Wladiwostok

Wladiwostok (russ. Vladivostok)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

W. ist die Hauptstadt der Region Primorʹe im Fernen Osten der Russischen Föderation und liegt an der Südspitze der 35 km langen und 12 km breiten Muravʹëv-Halbinsel im Japanischen Meer, die Entfernung zu Moskau beträgt 9302 km, die Abweichung von der Moskauer Zeit plus 7 Stunden. Die mittleren Temperaturen betragen im Januar –13,1 °C und im Juli 17,4 °C, die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich im Durchschnitt auf 818 mm. Die Stadt ist Hauptstützpunkt der russischen Pazifikflotte und Eparchie. Sie hat 583.700 Einwohner (2005), vorwiegend Russen, gefolgt von Armeniern, Ukrainern und Tataren.
W. ist wichtiges Verkehrs- und Transitzentrum der Russischen Föderation auf dem Weg von Zentralrussland nach Asien. Hier befindet sich die östliche Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein großer Hochsee- sowie ein internationaler Flughafen. Zunehmend wird W. wieder zum Dreh- und Angelpunkt des Handels und zum Tor zu den Nachbarländern Japan, China, Nord- und Südkorea sowie zur Westküste Nordamerikas.
Zentraler Wirtschaftsfaktor der Stadt ist der Handelshafen, dessen Bedeutung nach dem Verlust vieler Ostsee- und Schwarzmeerhafenstandorte im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion noch angewachsen ist. Hauptexportgüter sind Rohholz und Metalle, importiert werden Fertigwaren. Weitere wichtige Wirtschaftszweige sind der Schiffbau, die Fischereiwirtschaft, der Maschinenbau, die Holz verarbeitende sowie die Baustoffindustrie.
Der militärische Sektor der Stadt ist groß, leidet jedoch an Unterfinanzierung, die zu einem zunehmenden Verfall der Flotte und großen Umweltbelastungen durch die Verschrottung und durch Probleme bei der Beseitigung von radioaktiven Abfällen führt.
Im kulturellen und Bildungsbereich ist W. wichtigstes Zentrum des russischen Fernen Ostens. Die Stadt verfügt über mehrere Universitäten und Hochschulen, eine Seefahrtsakademie, Forschungsinstitute der Russischen Akademie der Wissenschaften, eine Marineschule, Theater, eine Philharmonie, zahlreiche Museen, eine Gemäldegalerie und ein Ozeanarium.

2 Kulturgeschichte

W. wurde 1860 an der Hafenbucht „Goldenes Horn“ (Zolotoj Rog) als militärischer Vorposten des Russischen Reiches an der Pazifikküste gegründet. 1880 erhielt W. (zu deutsch: Beherrscher des Osten) den Stadtstatus.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt begann mit der Anlage der Transsibirischen Eisenbahn (1891–1903). Schnell entwickelte sich W. zu einem internationalen Handelszentrum. Um die Jahrhundertwende siedelten sich hier viele ausländische Kaufleute an, deren Bauten teilweise noch heute das Stadtbild prägen. So das 1906 von den Hamburger Kaufleuten Kunst und Albers errichtete mehrstöckige Jugendstilhaus, das gegenwärtig das städtische Kaufhaus GUM beherbergt.
Im engen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung ist die rasante Zunahme der Bevölkerungszahlen zu sehen (1897: 28.900, 1925: 102.500, 1938: 206.500, 1958: 291.000, 1978: 549.700, 1988: 633.838 Einwohner).
Während des Russisch-japanischen Krieges 1904/05 wurde W. von japanischen Kriegsschiffen belagert; nach dem Ausbruch der Oktoberrevolution 1917 wurde die Stadt durch Ententetruppen besetzt und in der Folge ein Sammelplatz der Weißen Armee und ihrer Unterstützer.
Nach der Einnahme der Stadt durch die Rote Armee 1922, der umfangreiche Kampfhandlungen voraus gingen, wurde W. zum Hauptquartier der sowjetischen Pazifikflotte und zum Standort wichtiger militärisch-industrieller Einrichtungen. W. erhielt den Status einer „geschlossenen Stadt“. Die wenigen noch verbliebenen Ausländer mussten die Stadt verlassen, generell wurde Ausländern der Zutritt untersagt und Sowjetbürger durften nur mit Genehmigung einreisen.
Nach der Öffnung der Pazifikmetropole Anfang der 1990er Jahre knüpft W. in Ausnutzung seiner guten verkehrsgeographischen Lage wieder zunehmend an seine früheren Handels- und Industriefunktionen an und profiliert sich zu einem wichtigen Wirtschaftszentrum im südostasiatischen Raum.
Der Einfluss der südostasiatischen Nachbarn ist in W., das nur 70 km von der chinesischen Grenze und 100 km von der Grenze mit Nordkorea entfernt liegt, sehr stark. W. wird wie die gesamte Region zum großen Teil von China aus versorgt – sowohl mit Lebensmitteln als auch mit anderen Konsumgütern. Die Autos stammen fast ausschließlich aus Japan und Südkorea. Durch die Nähe zu großen Märkten mit billigen Gebrauchtwagen in diesen beiden Staaten erreicht W. seit den 1990er Jahren den höchsten Motorisierungsgrad unter den russischen Städten (212 PKW/1000 Einwohner 2003).
Allmählich zeichnet sich auch eine zunehmende Einwanderung von Chinesen in die benachbarte russische Grenzregion und hier insbesondere in das wirtschaftliche Zentrum W., nachfolgend in die anderen großen Städte (z. B. Ussurijsk) und Grenzstädte, ab. Hintergrund der zumeist illegalen Zuwanderung sind eine hohe Arbeitslosigkeit und hohe Bevölkerungsdichte in den angrenzenden chinesischen Regionen. Haupterwerbsquellen der Chinesen in W. sind der Einzelhandel, das Baugewerbe sowie die Landwirtschaft.
Bekannte „Söhne der Stadt“ sind der us-amerikanische Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler Harry Igor Ansoff (1918–2002), der us-amerikanische Schauspieler Yul Brynner (1915–85), beide in W. geboren, sowie der russische Physiker und Nobelpreisträger Igor E. Tamm (1895–1971).

Brade I. (Hg.) 2002: Die Städte Russlands im Wandel. Raumstrukturelle Veränderungen am Ende des 20. Jahrhunderts. Leipzig. www.vladivostok.ru [Stand 10.10.2005].

(Monika Schulze)


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