Paulikianer

Paulikianer (auch: Paulicianer, Paulizianer, bulg. Pavlikeni)

Inhaltsverzeichnis

1 Name

Die Ableitung des Namens für diese Glaubensgemeinschaft vom Apostel Paulus konkurriert mit der von einem weiteren Paulus, Sohn einer legendären Manichäerin Kallinike, sowie sogar von Paulus von Samosata (3. Jh.)

2 Lehre

Die auf der Synode von Dvin (Armenien) 719 erstmals erwähnte Lehre der P. ist nicht aus direkter Überlieferung bekannt, sondern wird aus der Polemik gegen sie erschlossen. Demnach handelt es sich um eine den Manichäern nahe stehende, aber wohl nicht direkt an sie anschließende, zudem auch von den Markioniten beeinflusste, streng dualistische Glaubenslehre, die u. a. das Alte Testament und Teile des Neuen Testaments sowie Ehe, Kult und Hierarchie, Bilder (Ikonen), Sakramente sowie das Kreuzzeichen ablehnte. Dadurch geriet sie bald in Gegensatz zur orthodoxen Staatskirche und wurde von Byzanz verfolgt. Nach der Niederlage von 872 wurde ein Teil der P. nach Thrakien umgesiedelt, wo sie im Bogomilentum eine Fortsetzung gefunden oder zumindest auf dessen Entstehung Einfluss gehabt haben. Vielleicht sind hier schon im frühen Mittelalter und dann verstärkt nach dem Niedergang der Bogomilen Übertritte zum Katholizismus erfolgt. Jedenfalls hat eine entsprechende Namensübertragung auf die Katholiken in Bulgarien stattgefunden, welche ihre Spuren noch in der heutigen Eigenbezeichnung Pavlikeni bzw. Palćeni in Bulgarien und bei den Banater Bulgaren hinterlassen hat.

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3 Geschichte

Die Ende des 7. Jh. wahrscheinlich in Armenien entstandene und sich über ganz Kleinasien verbreitende Häresie befand sich zunächst noch mit den bilderfeindlichen byzantinischen Kaisern im Einvernehmen und wurde erst unter den Kaisern Michael I. (811-813) und Theophilos (829-842) verfolgt. Daraufhin verbündeten sie sich mit den Arabern gegen Byzanz und unternahmen Raubzüge, die sie u. a. bis Ephesos führten. Nach der endgültigen Unterwerfung wurden sie 875 z. T. nach Thrakien umgesiedelt, wo sie die Sicherung der Grenze gegen die Bulgaren übernahmen. In Armenien verbliebene Reste wurden um 970 ebenfalls nach Thrakien verbannt. Auf der Balkanhalbinsel verliert sich ihr Name zunächst, was die Vermutung nahe legt, dass sie konvertierten bzw. wenigstens zum Teil im Bogomilentum aufgingen. Diese neue nach dem Priester Bogomil benannte asketische Gemeinschaft zeigt in ihrer einen manichäischen Dualismus verbreitenden Lehre trotz gewisser Unterschiede (Askese) fraglos viele Gemeinsamkeiten mit den P. und verbreitete sich ab Mitte des 9. Jh. auf der Balkanhalbinsel und erreichte schließlich Oberitalien und Frankreich (Katharer). Sie wurde ebenfalls von der orthodoxen, d. h. in diesem Fall von der bulgarischen Kirche verfolgt. Während der Verfolgungen trat ein Teil der P.-Bogomilen zur Orthodoxie, ein anderer vielleicht schon zum Katholizismus und ein weiterer zum Islam über. Dem Antagonismus zwischen orthodoxer Staatskirche und dem national-bulgarischen Bogomilentum wird nach der Eroberung Bulgariens durch die Türken ein gewaltsames Ende gesetzt. Nach der erfolgreichen Missionstätigkeit der Franziskanermönche ab dem 17. Jh. verlieren sich die Spuren der p. Sekte und übrig bleibt nur das „Konfessionym“.

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4 Gegenwart

Die angedeutete Traditionslinie von den kleinasiatischen P. zu den heutigen Pavlikeni in Bulgarien und im rumänischen und serbischen Banat wird mit dem Fortleben des Namens begründet. In Bulgarien lebt die südliche Gruppe der katholischen P. in Dörfern um Plovdiv und die nördliche um Nikopol an der Donau. Die Banater P. sind Flüchtlinge aus Nordbulgarien, die v. a. 1688 nach der Unterdrückung des Aufstands von Čiprovci durch die Türken ins Habsburgerreich flohen und sich schließlich in und um Vinga, in Dudeştii Vechi sowie in einigen Nachbardörfern auch jenseits der heutigen serbischen Grenze niederließen. Die ursprüngliche Lehre der P. ist nach der Annahme des Katholizismus verloren gegangen.

Die sich in Bulgarien und im Banat als P. (Pavlikeni bzw. Palćeni) bezeichnenden Katholiken lassen einen hohen Grad an sprachlicher und kultureller Eigenständigkeit erkennen. Auf ihre Initiative hin wurde 1651 in Rom mit dem Abagar sogar das erste Buch mit sprachlichen Elementen des Neubulgarischen gedruckt.

Die Glaubensbrüder im Banat haben aufgrund der besonderen historischen Umstände (Isolation nach der Abwanderung im 17. Jh.) sogar eine eigene Schriftsprache vornehmlich für den kirchlichen Gebrauch entwickelt und benutzen zudem das lateinische Alphabet. Erst vor kurzem erschien 1998 in Timişoara eine neue Übersetzung des Neuen Testaments in dieses Idiom (Svetotu Pismu, Novija Zákun), die erste wurde bereits um 1900 in Budapest gedruckt.

Dujčev J. 1937: Il cattolicesimo in Bulgaria nel sec. XVII. Rom. Garsoïan N. G. 1967: The Paulician Heresy. Den Haag. Ludwig C. 2002: Paulikianer. LMA 6, 1812-1813. Miletič L. 1903: Našite Pavlikiani. Sbornik za narodni umotvorenija, nauka i knižnina XIX, 1-369. Nedelčev N. 1994: Dialekt na bălgarite-katolici. Veliko Tărnovo. Njagulov B. 1999: Banatskite bălgari. Sofia.

(Klaus Steinke)

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