Sandomierz (Stadt)

Sandomierz (poln., dt./russ. hist. Sandomir)

Die Kreisstadt S. – eine der ältesten und bedeutendsten Städte Polens – liegt rund 200 km südöstlich von Warschau an der Weichsel und am Rand der Höhen von Kielce. S. ist Teil der Woiwodschaft Heiligenkreuz (województwo świętokrzyski), umfasst ein Gebiet von 28,8 km² und zählt 25.300 Einwohner (2005). Bedeutendster Industriezweig der Stadt ist die Fensterglasherstellung.

Ausgrabungen deuten auf eine befestigte Siedlung mit einer Wehranlage spätestens seit dem 10. Jh. hin. Erste urkundliche Erwähnungen über S. finden sich in der Chronik des Gallus Anonymus aus dem Jahre 1113 und in den Aufzeichnungen des arabischen Geographen al-Idrīsī. In seinem Testament machte König Bolesław III. Krzywousty (1085–1138) S. 1138 zur Hauptstadt des S.er Fürstentums.

Seitdem entwickelte sich die Stadt zum wichtigen geistlichen und wirtschaftlichen Zentrum. Davon zeugt unter anderem die Gründung des zweiten Dominikanerklosters in Kleinpolen nach dem Krakauer Kloster. Jedoch vernichteten Tatareneinfälle 1241 und 1259 die Stadt vollständig bis auf das Kloster als einziges aus Stein gebautes Gebäude. Der Wiederaufbau der Stadt erfolgte 1286. Damit erhielt S. auch die Stadtrechte. 1349 wurde die Stadt beim Einfall der Litauer erneut niedergebrannt.

Der zweite Wiederaufbau im 14. Jh. gestaltete die Stadt so, wie sie zum Teil bis heute erhalten ist: Das Stadtzentrum ist oval angeordnet, darin befindet sich der rechteckige Marktplatz, von dem die Hauptstraßen abgehen.

Im westlichen Teil der Stadt unweit der Befestigungsmauern befand sich zu damaliger Zeit das jüdische Viertel, seinerzeit das zweitgrößte jüdische Viertel Kleinpolens nach Krakau, das 1367 ein spezielles Privileg des Königs Kazimierz III. Wielki (1310–70) erhielt, das die Juden unter den Schutz des Monarchen stellte.

Das 15. und 16. Jh. eröffnete für S. eine Blütezeit sowohl in wirtschaftlicher als auch kultureller Hinsicht. Der Handel blühte, viele S.er studierten an der Krakauer Akademie und namhafte ausländische Gelehrte siedelten sich in der Stadt an. So lebte auch der bedeutende Chronist Jan Długosz (1415–80) einige Zeit in S. Das aufgeklärte Bürgertum öffnete sich auch anderen Glaubensrichtungen. 1570 schlossen in S. Vertreter der Protestanten, Calvinisten, Lutheraner und der Böhmischen Brüder ein Übereinkommen zum Widerstand gegen die erstarkende Gegenreformation.

Der Einfall der Schweden 1655 setzte der Blütezeit der Stadt ein Ende. Die erste Teilung Polens 1772 vernichtete die administrative und wirtschaftliche Bedeutung der Stadt. In der dritten Teilung Polens fiel S. an Österreich. Der Polnisch-Österreichische Krieg 1809 mit dem Sturm auf die Stadt ist in Stefan Żeromskis Werk ›Popioły‹ beschrieben. Die schlechte Situation der Stadt besserte sich etwas, als S. nach 1815 in die Grenzen des Königreichs Polen zurückkehrte.

Im Ersten Weltkrieg war S. Schauplatz zahlreicher Kämpfe. Der Zweite Weltkrieg verschonte die Stadt weitgehend von Zerstörungen. Die jüdische Bevölkerung der Stadt wurde jedoch in ein Ghetto gesperrt und ab 1942 in Vernichtungslager abtransportiert. Am 18.8.1944 wird die Stadt von der Besatzung befreit.

Nach Beendigung des Krieges wird aufgrund der kaum vorhandenen Industrie besonderes Augenmerk auf die Entwicklung der Landwirtschaft gelegt. Zu Beginn der 50er Jahre werden im S.er Gebiet Schwefellagerstätten gefunden. Die Schwefelgewinnung eröffnet auch Zugang zu großen Sandvorräten, die für die Glasherstellung eingesetzt werden. So wird in den 60er Jahren die S.er Fensterglashütte errichtet. Seit den Reformen der 90er Jahre hat S. mit Strukturproblemen wie Arbeitslosigkeit zu kämpfen.

Bęc M. (Hg.) 2001: Sandomierz z dziejów polityki, prawa i kultury. Sandomierz. Tabaczyński S., Buko A. 1981: Sandomierz. Starożytność. Wczesne średniowiecze. Rzeszów.

Gabriele Käbisch

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