Krim (Khanat)

Krimkhanat;

Das K. entfaltete sich neben Kasan, Astrachan, Sibir, Kasimov und den Nogaier-Verbänden in der Mitte des 15. Jh. als eines der Nachfolgereiche der Goldenen Horde (ca. 1236 – ca. 1502). Seit dem frühen 17. Jh. war es als einziges dieser Reiche weiterhin existent und wurde erst 1783 durch Russland annektiert. Das K. war vom 15.–17. Jh. eine der bedeutendsten Mächte des östlichen Europa. Es lag an der Schnittstelle zwischen der orthodoxen, islamischen und lateinischen Welt. Es war das letzte auch von Vieh züchtenden Steppennomaden, einem Teil der Nogaier-Tataren bevölkerte Reich im westlichen Eurasien und sah sich als Rechtsnachfolger der Goldenen Horde. Moskau, Polen/Litauen, die beiden Donaufürstentümer entrichteten ihm bis ins späte 17. Jh. phasenweise Tributleistungen. Im Rahmen zahlreicher Feld- und Raubzüge wurden vor allem Sklaven erbeutet, die für die Eliten eine zentrale Einnahmequelle darstellten. Die Bevölkerung des K. hatte ihrerseits seit dem späten 16. Jh. unter den Raub- und Feldzügen der verschiedenen Kosakenverbände zu leiden. Mit den nördlichen Nachbarn bestanden im Gesamtzeitraum der Existenz des K. intensive politische, militärische (System der nordischen Kriege) und wirtschaftliche Kontakte.

Das K. umfasste neben der Halbinsel Krim, die Landschaften nördlich des Schwarzes Meeres, von den Flüssen Dudjak im Westen bis zum Kubanʹ und zu den Ausläufern des nördlichen Kaukasus im Osten. An der Spitze des K. stand der Khan aus der Familie der Girāi, die wie nahezu alle eurasischen Herrscher seit dem 13. Jh. dschingiskhanidischer Herkunft war. Quasi als Stellvertreter des Khans fungierten der ›Kalga‹ und der› Nur–ed –Din‹, die ebenfalls aus dem Herrscherhaus in männlicher Linie entspringen mussten. Das K. war politisch ein heterogen strukturiertes Reich, in dem der Khan nur eine deutlich begrenzte Macht ausüben konnte. Begrenzt wurde sie durch den tatarischen Adel (›Mirzen‹), vier große Clans auf der Krim selbst und die Führungsgruppen der fünf Kleinen Nogaierstämme, die über erhebliche Mitspracherechte etwa in Fragen der Besteuerung, der Verwaltung oder des Militärdienstes hatten. Die muslimischen Krimtataren stellten die übergroße Mehrheit der Bevölkerung, daneben gab es christliche – Pontusgriechen, Kiptschak-Armenier, Armenier, Genuesen und bis ins 17./18. Jh. möglicherweise auch einige Krimgoten – und spezifische jüdische – Krimtschaken, Karäer – Minoritäten. Türken fanden sich in der direkt osmanisch verwalteten Stadt Kefe (krimtatar.; russ. Feodosija), daneben sind noch muslimische Tscherkessen als Sklaven an den Höfen der Eliten zu nennen.

Das K. unterhielt zumindest sporadische politische Beziehungen bis hin zu den Höfen in Persien, Dänemark (17. Jh.), Schweden (17. –18. Jh.), Preußen (spätes 17. und Mitte 18. Jh.) und der Habsburgermonarchie (zweite H. 17. Jh.). Eingebunden war es als osmanischer Vasall (ab 1475), der allerdings Subsidien erhielt, seit dem 17. Jh. in verlustreiche den Eigeninteressen wenig dienende Auseinandersetzungen im Donauraum (habsburgisch–osmanische Kriege) und im nordwestlichen Iran (osmanisch–persische Kriege). Unter anderem aufgrund der fehlenden Adaption technischer Neuerungen, büßten die Verbände des K. seit dem letzten Viertel des 17. Jh. erkennbar an Schlagkraft gegenüber ihren sesshaften Nachbarn ein. Hauptstadt des K. war seit dem späten 16. Jh. Bachčysaraj (ukrain., krimtatar. Bahçesaray, russ. Bachčisaraj), wo auch die prächtige Residenz des Khans errichtet wurde. Daneben spielten Sudak, Simferopol, Gurzuf, Staryj Krym (russ./ ukrain., krimtatar. Eski Qırım) u. a. eine wichtige Rolle. Hier wurde auch intensiv Ackerbau betrieben. Seit dem späten 17. Jh. ist neben der nun erheblich zunehmenden politischen Abhängigkeit vom Osmanischen Reich auch eine wachsende Adaption der osmanischen Lebenswelten in der Alltagskultur oder der Architektur belegbar. Die Bevölkerung des K. mag um 1700 maximal 400.000 Personen umfasst haben.

Bennigsen A., Desaive D., Lemercier-Quelquejay Ch. 1987: Le Khanat de Crimée dans les Archives du Musée du Palais de Topkapi. Paris. Fisher A. 1970: The Russian Annexation of the Crimea 1772–1783. Cambridge. Kortepeter C. 1972: Ottoman Imperialism during the Reformation. Europe and the Caucasus. London. Golden P. 1992: An introduction to the history of the Turkic peoples: Ethnogenesis and and state formation in medieval and early modern Eurasia and the Middle East. Wiesbaden.

(Meinolf Arens)

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