaner. 1255 erhält R. die Zollhoheit, ab 1271 Marktrecht und freie Richterwahl, es wird Sitz von Steuer- und Salzamt. Im 15. Jh. in die Auseinandersetzungen um die ung. Königskrone verwickelt, geriet die Stadt kurzfristig in die Hand Friedrichs III. Es folgte ein signifikanter Ausbau der Stadt mit der Dreifaltigkeitskirche (1404) und der Erweiterung des Doms (1450–80).

1529 wurde R. von seinen Verteidigern in Brand gesteckt, um eine osmanische Eroberung der Stadt zu verhindern. Nach einer Feuersbrunst 1566 wurde ein Verteidigungssystem aufgebaut, das Straßen- und Gassensystem regulierte. 1594–98 befand sich R. in osmanischer Hand. Nach dem Abzug der Osmanen erfolgte die Ansiedlung von Deutschsprachigen, es kam zu einer Blüte des Viehhandels und der Zünfte, die Stadt wurde aufwendig im Barockstil umgebaut. Weder die Osmanen noch die Kuruzen konnten die gut befestigte Stadt 1683 bzw. 1707 einnehmen. 1723 erhielt R. weitere Privilegien, 1743 wurde es zur freien Königsstadt. Während der ung. Revolution 1848/49 kam es bei R. mehrfach zu Kämpfen, im Juni 1849 wurden Stadt und Festung von den kaiserlichen Truppen unter Feldzeugmeister Haynau erobert.

Im 19. Jh. setzt eine bedeutende wirtschaftliche Entwicklung ein, R.wurde zum Zentrum des ungarischen Getreideexports. 1880 erfolgte die Schleifung der Stadtmauern, mit dem Ausbau der Eisenbahnen, aber v. a. der Regulierung der Donau verlor R. seine Rolle als Handelszentrum, was aber durch eine gute Entwicklung der Industrie ausgeglichen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt sich R. zum zweitwichtigsten Industriestandort Ungarns.

Am 14.06.1944 wurden 2985 im Sinne der ungarischen „Judengesetze“ registrierten Juden deportiert. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde R. als Eisenbahnknotenpunkt Ziel alliierter Bombenangriffe. Am 28.03.1945 befreit, erlangte die Stadt im Zuge des Wiederaufbaus und der forcierten Industrialisierung in der kommunistischen Ära eine regional herausragende Rolle. 1989 erhielt R. den Europapreis für die Rekonstruktion der Innenstadt. Wende, Privatisierung und ausländische Investitionen führten zu einer Beschleunigung der Entwicklung R.s.

Heute ist R. voll in die ungarische Verkehrsinfrastruktur eingebettet, was die Stadt zu einem idealen Produktionsstandort macht. Hier werden – u. a. auch von multinationalen Konzernen – Kraftfahrzeuge, Motoren, Kfz-Zubehör, landwirtschaftliche Maschinen, Textilien und Lebensmittel hergestellt. R. ist auch Standort mehrerer akademischer Einrichtungen, darunter der István- Széchenyi-Universität, einiger Einrichtungen der Westungarischen Universität und einer katholischen Theologischen Hochschule. Mit dem Nationaltheater R., dem „R.er Balett“ sowie dem alljährlich im Herbst stattfindenden ›Mediawave‹-Festival ist R. auch ein überregionales Kulturzentrum.

Boros L. 1980: Die Karmeliterkirche in Győr. Budapest.

(Bela Rásky)

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