Gelibolu (Halbinsel)

Gelibolu Yarımadası (türk., altgriech. Chersonesos, hist. Halbinsel Gallipoli)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

G. ist eine ca. 90 km lang gestreckte, tafelartig aufgebaute Halbinsel des europäischen Teils der Türkei, ca. 900 km² groß, bis 348 m. ü. M.; sie verläuft parallel zur Nordwestküste Kleinasiens und bildet so die Dardanellen (türk. Çanakkale Boğazı, hist. Hellespont).

Die Halbinsel wird sowohl vom mediterranen Klima wie auch von dem des Schwarzen Meeres beeinflusst. Regen fällt ganzjährig; die Sommer sind sehr warm und die Winter mild. Die Durchschnittstemperatur beträgt 14,6 °C, die im Sommer auf bis zu 24° C steigen kann; die niedrigste Durchschnittstemperatur wird in den Monaten Januar und Februar mit ca. 6 °C erreicht. Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit beträgt 72 %. Der jährliche Niederschlag liegt im Durchschnitt bei 608 mm. Die Vegetation besteht vor allem aus Pinien, Zypressen und Platanen an den Berg- und Hügelabhängen, sowie aus Buschwerk, Eichen- und Olivenbäumen. Hinzu kommen Weideland und Obstplantagen. G. ist stark waldbrandgefährdet. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft sowie das Kleingewerbe. Größter Ort der Halbinsel ist die Stadt Gelibolu (Stadt). G. ist zum einen über die Hauptstraße von Istanbul aus zu erreichen, zum anderen verkehren Autofähren regelmäßig von der Stadt Gelibolu aus in Richtung Lapseki (altgriech. Lampsakos) sowie zwischen Eceabat (altgriech. Madytos) und der kleinasiatischen Stadt Çanakkale.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Die ursprünglich von den Thrakern bewohnte Halbinsel (auch als „Thrakische Halbinsel“ bezeichnet) besaß in Antike und Mittelalter strategische Bedeutung als Hauptübergang zwischen Europa und Asien. G. wurde im 8./7. Jh. v. Chr. von den Griechen kolonisiert und stand im 6./5. Jh. v. Chr. unter persischer Oberhoheit. Die bedeutendsten Städte in der Antike waren Kardia und Sēstos. Mitte/Ende des 6. Jh. v. Chr. wurde G. vom athenischen Feldherrn und Politiker Miltiades dem Älteren in Besitz genommen und blieb unter Kontrolle seiner Familie, bis Miltiades der Jüngere die Halbinsel 493 v. Chr. wieder den Persern übergab. Nach dem Ende der persischen Oberherrschaft unterstand G. der Hegemonie Athens.

404–386 beherrschte Sparta die Halbinsel; nach der Wiederherstellung der athenischen Kontrolle wurde G. Mitglied des 2. Attischen Seebundes, wobei Athen die Vorherrschaft über G. mehrfach an thrakische Stämme und 338 v. Chr. endgültig an Philipp II. von Makedonien verlor. Nach dem Tode Alexanders des Großen wurde G. Bestandteil des Reiches des Lysimachos und stand nach dessen Untergang anschließend abwechselnd unter der Hoheit des Ptolemäerreiches, Makedoniens und ab 189 v. Chr. des Pergamenischen Reiches. 133 v. Chr. fiel die Halbinsel an das Römische Reich. In der Spätantike gehörte sie zur Provinz ›Europa‹ und damit zur ›Thracia Dioecesis‹.

1304–07 errichtete eine katalanische Söldnertruppe (›Companyia Catalana‹) auf der Halbinsel eine unabhängige Herrschaft. Am 29.5.1416 erlitt die osmanische Flotte in der Seeschlacht bei G. eine vernichtende Niederlage gegen die Venezianer. 1451 wurde unter Sultan Mėhmed II. die Sperrfestung Kilitbahir errichtet. 1915 scheiterte der Versuch britischer, französischer, australischer und neuseeländischer Truppen, G. zu erobern (Schlacht von Gallipoli). Im Friedensvertrag von Sévres fiel Ostthrakien mit G. 1920 an Griechenland. Nach dem Waffenstillstand von Mudanya erfolgte 1922 die Rückgabe Ostthrakiens mit G. an die Türkei. 1923–36 war G. Teil der entmilitarisierten Meerengenzone. Zum Gedenken an die 500.000 in der Schlacht von Gallipoli gefallen Soldaten wurde 1973 ein 33.000 ha großer Nationalpark eingerichtet.

(Maik Ohnezeit)

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