Andros

Andros (griech.)

A. ist die nördlichste und mit 8781 Einwohnern (1991) und ca. 380 km² die zweitgrößte Insel der Kykladen. Höchster Berg des überwiegend gebirgigen Eilandes ist Petalon (994 m ü. d. M.). Erdgeschichtlich bildete A. mit dem benachbarten Euböa, von dem es heute durch die Meerenge von Kafīreas (hist. Caphereus, heute auch Kavo Ntoro bzw. Capo d’Oro) getrennt ist, sowie Tīnos zeitweise eine einzige Insel.

Die antiken Bezeichnungen (Ydrousa, Lasia, Nōnagria und Epagris) weisen auf den Wasserreichtum der Insel hin. Dieser ist auch der Grund dafür, warum das Landschaftsbild von A. kein typisch kykladisches ist: Es ist geprägt von teils üppigem (Zypressen-)Bewuchs sowie von Häusern mit ziegelgedeckten Giebeldächern im Unterschied zu den auf den Kykladen ansonsten vorherrschenden weiß gekalkten Flachdachhäusern. Letztere haben die Funktion, das seltene und kostbare Regenwasser zu sammeln und in Zisternen weiterzuleiten; auf A. hingegen sollen die Giebeldächer vielmehr zum raschen Abfließen des Wassers beitragen. Als mythischer Begründer der Insel gilt Andros, der Sohn des Anios. Die erste schriftliche Erwähnung der Insel stammt aus dem 5. Jh. v. Chr., archäologische Funde aus der Steinzeit sowie Überreste aus der geometrischen Epoche bei Zagora zeugen allerdings von einer früheren Besiedlung. In klassischer Zeit besaß A. eine eigene Münzprägung und Kolonien auf der Chalkidike; das administrative Zentrum lag jedoch nicht in A.-Stadt (griech. Chōra), sondern im heutigen Palaiopolis an der Westküste der Insel. Während der Perserkriege zunächst auf persischer Seite, dann Mitglied des Attischen Seebundes, wurde A. erfolglos belagert. Von Attalos I. erobert, fiel die Insel 133 v. Chr. unter römische Herrschaft.

Die heutige Hauptstadt A. wurde in byzantinischer Zeit gegründet und gehörte ab 1204 zu Venedig. Aus dieser Zeit stammen die sichtbaren Überreste mehrerer Kastelle. 1579 fiel A. unter osmanische Herrschaft, die de facto von wenigen Feudalfamilien ausgeübt wurde. In dieser Zeit war die Mehrzahl der Bevölkerung in der Landwirtschaft, v. a. der Kultivierung von Maulbeerbäumen für die Seidenraupenzucht und Seidenproduktion, beschäftigt. Freie wirtschaftliche Entfaltung ermöglichten zudem die von den Osmanen gewährten Handelsprivilegien. 1770–74 war die Insel von russischen Truppen besetzt. Seit 1829 ist A. Teil Griechenlands.

Der im 19. Jh. einsetzende Aufschwung des Reedereiwesens, das bis heute einen wichtigen Wirtschaftsfaktor bildet, führte zur Entstehung einer eigenen Mittelklasseschicht; davon zeugen auch die für die Kykladen untypischen mehrstöckigen, im neoklassizistischen Stil erbauten Herrenhäuser. Aufgrund der das Leben der Insel beherrschenden Seefahrt wird A. mitunter auch als „Klein-England“ (griech. Mikra Agglia) der Ägäis bezeichnet. Über A. hinaus erlangte das von Theofilos Kairīs 1835 gegründete Waisenhaus als Zentrum seiner Lehren Bekanntheit. Ende des 19. Jh. setzte eine kontinuierliche Abwanderung v. a. junger Inselbewohner und -bewohnerinnen ein; erst seit den 50er Jahren des 20. Jh. stabilisieren sich mit der Entdeckung der Insel durch den Tourismus die Bevölkerungszahlen. Die Wintermonate verbringt fast die gesamte Bevölkerung jedoch auf dem Festland.

Von den im Laufe der Geschichte auf A. heimisch gewordenen Bevölkerungsgruppen albanischer, türkischer und venezianischer Herkunft zeugen heute noch die Namen vieler Ortschaften wie Arna oder Vourkōtīs.

Polemīs D. I. 1981: Istoria tīs Androu. Andros.

(Myrtia Hellner)


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