Auschwitz (Konzentrationslager)

Auschwitz (Konzentrationslager); größtes nationalsozialistisches KZ und Vernichtungslager bei Oświęcim (dt. hist. A., Polen).

Die Stadt wurde von NS-Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkriegs als an Ostoberschlesien angrenzender sog. Oststreifen annektiert. Auf einem ursprünglich als Barackenlager für galizische Wanderarbeiter bebautem, später u. a. als Kaserne der polnischen Armee genutztem Gelände wurde im Frühjahr 1940 ein zunächst für polnische Häftlinge vorgesehenes KZ eingerichtet, das sich mit dem wachsenden Bedarf an Zwangsarbeitern deutscher Industriebetriebe rasch vergrößerte. Daneben diente es der Unterbringung sowjetischer Kriegsgefangener. Nachrichten über die verheerenden Existenzbedingungen im Lager, wo seit September 1941 eine Gaskammer in Betrieb war, kursierten im besetzten Polen und machten A. zu einem Symbol des NS-Besatzungsterrors.

Dem ›Stammlager‹ unmittelbar benachbart lagen das im Oktober 1941 eingerichtete Vernichtungslager A. II in Birkenau (poln. Brzezinka), das für den Mord an den Juden Europas, später auch der Sinti und Roma, bestimmt war, und in geringer Entfernung über 40 Neben- und Außenlager. Das größte war das 1942 errichtete Lager bei Monowitz (poln. Monowice, auch: Buna), aus dem u. a. eine Fabrik der IG Farben für synthetischen Gummi seine Arbeitskräfte bezog. Der Lagerkomplex erstreckte sich über ein riesiges Areal und war größtenteils durch meterhohe, elektrisch geladene Stacheldrahtzäune abgeriegelt. Das über die Lager hinausgehende „SS-Interessengebiet“ umfasste insgesamt etwa 40 km². Die dort ansässige Bevölkerung wurde mit Errichtung der Lager zwangsausgesiedelt, 40 Dörfer wurden „geräumt“ und rd. 2000 Menschen vertrieben. Ihre Häuser wurden abgerissen oder dienten dem Lagerpersonal und auch dessen Familien als Wohnung.

Nach heutigen Schätzungen durchliefen die Lager mind. 1,3 Mio. Menschen, darunter 1,1 Mio. Juden (300.000 aus Polen), nahezu 150.000 Polen, ca. 20.000 Sinti und Roma, 16.000 sowjetische Kriegsgefangene und weitere 25.000 aus 20 Ländern nach A. Deportierte. In A. wurden zwischen 1,1 und 1,5 Mio. Menschen ermordet, darunter 1–1,35 Mio. meist in überfüllten Viehwaggons aus nahezu ganz Europa verschleppte Juden (die größte Gruppe 1944 aus Ungarn).

Nur einen kleinen Teil jedes Transportes erklärten SS-Offiziere in den anschließenden „Selektionen“ für arbeitsfähig, während der Großteil von der Lagerregistratur nicht erfasst und gleich nach der Ankunft in einer der vier Gaskammern durch ›Zyklon B‹ vergiftet und in Gruben bzw. Krematorien verbrannt wurde. Um die Neuankömmlinge irrezuführen, machten die Gaskammern den Eindruck von Duschräumen. Sonderkommandos sammelten Kleider und jegliche Art „verwertbarer Gegenstände“ ein, die in Magazinen gelagert wurden, um sie der NS-Industrie zuzuführen. Die Zwangsarbeiter starben zumeist an den völlig unzureichenden Lebensbedingungen und der gleichzeitigen schweren Arbeitsbelastung. SS Ärzte, unter ihnen Josef Mengele und Claus Clauberg, führten v. a. an Frauen und Kindern grausame „medizinische“ Versuche durch. Deutsche und polnische Funktionshäftlinge (sog. Kapos), die sich oft aus Kriminellen rekrutierten, übten als verlängerter Arm der Lagerleitung zudem eine brutale Willkürherrschaft aus.

Seit Herbst 1943 regte sich im Lager organisierter Widerstand, an dem sich Häftlinge verschiedener Nationen beteiligten. Über polnische politische Gefangene konnte Kontakt zur Widerstandsbewegung außerhalb des Lagers hergestellt werden. Während eines Aufstands- und Fluchtversuchs von Angehörigen des zur „Beseitigung“ der Leichen gezwungenen Sonderkommandos wurden am 7.10.1944 mehrere SS-Leute und alle Aufständischen getötet und eine Gaskammer zerstört.

Den Befehl zur Massenvernichtung erteilte der Führer der SS Heinrich Himmler. Als Kommandant des KZs von 1940–43 und Organisator des Mordes an den ungarischen Juden im Mai 1944 war insbesondere Rudolf Höß für die in A.-Birkenau begangenen Verbrechen an der Menschheit verantwortlich. Im Durchschnitt waren in A. 3000 bis 4000 Angehörige der SS tätig, v. a. in den sog. Totenkopfverbänden der Wachmannschaft. Am 1.11.1944 ordnete Himmler das Ende der Massenvergasungen an. Um die Spuren zu verwischen, wurden Gaskammern und Krematorien von der SS zerstört, und auch der Großteil der Akten fiel gegen Kriegsende vor der Räumung des KZs der Vernichtung anheim; ca. 58.000 Gefangene wurden teils auf Fußmärschen während des Winters in weiter westlich gelegene Lager (v. a. Mittelbau Dora im Harz) verbracht; ein Fünftel der Häftlinge überlebte die Todesmärsche nicht. Am 27.1.1945 befreite die Rote Armee das KZ, in dem nur noch ca. 7650 kranke und völlig ausgezehrte Insassen verblieben waren. Von den 405.000 registrierten Häftlingen überlebten nur etwa 65.000. Die Frage, ob die Alliierten die Lager und ihre Zufahrtswege hätten bombardieren sollen, wird bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert.

Der Name A. wurde zum Inbegriff des planmäßigen und technisierten nationalsozialistischen Genozids an den Juden Europas. Ein Sejm-Beschluss erhob das ehemalige Lagergelände in A.-Birkenau 1947 zum „Denkmal für das Martyrium der Polen und Anderer Völker“ (Pomnik Męczeństwa Narodu Polskiego i Innych Narodów), im gleichen Jahr wurde das „Staatliche Museum A.“ (Państwowe Muzeum Oświęcim) eröffnet. Seit 1979 ist das Gelände des ehemaligen KZs Teil des UNESCO-Welterbes. Die Verantwortlichen der an den Giftgas-Lieferungen beteiligten Hamburger und Dessauer Firmen (Tesch & Stabenow, Degesch) verurteilte ein britisches Militärgericht 1946 zum Tode. Die gleiche Strafe maß das polnische „Oberste Volksgericht“ im April 1947 Höß zu. Ende des Jahres wurden in Krakau von 40 Angeklagten 23 zum Tode und 16 zu Gefängnisstrafen verurteilt. In Frankfurt am Main fanden zwischen 1963 und 1981 mehrere Gerichtsverfahren statt. 1963 bis 1965 wurden von 17 ehemaligen Angehörigen der SS-Lagermannschaft sechs zu lebenslänglicher Haft und elf zu Freiheitsstrafen zwischen drei und 14 Jahren verurteilt.

Gutman Y., Berenbaum M. (Hg.) 1994: Anatomy of the Auschwitz Death Camp. Washington. Institut für Zeitgeschichte (Hg.) 2000: Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, Bd. 1-4. München. Steinbacher, S. 2004: Auschwitz. Geschichte und Nachgeschichte. München. http://www.auschwitz-muzeum.oswiecim.pl/ [Stand 10.2.2005].

(Klaus-Peter Friedrich)

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