Erzgebirge

Erzgebirge (tschech. Krušne hory, auch: Krušnohoří)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Das E. bildet auf 130 km Länge und 30–35 km Breite die Grenze zwischen Böhmen und Sachsen. Es erstreckt sich vom Elstergebirge (tschech. Halštrovské hory) im Westen bis zum Elbsandsteingebirge (tschech. Labské pohoří) bzw. zur Sächsischen Schweiz (in Tschechien: Böhmische Schweiz [České Švýcarsko]) im Nordosten. Im Norden wird das E. von den sächsischen Städten Zwickau, Chemnitz, Freiberg und Dresden begrenzt.

Das westliche E. wird im Westen vom Elstergebirge, im Osten vom Tal der Eger (tschech. Ohře) und im Süden vom Duppauer Gebirge (tschech. Doupovské hory) umgeben. Der mittlere Teil des E.s grenzt im Südosten an das Böhmische Mittelgebirge (České středohoří), im Osten reicht es bis an die Städte Teplice (dt. hist. Teplitz-Schönau) und Osek (dt. hist. Osseg) heran. Östlich an Osek und Krupka (dt. hist. Graupen) schließt sich das östliche E. an, das im Osten an die Elbe heranreicht und im Süden vom Fluss Bílina (dt. hist. Biela) begrenzt wird.

Während sich das E. auf sächsischer Seite in einer sanftwelligen Hochfläche als Keilscholle bis zum Kamm empor hebt, fällt es im Süden steil zum „Böhmischen Becken“ (Česká pánev) hin ab. Im Südabbruch ist auf ca. 600 m ü. d. M. eine zweite Platte eingeschaltet, die von den Zuflüssen der Eger markant zerschnitten wird. Die Kammlinie verläuft meist zwischen 800 und 1000 m ü. d. M. in SW-NO-Richtung. Der Keilberg (tschech. Klínovec) ist mit seiner 1244 m hohen flachen Kuppe die höchste Erhebung des E., gefolgt vom Fichtelberg mit rd. 1215 m ü. d. M. auf sächsischer Seite (dieser war zugleich auch der höchste Berg der DDR). Beide befinden sich im südlichen Tal der Zschopau. Mit 1028 m ü. d. M. ist Boží Dar (dt. hist. Gottesgab) die höchstgelegene Stadt der Tschechischen Republik, während Oberwiesenthal mit 914 m ü. d. M. die höchstgelegene Stadt der DDR war und bis heute das Wintersportzentrum der Region ist.

Die Pultscholle des E. entstand im Tertiär. Aufgebaut wird das E. aus kristallinen, hoch metamorphen und magmatischen Gesteinen des Paläozoikums, wobei es sich im östlichen E. meist um Gneise, im westlichen E. um Glimmerschiefer und Phyllite, bei Mittweida und südwestlich der Zwickauer Mulde um Granite und im östlichen E. auch um Porphyre und Basalte handelt. Der verwickelte Gesteinsaufbau bedingt auch den Erzreichtum des E.s.

Ursprünglich bestand der Urwaldbewuchs aus Mischwäldern. Diese mussten dem Erzabbau weichen und wurden nach und nach durch Fichtenmonokulturen ersetzt, die im 20. Jh. durch Industrieabgase, Schädlingsplagen, Sturm- und Frosteinwirkungen schwer geschädigt wurden. Seit den 1990er Jahren werden die Kahlflächen systematisch mit immissionsbeständigen Gehölzen bepflanzt, wie Birken, Lärchen und Silberfichten. Auf den Bergplateaus befinden sich ausgedehnte Hochmoore mit Sumpfkiefern, Krüppelkiefern, Moor-Weiden und Zwergbirken. Zu den größten Mooren gehören: Božídarské rašeliniště („Gottesgaber Hochmoor“), Malé a Velké jeřábí jezero (Kleiner und Großer Kranichsee) und Velké močál („Großer Sumpf“). Das E. bietet zahlreichen stark gefährdeten Pflanzen Lebensraum, so z. B. dem Alpenflachbärlapp, der Feuerlilie, dem Arnika sowie verschiedenen Enzian- und Orchideenarten. Seltene Tierarten im E. sind Sperlingskauz, Birkhuhn, Eisvogel, Flussperlmuschel und Hochmoorgelbling.

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2 Kulturgeschichte

Bisher gibt es weder für den sächsischen noch für den böhmischen Teil des E. eindeutige Beweise für eine dauerhafte Besiedlung in ur- und frühgeschichtlicher Zeit. Eine Begehung, Durchquerung und saisonale Nutzung jedoch ist nachweisbar, so z. B. am sog. Sorbischen Steig (Chlumecká stezka) durch den in urgeschichtlicher Zeit Nordwestböhmen über mehrere Epochen hinweg engen Kontakt mit Sachsen hatte.

Seit der älteren Bronzezeit waren der Erzabbau und die Erzseife im E. bekannt. Auf böhmischer Seite schoben sich schon während der sog. älteren und mittleren Burgwallzeit (8.–9. Jh.) einzelne Siedlungen bis zum E.rand vor. Eine dauerhafte bäuerliche Besiedlung begann jedoch erst im 12. Jh. vorwiegend von sächsischer Seite aus, als zumeist in Quellmulden der Hochflächen Waldhufendörfer entstanden. Nachdem 1163 bei Freiberg Silbererz gefunden worden war, führten aus dem Harz stammende Bergleute den Bergbau ein. Seit dieser Zeit trägt das E. seinen Namen und es entstanden zahlreiche Bergbausiedlungen, die bis in 1000 m ü. d. M. vorrückten.

Im 13. Jh. besiedelten deutschsprachige Neusiedler auch die böhmische Seite des E.s. Neben dem Bergbau bildeten v. a. die Nutzung der Wasserkraft (Sägemühlen, Poch- und Hammerwerke) und die Holzwirtschaft (Herstellung von Holzkohle und Pech sowie Pottasche zur Glaserzeugung) die Lebensgrundlage der E.sbewohner. Bereits im 13. Jh. bestanden Glashütten auf böhmischer Seite. Der Bergbau blühte am stärksten im 15. Jh. auf, abgebaut wurden Silber, Blei, Kupfer, Zinn, Nickel, Kobalt und Eisenerze.

Seit 1520 ließ Graf Stephan Schlick in Jáchymov (dt. hist. Joachimsthal) Guldengroschen prägen, die ›Joachimstaler‹ genannt wurden, woraus später die Währungsbezeichnungen „Taler“ und „Dollar“ hervorgingen. Nach der Niederschlagung des böhmischen Ständeaufstandes 1620 wurde die Bevölkerung des E.s gewaltsam rekatholisiert, die Nichtkatholiken verließen das Land. Diese Exulanten ließen sich v. a. auf der sächsischen Seite des E.s nieder, wo sie neue Orte gründeten (z. B. Johanngeorgenstadt). Da zu den Emigranten eine große Zahl von Bergbauexperten gehörte, erlosch im 17. Jh. insbesondere auf böhmischer Seite der Bergbau allmählich und die Bevölkerung war gezwungen andere Erwerbsquellen zu entwickeln (Erzeugung von Holzwaren und Textilien). 1878 wurde in Aue der Erzgebirgsverein gegründet, der sich neben dem Landschaftsschutz und der Volkskunde auch dem Ausbau von Wanderwegen widmete. 1898 entdeckte das Ehepaar Curie das Element Radium im St. Joachimsthaler Uranpecherz. Nach 1945 wurden bei Aue, Annaberg-Buchholz, Schneeberg, Schwarzenberg und Gera (Ronneburg) sowie auf tschechoslowakischer Seite Uranerze gefördert (bis in die 80er Jahre des 20. Jh.). Daneben besteht noch Bergbau auf Blei, Zink und Zinn.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der tschechoslowakische Teil des E.s stark entvölkert, da dort hauptsächlich Deutsche lebten. Die kleinstädtische Siedlungsweise ging stark zurück. Nur Jáchymov am Fuße des Keilbergs hat seinen früheren Ruf beibehalten können (Silberfundstätte, Radiumthermalbad). Seit 1993 besteht die grenzüberschreitende Euroregion Erzgebirge/Krušnohoří, die auf sächsischer Seite 2248 km² und auf tschechischer Seite 3090 km² umfasst. Auf sächsischer Seite befindet sich der Naturpark Erzgebirge/Vogtland, das Vogelschutzgebiet auf dem Erzgebirgskamm und das Vogelschutzgebiet Großteich Großhartmannsdorf; auf tschechischer Seite befinden sich das Naturreservat Pod Jelení Horou, das Naturreservat Jezerka und das Landschaftsschutzgebiet České Středohoří.

1855 wurde der Bau der ›Obererzgebirgischen Eisenbahn‹ beschlossen, die das E. besser mit der Industrieregion um Zwickau verbinden sollte. 1858 wurde die Strecke zwischen Zwickau und Schwarzenberg eröffnet, 1859 eine Zweigbahn von Niederschlema (heute Teil von Bad Schlema) nach Schneeberg. Die ›Obererzgebirgische Eisenbahn‹ sollte ursprünglich weiter bis nach Karlový Vary führen, dies konnte aber erst 1899 verwirklicht werden. 2000 wurde der Betrieb nach Karlovy Vary wieder aufgenommen, jedoch im selben Jahr wieder eingestellt. Heute kann man mit der ›Vogtlandbahn‹ von Bad Brambach über Eger bis nach Marienbad (Mariánské Lázně) oder von Klingenthal nach Kraslice fahren. Im sächsischen Teil des Erzgebirges befinden sich zahlreiche Schmalspurbahnen, die noch oder wieder in Betrieb sind. Dazu gehören die 1897 eröffnete ›Fichtelbergbahn‹ zwischen Cranzahl und Oberwiesenthal, die Museumsbahn Schönheide – Carlsfeld (seit 1897), die ›Preßnitztalbahn› zwischen Jöhstadt und Steinbach (seit 1892) und die ›Weißeritztalbahn› zwischen Freital/Hainsberg und Kipsdorf (eröffnet 1882) als dienstälteste Schmalspurbahn Deutschlands. Des Weiteren befindet sich in Oberwiesenthal die älteste Seilschwebebahn Deutschlands (seit 1924 in Betrieb) und zwischen Erdmannsdorf und dem Renaissanceschloss Augustusburg verkehrt seit 1911 eine Drahtseilbahn.

In Ernstthal (heute Hohenstein-Ernstthal) im Westerzgebirge wurde 1842 Karl May als Sohn eines Webers geboren. Karl May, bekannt geworden durch seine Abenteuerromane, hat auch seine Heimat in zahlreichen Geschichten verewigt (1874 „Die Rose von Erstthal“ und 1903 „Erzgebirgische Dorfgeschichten“. May verfasste auch Geschichten, in denen er die Schmuggelei zwischen Sachsen und Böhmen, die über die Kämme des Erzgebirges führte, beschrieb (z. B. „Menschentrutz und Gottes Hand“). Seit 1936 trägt ein ehemaliger Bergwerksstollen bei Hohenstein-Ernstthal, in dem er sich 1869 nach mehreren Straftaten versteckt hielt, den Namen Karl-May-Höhle.

(Andrea Schutte)

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