Theoderich der Große

Theoderich der Große (latein. Flavius Theodoricus); *451/56 unweit des Sees Balaton (Ungarn) †30.8.526 Ravenna (Italien), König der Ostgoten (474–526), Sohn des ostgotischen Königs Theodemer (Thiudimir), aus dem Geschlecht der Amaler, und der Ereleuva.

Als Geisel und Garant des Friedens zwischen den amalischen Ostgoten und Byzanz, verbrachte T. zehn Jahre (459–469) am kaiserlichen Hof in Konstantinopel. Nach seiner Rückkehr nach Pannonien organisierte er das Heer seines Vaters gegen Ostrom und besetzte 471 Singidunum (latein., heute Belgrad). Weitere Vorstöße in den oströmischen Herrschaftsraum (so nach Epiros und Thessalien) folgten. 473 gelang es T., den von ihm geführten ostgotischen Teilstamm in Makedonien als ›foederati‹ des oströmischen Reiches anzusiedeln. Vorübergehend schien er an Macht gegenüber seinem Rivalen Theoderich Strabo einzubüßen, doch festigte sich mit dessen Tod (481) seine Stellung innerhalb der Ostgoten und insbesondere als Verhandlungspartner der Oströmer. 481 wurde er zum Heermeister ›magister militum‹ und am 1.1.484 Konsul in Konstantinopel Nach erneuter Verschlechterung der Beziehungen führte T. 486 seine Truppen gegen Konstantinopel und belagerte die Stadt. Der 488 mit dem oströmischen Kaiser Zenon abgeschlossene Vertrag sah u. a. vor, dass T. im Bündnis mit Ostrom dessen Anspruch auf Italien gegen den dort herrschenden Odoaker durchsetzen helfen sollte. Nach dreijähriger Belagerung eroberte T. 493 Ravenna und wurde (im selben Jahr) zum König des ostgotischen Reiches erhoben, 497 anerkannt durch Byzanz.

Das neu gegründete Reich zeichnete sich durch innenpolitische Stabilität und Wohlstand aus. T. strebte ein friedliches Zusammenleben zwischen Ostgoten und Römern an: d. h., der römische Staatsmechanismus blieb erhalten und Byzanz behielt das Vorrecht Senatoren und Patrizier zu ernennen sowie Konsuln zu wählen. Ein Drittel des Landes wurde jedoch der ostgotischen Bevölkerung zugewiesen. Ihr blieben der Militärdienst und wichtige administrative Posten vorbehalten. Die kulturelle Blüte des Reiches spiegelt sich in vielen Bereichen wider, u. a. der Bibelkunde und Goldschmiedekunst sowie den Runen. Namhafte Gelehrte wirkten am Hofe T.s (u. a. Prokopios von Kaisareia).
Im religiösen Bereich übte T. anfangs Toleranz. Doch die unter Kaiser Justinian I. einsetzenden Arianerverfolgungen (um 525), trübten das Verhältnis zwischen der römisch Aristokratie und den arianischen Ostgoten. Trotz einer vielfältigen um die Verbesserung des Verhältnisses zu Ostrom bemühten Diplomatie und Heiratspolitik verschlechterten sich die Beziehungen zusehends. Auch die Westpolitik T.s verlief glücklos, nachdem 506 das Bündnis mit den Franken zerbrach. 511 wurde T. zum König der Westgoten, die Verbindung beider gotischer Reiche überdauerte jedoch seinen Tod 526 nicht. Da ihm die Regelung seiner Nachfolge misslang, begann nach T. der Zerfall des von ihm begründeten Ostgotenreiches in Italien. Sein Grabmal ist heute in Ravenna zu besichtigen.

Aus dem Mittelalter ist die Heroisierung Th.s in der Person des deutschen Helden der Nibelungensage und des Hildebrandslieds Dietrich von Bern (= Verona) überliefert. Weitere Elemente der gotischen Geschichte finden sich in nordischen Sagenzyklen (›Hervararsaga‹) oder in der Sage über Walther von Aquitanien.

Heather P. 1995: Theoderic. King of the Goths. Early Medieval History 4, 145–173.

(Myrtia Hellner)


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