Dakien

Dakien (latein. Dacia)

Die Daker zogen erstmals Mitte des 1. Jh. v. Chr. das Interesse des Römischen Reiches auf sich. Der Tod Julius Cäsars verhinderte aber die geplante Eroberung des ersten Dakerreiches, das auf dem Gebiet des heutigen Siebenbürgen entstanden war. Dieses zerfiel nach der Ermordung seines ersten Königs Burebista (44 v. Chr.), bevor es Mitte des 1. Jh. n. Chr. zu einer erneuten Reichsbildung mit einem befestigten Zentrum (›Sarmizegetusa Regia‹), religiösen Kultstätten (Zamolxis-Kult) und frühen Formen kultureller und wirtschaftlicher Betätigung kam. Der den Römern 88 n. Chr. von König Decebalus (ca. 88–106) abgerungene Friedensvertrag ermöglichte diesem den Bau neuer Festungen, die in den zwei sog. Dakerkriegen (101/02, 105/06) den Vormarsch der römischen Truppen des Kaisers Trajan verlangsamen, aber nicht aufhalten konnten. Die Kriege endeten schließlich mit der Eingliederung des dakischen in das Römische Reich, der Gefangennahme von etwa 50.000 Dakern und dem Abtransport von ca. 165.000 kg Gold und 330.000 kg Silber (die in der Folge zahlreiche öffentliche Bauten in Rom zu finanzieren halfen) sowie dem Freitod Decebalusʹ.

Die neue, nördlich der Donau gelegene Provinz wurde dreigeteilt (›Dacia Porolissensis‹, ›Dacia Superior‹ und ›Dacia Inferior‹), nach 170 n. Chr. einem einzigen Statthalter unterstellt und mit rund 50.000 Soldaten vor den Einfällen der Sarmaten, Jazygen, Karpen u. a. Steppenvölkern geschützt. Entlang der neu gebauten Heeresstraßen entstanden Siedlungen, Munizipien und Städte. Die dakische Provinz scheint aufgrund ihrer Goldvorkommen viele römische Siedler angezogen zu haben, ihre wirtschaftliche Potenz wird von der Forschung dennoch als gering erachtet. Zwischen 267–275 n. Chr. zogen die Römer infolge der Bedrohung durch die Goten, Karpen und Sarmaten schließlich aus D. ab und errichteten südlich der Donau neue Provinzen (›Dacia ripensis‹ und ›Dacia mediterranea‹).

Die Frage nach dem Fortleben der Daker und dem Grad ihrer Romanisierung hat in der Historiographie zu heftigen Kontroversen geführt. Die auf den antiken Historiker Eutropius zurückgehende Behauptung der "Entvölkerung" Siebenbürgens kann als Übertreibung angesehen und mit der hohen Zahl der nach Rom gebrachten männlichen Kriegsgefangenen erklärt werden. Das Ausmaß der Romanisierung ist schwer einzuschätzen. Die überlieferten schriftlichen Zeugnisse (wie z. B. Inschriften) weisen kaum auf die Daker hin. Archäologische Funde, v. a. Gebrauchsgegenstände aus Gräberfeldern und ländlichen Siedlungen, lassen hingegen indirekt auf ihre Anwesenheit schließen. Ihre Zahl nimmt für das 3. Jh. zwar ab, für das 4. Jh. jedoch wieder zu. Die Existenz dieser einfachen Tonwaren in D. weist auf das Fortleben der Daker und die Präferenz für eigene Produkte, damit eine Ablehnung der römischen Kultur, hin. Eine Symbiose scheint es demnach nicht gegeben zu haben. Das Städtewesen war im Vergleich zu anderen römischen Provinzen schwach ausgeprägt. Die andernorts von den Römern aufrechterhaltene Stammesorganisation der Einheimischen (latein. civitas peregrina) ist für D. nicht bekannt. Ebenso wenig ist die Übernahme autochthoner Gottheiten in das städtische Kultwesen (latein. interpretatio Romana) nachweisbar. Der Anteil dakischer Namen am überlieferten Namensmaterial der Städte (73 % römischer, 14 % griechischer, 4 % illyrischer und 2,3 % keltischer Herkunft) ist mit ca. 2 % verschwindend gering (vgl. Petolescu 1995, 83).

Für eine Akkulturation der Daker, die die Ausbildung städtischer Organisationen, die Entstehung sozialer Hierarchie sowie die freiwillige und allmähliche Imitation der Lebensweise der (städtischen) Eliten umfassen würde, gibt es keine Hinweise. Als Hauptgrund für eine offensichtlich fehlende Romanisierung muss die relativ rasche Aufgabe römischer Herrschaft in D. angenommen werden. Nach der Räumung der Provinz unter Kaiser Aurelian verschwand demnach jede Spur römischer Kultur.

Horedt K. 1986: Siebenbürgen im Frühmittelalter. Bonn. Horváth, F. Sz. 2002/03: Anmerkungen zu den Möglichkeiten und Grenzen der Romanisierung in Dakien. Ungarn-Jahrbuch 26, 179–203. Lica V. 2000: The Coming Of Rome in the Dacian World. Konstanz (= Xenia 44). Petolescu C. 1995: Scurtă Istorie a Daciei Romane. Bucurešti. Schuller W. (Hg.) 1994: Siebenbürgen zur Zeit der Römer und der Völkerwanderung. Köln.

(Franz Sz. Horváth)

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