Grudziądz

Grudziądz (poln., dt. hist. Graudenz).

Die nordpolnische Kreisstadt G. liegt an der unteren Weichsel im „Graudenzer Becken“ (Kotlina Grudziądzka) in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern. Sie zählt 99.800 Einwohner (2007), liegt rd. 80 m ü d. M und umfasst ein Gebiet von 58,7 km². Wesentliche Wirtschaftszweige der Stadt sind Maschinenbau, Gummi-, Nahrungsmittel- und Textilindustrie sowie der Tourismus. In G. befinden sich ein Planetarium und ein astronomisches Observatorium.

Erstmals 1065 erwähnt, befand sich die in G. errichtete Burg seit dem 10 Jh. im Besitz der Piasten, ab 1138 im Herzogtum Masowien. 1218 wurde G. von Konrad I. Mazowiecki an Missionsbischof Christian übergeben, der es dem Deutschen Orden übereignete. Dieser errichtete in G. eine von 1250–1454 bestehende Ordenskommende. G. erhielt 1291 das Kulmer Stadtrecht und war seit 1440 Mitglied des gegen den Deutschen Orden gerichteten „Preußischen Bundes”. Infolge des zweiten Thorner Friedens kam G. 1466 an die polnische Krone und war von 1526–1772 Versammlungsort der allgemeinen Landtage für das königliche Preußen. Ab dem 16. Jh. entwickelte sich G. zu einem wichtigen Zentrum des Weichselhandels (v. a. für Getreide). Durch die Kriege gegen Schweden in der zweiten Hälfte des 17. Jh. verlor G. seine wirtschaftliche Bedeutung. Mit der ersten Teilung Polen-Litauens fiel G. 1772 an Preußen. 1772–76 entstand auf Veranlassung Friedrichs II. eine Festung zur Verteidigung des Weichselübergangs, die 1807 gegen napoleonische Truppen behauptet wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. erlebte G. einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung und wurde zu einer industrialisierten Stadt, deren Bevölkerung sich zwischen 1880 und 1905 von 17.300 auf 36.000 verdoppelte.

G. blieb trotz der Zugehörigkeit zu Preußen ein Zentrum polnischer Kultur. Die 1894 gegründete, polnischsprachige Zeitung ›Gazeta Grudziądzka‹ hatte 1914 mit einer Auflage von 143.000 Exemplaren überregionale Bedeutung. 1920 kam G. zur zwieten Polnischen Republik und wurde in der Zwischenkriegszeit zu einem bedeutenden Bildungs-, Kultur- und Wirtschaftszentrum. Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde G. bis 1945 dem Deutsche Reich angegliedert. Nach Kriegsende war G. zu zwei Dritteln zerstört. Teile der Altstadt und die Heilig-Geist-Kirche aus dem 14. Jh. wurden wieder aufgebaut. Zahlreiche Bauten des ehem. Benediktinerinnenklosters, des ehem. Jesuitenklosters, die Pfarrkirche St. Nikolai aus dem 14. Jh. sowie Speicher aus dem 17. und 18. Jh. blieben erhalten und zählen heute zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt.

(Thomas Himmelbach)

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