Gallus Anonymus

Gallus Anonymus

Wahrscheinlich handelt es sich bei dem seit der Renaissance als G. bezeichneten anonymen Verfasser der ›Cronica et Gesta Ducum sive Principum Polonorum‹ um einen südfranzösischen Benediktinermönch, der um 1100 über Ungarn an den Hof des Herzogs Bolesław III. Krzywousty (1085–1138) kam und dort Mitglied der Kapelle wurde. Nach eigenen Angaben wurde er durch den Kanzler Michał Adwaniec zur Niederschrift seiner Chronik angeregt, der ihn wahrscheinlich auch mit Informationen versorgte.

Die drei überlieferten Bücher seiner nicht abgeschlossenen oder als Fragment tradierten Chronik sind vermutlich zwischen 1113 und 1117 entstanden. Jedem Buch sind ein Widmungsbrief und ein Epilog panegyrischen Charakters vorangestellt. Zentrum der Darstellung ist Bolesław Krzywousty. Das erste Buch beginnt mit einer Einordnung Polens in die Geographie der slawischen Länder und befasst sich dann mit den teilweise sagenumwobenen Vorgängern des Herzogs, am ausführlichsten mit Bolesław Chrobry. Die beiden anderen Bücher erzählen von Taten und Person Krzywoustys selbst, wobei das zweite Buch die letzten Regierungsjahre Władysławs I. Herman und die Zeit von der Geburt Bolesławs bis hin zur Erlangung der Alleinherrschaft abhandelt und deutlich gegen Bolesławs Stiefbruder Zbigniew Partei ergreift. Das letzte Buch endet mit der Buße des Herzogs nach der Blendung Zbigniews im Jahre 1113.

Während das literarische Niveau seines als Reimchronik angelegten Werkes für seine Zeit beachtlich ist, ist die Glaubwürdigkeit der dargestellten Details zweifelhaft. So übernimmt der Autor die Legenden von der Herkunft der Piastendynastie, führt hingegen wenig konkrete Daten an und schildert das zeitgenössische Geschehen klar zugunsten Bolesławs. Dennoch ist seine Chronik als erste erzählende Quelle polnischer Herkunft für die Frühzeit der polnischen Piasten von unbestrittenem Wert und bietet zudem Informationen zu den angrenzenden Gebieten. G.s Zusammenfassung des mündlich tradierten Wissens über etwa 250 Jahre Vorgeschichte sowie des aktuellen Geschehens seiner Zeit war die Grundlage für spätere Chroniken wie die des Wincenty Kadłubek (ca. 1150–1223) oder Jan Długosz (1415–80).

Maleczyński K. 1952: Anonima tzw. Galla Kronika czyli dzieje książąt i władców polskich. Monumenta Poloniae Historica, Series nova, Pomniki dziejowe Polski, t. II, Kraków. Bujnoch J. (Übers.) 1978:, Gallus Anonymus: Chronik und Taten der Herzöge und Fürsten von Polen (= Slavische Geschichtsschreiber, 10), Graz. Plezia M. 1984: Nowe studia nad Gallem Anonimem. Mente et litteris, Poznań, 111–120.

(Anne Weiland)


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