Homelʹ (Stadt)
Homelʹ (weißruss., russ. Gomelʹ; poln. hist. Hom[i]el)
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1 Geographie
Die 492.400 Einwohner (2003) zählende Stadt H. liegt auf einer Fläche von 113 km² im südöstlichen Teil der Republik Weißrussland am Fluss Sož. H. ist eines der bedeutendsten Industriezentren Weißrusslands. Die wichtigsten Industriezweige sind die Schwarzmetallurgie, der Maschinenbau, die Leichtindustrie, die Holzverarbeitung, die Nahrungsmittelindustrie und die chemische Industrie.
Die Stadt verfügt über insgesamt sieben Hochschulen, darunter die „Staatliche Universität H.“ (Homelʹskij hosudarstvennyj universitet). Zu den wichtigsten kulturellen Einrichtungen gehören das „Dramatische Theater“, das Puppentheater, das experimentelle Jugendtheater, die Philharmonie und die sieben ständigen Ausstellungen und Galerien der Stadt.
2 Kulturgeschichte
H. ist eine der ältesten Städte Weißrusslands. Die erste urkundliche Erwähnung geht auf 1142 zurück, als sich die Stadt im Besitz des Fürsten von Černigov befand. Anschließend gehörte H. verschiedenen russischen Fürstentümern an. Um 1335 kam H. zum Großfürstentum Litauen, wo es zum Gebiet der Fürstenfamilie Patrikeev gehörte. Als der litauische Großfürst Großfürst Vytautas 1406 die Familie Patrikees bezichtigte, sich zu sehr in Richtung Moskau zu orientieren, entzog er ihnen das Gebiet. Zwischen 1406 und 1419 wurde H. von litauischen Statthaltern verwaltet. Im Anschluss gehörte H. bis 1452 mit kurzen Unterbrechungen zum Herrschaftsbereich des Großfürsten Švitrigaila. Nach dessen Tod gehörte die Stadt dem aus Russland geflohenen Fürsten von Možajsk, Ivan Andreevič, und ab 1483 dessen Sohn Semën.
Nach dem litauisch-russischen Krieg (1534–37) wurde der Status H.’s als Teil des Großfürstentums Litauen im Friedensvertrag von 1537 bestätigt. Entsprechend den zwischen Litauen und Polen im Rahmen in der Union von Lublin 1569 verankerten Bestimmungen kam H. zu Polen. 1670 erhielt H. das Recht zur städtischen Selbstverwaltung auf Grundlage des Magdeburger Rechts. Nach der ersten Teilung Polens befand sich H. seit 1772 im russischen Teilungsgebiet. Nachdem H. 1888 an die Eisenbahn angeschlossen wurde, kam es zu einem spürbaren Aufschwung von Industrie und Handel. 1897 zählte die Stadt rd. 37.000 Einwohner.
Vom 01.03.1918 bis zum 14.01.1919 war H. von deutschen Truppen besetzt. 1926 wurde H. Teil der Belaruskaja Saveckaja Sacyjalistyčnaja Rėspublika (weißruss., Abk. weißruss. und russ. BSSR) und ist seit 1938 Hauptstadt des Gebietes H. 1940 zählte H. knapp 145.000 Einwohner. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde H. im Zweiten Weltkrieg am 19.08.1941 von der deutschen Wehrmacht besetzt. Die Besatzungszeit dauerte bis zum 26.11.1943 an, als reguläre sowjetische Streitkräfte H. in einer gemeinsamen Operation zusammen mit vor Ort agierenden Partisaneneinheiten befreiten. Während des Krieges kamen rund 55.000 Einwohner der Stadt ums Leben, etwa 5000 mussten Zwangsarbeit in Deutschland leisten, etwa 80 % der Wohnhäuser wurden zerstört.
Nach dem Reaktorunfall am 26.04.1986 im benachbarten ukrainischen Tschernobyl kam es im Gebiet H. durch radioaktiven Fall-out zu weitreichenden langfristigen Kontaminationen. In der Folgezeit mussten knapp 100.000 Menschen in andere Landesteile Weißrusslands umgesiedelt werden, etwa 100 Ortschaften wurden vollständig geräumt. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist H. Hauptstadt des Gebietes H. der Republik Weißrussland.