Hetman

Hetman

Der so eng mit der Geschichte des polnisch-litauischen Doppelstaates assoziierte verbundene Begriff stammt eigentlich vom altdeutschen ›heuptman‹ bzw. ›Hauptman‹ und dessen alttschechischem Ableger ›hejtman‹ (lat. capitaneus) ab.

Der Begriff H. (›dux exercituum‹) kommt erstmalig in den Urkunden aus dem 15. Jh. als Titel des für einen Feldzug vom König nominierten Oberbefehlshaber vor (so bei Tannenberg 1410) und wird seit 1503 in Litauen und seit 1505 in Polen als Titel des Befehlshabers der litauischen bzw. polnischen Armee verwendet (›H. koronny‹ bzw. ›H. litewski‹). Die Einberufung des Adelsaufgebots blieb beim König. Im 16. Jh. wurde sporadisch ein Hofh. (›H. nadworny‹) nominiert. Seit 1539 bekamen die nunmehrigen Großh. (›H. wielki‹) jeweils einen Stellvertreter, den Feldh. (›H. polny‹). Seit 1581 wurde das H.at und seit 1588 das Feldh.at auf Lebenszeit verliehen. Die Nominierung erhielten oft unfähige Personen aus dem Hochadel Nach militärischen Niederlagen brachte man mehrmals im 17. und im 18. Jh. Reformprojekte ins Gespräch (mit Optionen einer Amtsenthebung oder einer Berufung auf Zeit). Die Reform kam selbst nach der Gefangennahme der beiden H.e während des Kosakenaufstandes 1648 nicht zustande.

Die Rechte und die Pflichten des H. (Kriegsminister) wurden erstmalig 1527 in der Ernennungsurkunde von Jan Tarnowski formuliert. Der H. nominierte Offiziere, die Obersten nach der Rücksprache mit dem König. Seine administrativen Heereserlasse (›artykuły hetmańskie‹) glichen seit 1590 einem vom Sejm verabschiedeten Gesetz. Der H. veranlasste die Kontrolle der Heeresabteilungen, beaufsichtigte die registrierten Soldkosaken, fungierte als Militärrichter, entschied über Militärvorschriften und durfte - unter Auflagen - Auslandskontakte unterhalten. Die persönliche Übernahme der Kriegsführung durch den König setzte die Funktion des H. zeitlich aus. Dank dieser Machtfülle war er offiziell der sechste (der „sechste Minister“), praktisch nach dem König der höchste Würdenträger des Landes. Faktisch gehörten die H.e dem Senat an, weil sie gleichzeitig ein anderes, an den Senatorensessel gebundenes Amt eines Kastellans oder Woiwoden innehatten. Diese Regelung wurde 1768 aufgehoben. Die Ämterkumulation war dem H. in Verbindung mit dem Marschall- und Kanzleramt verboten. Aber auch hier kennt man Ausnahmen, so etwa bei Jan Zamoyski (1542-1605, Kanzler 1578, H. 1581).

Nur ein H., Jan Sobieski, wurde zum König gewählt (1674). Durch Ämterkumulation konnten die H.e den Druck auf Sejm sowie Kreis- und Landtage ausüben. Die H.e mussten keine Rechenschaftsberichte vorlegen, was Amtsmissbrauch und Korruption erleichterte. Die Jahresbesoldung entsprach aber den Jahreseinkünften eines Magnaten. Die Prärogativen der H.e schränkte der Sejm per Gesetz 1717 und 1764 ein. Seit 1717 wurden die H.e zu Rechenschaftsberichten gezwungen und seit 1764 (in Litauen seit 1765) stand ihnen der Kriegsrat zur Seite. Zwischen 1775–95 degradierte man die H.e zu dem Heeresdepartement (›Departament wojskowy‹) untergeordneten Beamten. Während des Aufstandes 1794 wurden drei der vier H.e in Warschau und Wilna vom Volk gehängt. Entgegen einer weit in der Literatur verbreiteten Meinung stand den Kosakenführern im 16. Jh. kein H.titel zu. Die vom König ernannten Ältesten des Zaporoger Heeres Seiner Königlichen Majestät standen seit 1568 registrierten und besoldeten Kosaken vor.

Den H.titel nahmen manchmal selbst ernannte Führer der freien, nicht registrierten Kosaken am Unterlauf des Dnjepr an. Nach dem Gesetz von 1590 ernannte der Kronh. einen Kommissar für die Kosaken. Noch 1648 titulierte sich Bohdan Chmel’nyc’kyj als Ältester. Den 1649 während der Verhandlungen mit der Regierung verliehenen H.titel behielt er auch nach der Anerkennung der russischen Hoheit 1653/54. Vom H. leitet sich der Name des Kosakenstaates, des sog. H.ates (H.staat) ab. Im Kosakenstaat verfügte der H. über absolute Macht, verlieh u. a. Stadtrechte und Privilegien und entschied über Steuern. Laut dem Abkommen von Hadziacz von 1658 sollte der H. dem dritten Glied des Staates neben Polen und Litauen, dem Fürstentum von Ruthenien vorstehen. Während der Zeit der Wirren in der Ukraine bekämpften sich zeitweise zwei oder drei rivalisierende H.e. Die Position des Kosakenh. wurde in Russland 1764 abgeschafft.

Czajka M., Kamler M., Sienkiewicz W (Hg.) 1994 – 1995: Encyklopedia historii Polski. Bd. 1 – 2. Warszawa. Encyclopedia of Ukraine. Vol. 1-5. Toronto 1985 – 1993. Gloger Z. 1996: Encyklopedia staropolska. Bd. 1 – 4. Warszawa. Góralski Z. 1983: Urzędy i godności w dawnej Polsce. Warszawa. Nagielski M. (Hg.) 1995: Hetmani Rzeczypospolitej Obojga Narodów. Warszawa.

(Robert Friedl)

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